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#Wie der Kreml unliebsame Medien mundtot macht

Wie der Kreml unliebsame Medien mundtot macht

In der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt Russland auf Platz 150 von 180, zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Honduras. Die Aussichten auf Verbesserung sind schlecht: Der Kreml geht gegen missliebige Kräfte in Politik und Medien immer härter vor. Erst Mitte April wurden vier Mitarbeiter des studentischen Online-Journals Doxa in Moskau unter Hausarrest gestellt. Neuester Schlag gegen unabhängige Journalisten ist die Einstufung von Medusa als „ausländischer Agent“ durch das Justizministerium am vergangenen Freitag.

Friedrich Schmidt

Das Newsportal hat es in den sechseinhalb Jahren seit seiner Gründung zum wichtigsten unabhängigen russischsprachigen Medium gebracht. Allmorgendlich fällt der Blick von Millionen smartphoneaffinen Russen auf die Website Meduza.io. Neben sachlich aufbereiteten Nachrichten bietet Medusa Reportagen, so von Protesten und Prozessen gegen Regimegegner, Unterhaltsames, Podcasts. Jetzt bringt die Diffamierung als „Agent“ umfangreiche Rechenschaftspflichten vor den Behörden mit sich.

Wer spricht noch mit „Staatsfeinden“?

Um hohe Geldbußen, die Blockierung der Website und Strafverfahren gegen Verantwortliche zu vermeiden, versieht Medusa alle Materialien mit großen (dazu gibt es Vorgaben) Markierungen zum „Agenten“-Status. Vor allem fürchtet das Newsportal um seine Existenz: Werbekunden könnten sich abwenden, Autoren ebenfalls als „Agenten“ eingestuft werden, Gesprächspartner nicht länger mit den „Staatsfeinden“ sprechen. Man will gegen die Einstufung juristisch vorgehen; die Aussicht ist trübe. „Wir hoffen auf das Beste, wir bereiten uns auf das Schlimmste vor“, sagte die Gründerin und Generaldirektorin von Medusa, Galina Timtschenko, ihren Kollegen von The Bell.

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Medusas Geschichte wirft ein Schlaglicht auf das Los von Russlands unabhängiger Presse. Timtschenko war zehn Jahre Chefredakteurin von Lenta.ru und baute das Newsportal zum seinerzeit führenden unabhängigen Anbieter auf. Wegen der Berichterstattung im heraufziehenden Ukraine-Konflikt entließ der Eigentümer Timtschenko im Frühjahr 2014. Mit ihrer Abfindung und zusammen mit Investoren, deren Namen nicht veröffentlicht werden, sowie einem Gutteil der Belegschaft von Lenta.ru gründete Timtschenko im Herbst 2014 Medusa. Sitz ist die lettische Hauptstadt Riga, in der EU, aber nah an Russland, wo „man uns wahrscheinlich nicht arbeiten lässt“, so Timtschenko damals.

Es kann jeden treffen, der durch Kritik auffällt

Russlands unabhängige Journalisten haben in den vergangenen Jahren immer wieder Mut und Gründergeist bewiesen. Online-Projekte wie The Bell und VTimes entstanden nach Druck auf große Medienhäuser wie RBK und Wedomosti. Diese Zeitung galt bis zur Gleichschaltung vor einem Jahr lange als Flaggschiff unabhängiger Presse mit liberalen Kommentatoren. Jüngst war Wedomosti Teil einer Kampagne zur Diskreditierung des inhaftierten Oppositionsführers Alexej Nawalnyj als nationalistischen Eiferers; aber der alte Ruf verleiht nicht länger Glaubwürdigkeit. Die Nachfrage nach unabhängigen Informationen ist in Russland groß, so dass die Nachfolgeprojekte Erfolg haben: Ein Teil des Publikums folgt Journalisten, die sich nicht vereinnahmen lassen, zahlt für Online-Angebote.

Dagegen verschärfen die Machthaber die Mediengesetze immer mehr. Seit 2017 gibt es eine schwarze Liste „ausländischer Agenten“ unter den Medien. Darauf stehen jetzt 14 juristische Personen wie Voice of America und Swoboda, der russische Ableger des vom amerikanischen Kongress finanzierten Radio Free Europe/Radio Liberty. Dass es nun auch Medusa traf, erklärte eine Quelle aus der russischen Präsidialverwaltung gegenüber dem Portal Open Media (das selbst in Estland sitzt und dem Kreml-Gegner Michail Chodorkowskij gehört) mit Maßnahmen Lettlands gegen russische Propagandamedien wie RT.

Das würde aber nicht erklären, warum zusammen mit Medusa das wenig bekannte Portal PASMI (eine Abkürzung für „erstes Antikorruptionsmassenmedium“) auf die Liste gesetzt wurde. Es herrscht völlige Willkür: Für die Aufnahme reichen jede Art von Geldzufluss aus dem Ausland und Informationsverbreitung. Fünf Einzelpersonen, die seit Ende 2020 als „Medien-Agenten“ gelten, müssen ihre Posts in sozialen Medien entsprechend kennzeichnen. Künftig sollen sogar einfache Nutzer bestraft werden, die Beiträge von „Agenten“ wie Medusa ohne Kennzeichnung auf ihren Profilen posten. Die Botschaft ist klar: Es kann jeden treffen, der durch Kritik auffällt.

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