#„Angst vor dem Vorwurf, nichts gemacht zu haben“
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„„Angst vor dem Vorwurf, nichts gemacht zu haben““
Ich bin unglaublich gerne Lehrerin“, sagt Heike Lichtenthäler. Seit 20 Jahren unterrichtet sie, seit 13 Jahren am Tannenbusch-Gymnasium in Bonn; sie ist Jahrgangsleiterin in der Oberstufe und Beratungslehrerin. „Der Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern macht den Beruf schön“, sagt die Mitfünfzigerin. „Man muss aber auch Tacheles reden und klare Ansagen machen können.“ Dabei hilft der Lehrerin für Geographie und Sport, dass sie aus dem Leistungssport kommt. „Ich glaube, ich habe eine natürliche Autorität.“
Und doch stieß sie Ende 2012 an eine sehr harte Grenze und fiel wegen eines Burnouts neun Monate lang aus. „Ich hatte keine Distanz mehr und habe zum Beispiel noch um 22 Uhr mit Eltern telefoniert.“ Wie viele Kollegen habe sie hohe Ansprüche an sich, mache es aus ihrer Sicht selten gut genug. Nach außen zeigte Lichtenthäler ihre Erschöpfung nicht. „Inzwischen habe ich gelernt, auch mal zu sagen, heute geht es mir nicht gut.“ Und sie nimmt sich genügend Auszeiten.
Ein Burnout, also eine berufsbedingte Erschöpfungssymptomatik, ist unter Lehrkräften keine Seltenheit. Exakte Zahlen existieren nicht, da es keine einheitliche Definition von Burnout gibt und unterschiedliche Erhebungsinstrumente existieren. Untersuchungen legen nahe, dass zwischen 10 und 30 Prozent der Lehrpersonen unter Burnout-Symptomen leiden, berichtet Bärbel Wesselborg, Professorin für Pflegepädagogik und Berufspädagogik der Gesundheitsberufe an der Fliedner Fachhochschule in Düsseldorf, die seit langem auch zur Lehrergesundheit forscht.
Belastende Tätigkeit
Frauen sind stärker betroffen. Fest steht nach Wesselborgs eigener Forschung, dass die psychische Erschöpfung deutlich stärker in beruflichen Tätigkeiten verbreitet ist, die sich durch eine starke soziale Interaktion auszeichnen; dazu gehören Lehrkräfte, Pfleger und Erzieherinnen.
Die Kerntätigkeit des Lehrerberufs sei sehr belastend, erklärt Wesselborg. „Das Halten von Unterricht ist eine komplexe Aufgabe. Parallele Interessen und Fähigkeiten sind zu berücksichtigen. Damit der Unterricht erfolgreich verläuft und befriedigend ist, müssen die Schüler kooperieren.“ Dabei sei wegen unvorhersagbarer Störungen keine Planungssicherheit gegeben. Außerdem unterrichte man am Vormittag ohne wirkliche Pausen. Die Erholung sei auch dadurch erschwert, dass eine Lehrkraft in der Regel in der Schule keinen Arbeitsplatz habe, an dem sie ungestört sei. Den Unterricht bereite sie zu Hause vor; eine Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit zu ziehen sei schwierig.
„Man hat das Gefühl, nie fertig zu sein“, berichtet Gymnasiallehrerin Lichtenthäler. Als Stress empfindet sie auch das falsche Bild von Lehrern in der Öffentlichkeit: „Viel Geld für wenig Arbeit – dabei ist das ein hochanspruchsvoller Beruf.“ Die Arbeitszeit von Lehrkräften gehe im Durchschnitt über die geforderte Arbeitszeit im öffentlichen Dienst hinaus, und vor allem in Korrekturphasen arbeiteten sie weit mehr als 40 Stunden in der Woche, weiß Wesselborg.
Schwieriger Kontakt zu den Schülern
So ist es schon in normalen Zeiten, nun kommt Corona hinzu. „Die Arbeitszeit ist noch viel stärker entgrenzt“, sagt Martina Schmidt, Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen, Coach, Lehrerausbilderin und Podcasterin („Die kleine Pause“). Im Präsenzunterricht herrsche Angst vor Ansteckung; es müsse ständig gelüftet werden, es sei kalt, die Unterrichtsstunden seien zerstückelt, die Lautstärke nehme wegen vorbeifahrender Autos noch zu.
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