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#Angeklagt ist auch der Kreml

Angeklagt ist auch der Kreml

Es ist ein besonderer Mordprozess, der an diesem Mittwoch vor dem Berliner Kammergericht beginnt. Besonders ist die Tat selbst, um die es geht. Und besonders sind ihre Umstände, ihre Vorbereitung und ihr Auftraggeber. Denn neben dem mutmaßlichen Mörder sitzt der russische Staat mit auf der Anklagebank: Die Bundesanwaltschaft wirft Moskau vor, einen Auftragsmord auf deutschem Boden veranlasst, den Täter dafür vorbereitet und nach Berlin geschickt zu haben. Folgt das Gericht dieser Auffassung, dann würde das ohnehin sehr schwierige Verhältnis zwischen Deutschland und Russland noch weiter belastet. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon angekündigt, dass dann mit weiteren Konsequenzen zu rechnen sei.

Markus Wehner

Die Tat und die darauffolgenden Ermittlungen sind so spektakulär, dass sie dem Drehbuch eines Politthrillers entnommen zu sein scheinen. Vor gut einem Jahr, am 23. August 2019, war ein Killer mit einem Rucksack auf einem Fahrrad im Berliner Tiergarten unterwegs. Mit einer Kurzwaffe mit Schalldämpfer, einer Glock 26, streckte er sein Opfer erst nieder, dann schoss er ihm zweimal in den Kopf.

Der Tote war Selimchan Changoschwili, ein 40 Jahre alter Tschetschene mit georgischer Staatsbürgerschaft, der auf dem Weg zum Freitagsgebet in die Moschee war. Der Mann, der auch einen Pass mit dem Namen Tornike Kavtaradze besaß, war 2016 als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Nach der Tat warf der Killer Rucksack, Perücke und sein Fahrrad in die Spree. Doch Jugendliche beobachteten ihn dabei, sie benachrichtigten die Polizei. Die konnte ihn festnehmen, bevor er mit einem Roller, der in einem Gebüsch versteckt war, seine Flucht fortsetzen konnte.

Bundesstaatsanwaltschaft geht von „Staatsterrorismus“ aus

Schon bald wurde klar, dass es sich nicht um einen Mord aus dem kriminellen Milieu handelte. Die Ermittler kamen schnell darauf, dass der Tatverdächtige, ein Russe namens Wadim Sokolow, eine Tarnidentität besaß, auch wenn sein Pass echt war. Sie fanden heraus, dass es sich in Wirklichkeit um Wadim Krassikow handeln musste. Der hatte mutmaßlich im Juni 2013 einen Geschäftsmann in Moskau erschossen, war damals bei der Tat ebenfalls auf einem Fahrrad unterwegs gewesen. Die russischen Behörden gaben im April eine Fahndungsmitteilung zu dem mutmaßlichen Täter heraus. Doch im Juli 2015 wurde sie gelöscht. 

Ein Bildabgleich des Fahndungsfotos mit dem Gesicht des Tatverdächtigen aus dem Tiergarten ergab, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um ein und dieselbe Person handelt. Andere Indizien führten dazu, dass die Bundesanwaltschaft, die den Fall Ende 2019 an sich gezogen hatte, von Staatsterrorismus ausgeht, nämlich davon, dass der Angeklagte von „staatlichen Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation“ beauftragt wurde.

Verbindungen zum militärischen Auslandsdienst Russlands

Schon die Registriernummer des Passes wies auf den militärischen Auslandsdienst GRU hin – sie ähnelte der Nummer von anderen Russen, die in Kriminalfälle verwickelt waren, in denen die GRU als Urheber verdächtigt wurde. Andere Ungereimtheiten kamen hinzu: „Sokolow“, der mit einem Schengen-Visum der französischen Botschaft in Moskau erst nach Paris und dann nach Warschau geflogen war, hatte für sein Visum die Arbeitgeber-Bescheinigung einer Petersburger Firma vorgelegt, die sich laut russischem Handelsregister aber in Reorganisation befindet und nur einen Mitarbeiter hatte.

Sokolow sollte laut der Bescheinigung einen Monatslohn erhalten, der den Jahreseinnahmen der Firma entsprach. Deren Fax-Nummer gehörte zu zwei Rüstungsfirmen, die dem russischen Verteidigungsministerium unterstehen. Recherchen mehrerer Investigativplattformen konnten zudem belegen, dass Krassikow mit ehemaligen Mitgliedern einer Eliteeinheit des FSB, des russischen Inlandsgeheimdienstes, in Verbindung stand. Er hielt sich danach mehrfach in Trainingszentren ihrer Organisation namens „Wympel“ auf.  

Der Tote galt in Moskau als Terrorist

Moskau hätte zudem ein Motiv für den Mord. Denn Changoschwili kämpfte im zweiten Tschetschenienkrieg von 1999 bis 2004 an der Seite von Islamisten gegen die Moskauer Streitkräfte. Er soll eine Gruppe bewaffneter Tschetschenen unter den berüchtigten Kommandanten Schamil Bassajew und Abu Walid befehligt haben. Später stellte er im russisch-georgischen Krieg 2008 eine 200 Mann starke Kampfgruppe zusammen, die in der georgischen Provinz Südossetien gegen Russland kämpfen sollte, aber nicht mehr zum Einsatz kam.

Moskau betrachtete den Mann daher als Terroristen, er sei Mitglied der Terrororganisation „Kaukasisches Emirat“ gewesen. Putin bezeichnete ihn nach einem Treffen mit Angela Merkel als „grausam und blutrünstig“.  Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Hintergrund der Mordtat „die Gegnerschaft des späteren Opfers zum russischen Zentralstaat“ und zur moskautreuen Regierung in Tschetschenien gewesen sei.

Weitere Belastung für deutsch-russisches Verhältnis

Das deutsche Verhältnis zu Russland war zuvor schon durch den Hackerangriff auf den Bundestag 2015 belastet worden – den deutschen Sicherheitsbehörden war es kürzlich gelungen, den Hauptverdächtigen festzustellen und einen internationalen Haftbefehl gegen ihn zu erlassen. Moskau bestreitet wie immer jede Verantwortung.

Auch die Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalnyj mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe hat aktuell zu einer weiteren Belastung der Beziehungen geführt. Der Mord im Tiergarten ist allerdings so gravierend, dass Berlin reagieren muss, wenn das Gericht der Bundesanwaltschaft folgt. Bisher hat die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres nur zwei als Diplomaten getarnte Mitarbeiter der GRU ausgewiesen, weil Russland bei der Aufklärung des Mordes nicht kooperiere. Dabei wird es nicht bleiben können. Für den Prozess sind 25 Verhandlungstage bis zum 27. Januar 2021 angesetzt.

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