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#Athens Wiedergeburt – oder ein kleines Dubai?

Der „olympische Adler“ vegetiert vor sich hin. Unter diesem stolzen Namen verrostet in der südöstlichen Ecke des ehemaligen Athener Flughafens „Ellinikon“ eine Boeing-747. Die Reifen sind platt, die Triebwerke längst abmontiert. An die große Vergangenheit des 50 Jahre alten Jumbos erinnern nur noch die bleich-blaue Bemalung von Olympic Airways und die olympischen Ringe auf dem Leitwerk.

Hier heben nun neue Ideen ab. Am Platz des früheren Flughafens von Athen kehrt Leben zurück. Im Zuge des flächenmäßig größten Projekts einer Re-Urbanisierung Europas entstehen hier Wohnungen, Villen, Hochhäuser, Büros, Grünflächen, Sportstätten, Shopping Malls, Restaurants, Cafés, ein Casino, eine Kongress- und Konzerthalle, ein Jachthafen, Hotels und ein dreieinhalb Kilometer langer Strand. Kurzum: In der alten Stadt wächst eine neue Stadt heran – autofrei, grün, digital.

Sie soll eine „Fünfzehn-Minuten-Stadt“ werden, in der Arbeit, Einkaufen und Freizeitangebote in einer Viertelstunde zu erreichen seien. Das alles breitet sich in einer Dimension aus, die Athen bisher nicht gesehen hat: Das Gelände misst mehr als 6 Millionen Quadratmeter oder 600 Hektar – dreimal so groß wie Monaco.

Überbleibsel vom Sport-Weltereignis

Während ein Teil des früheren Flughafen von Athen auf eine neue Zukunft vorbereitet wird, atmet ein anderer Teil noch Geschichte. Die Vergangenheit des 1938 eröffneten Flugplatzes war bewegt: Während der deutschen Besatzung bombardierten die Amerikaner und die Briten das Rollfeld zwölf Mal. In den Siebziger- und Achtzigerjahren wurden der Flughafen und seine Maschinen mehrfach zum Ziel palästinensischer Terroranschläge.

Der Flughafen sah auch glückliche Nachkriegsjahre, weil er die Modernisierung und Internationalisierung Griechenlands symbolisierte. Bis zur Olympiade 2004 in Athen schaffte er es allerdings nicht mehr. 2001 wurde der Flughafen stillgelegt und vom 25 Kilometer entfernten International Airport „Eleftherios Venizelos“ ersetzt.

Vom damaligen Sport-Weltereignis finden sich auch noch Überbleibsel. Leere Stadien für Baseball, Hockey und Kajakfahren unweit des Rollfelds sind stumme Zeugen vom Scheitern nacholympischer Nutzungspläne. Schritt für Schritt werden die jungen Ruinen jetzt abgetragen.

„Ein Projekt, das ganz Griechenland verändern wird“

Der Baustellenleiter fährt die Aussichtspunkte ab. Auf einem Hügel ragen braune Steinquader empor. „Dieses Grab aus dem vierten Jahrhundert vor Christus haben wir wieder an seinen ursprünglichen Ort zurückgebracht“, sagt er. An zwei anderen Stellen werden Flüsse wieder in ihre alten Flussbetten gelenkt. Für eine belebte Schnellstraße graben die Immobilienentwickler auch einen Tunnel, damit die Bewohner den Strand barrierefrei erreichen können. Alles soll sanft und umweltverträglich sein. „Den Beton des Rollfeldes verbauen wir auch wieder“, sagt der Baustellenleiter.

Modellbau: So könnte es eines Tages aussehen.


Modellbau: So könnte es eines Tages aussehen.
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Bild: Lamda

Ellinikon oder auch Hellinikon ist ein Stadtteil im südlichen Athen, der nicht nur für sich eine große Zukunft verheißen soll. „Es ist ein Projekt, das ganz Griechenland und das Bild des Landes verändern wird. Vergessen Sie nicht, dass das Land erst vor einigen Jahren praktisch bankrott war“, sagt Odisseas Athanasiou, der Vorstandsvorsitzende der privaten Entwicklungsgesellschaft Lamda Development, der F.A.Z. Eine neue Ära breche für die Athener Region Attika und Griechenland an, kündigte auch der Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im vergangenen Oktober bei der Einweihung an.

Es ist in der Tat eine einmalige Chance. Ein Terrain, wie es mitten in einer Stadt selten zur Verfügung steht, noch dazu am Meer und an einem nahen U-Bahn-Anschluss gelegen, soll mit neuem Leben gefüllt werden. Die Größe ist auch eine enorme Herausforderung, weshalb der gesamte Bebauungsplan auf mehr als 20 Jahre ausgelegt ist. Währenddessen sollen nicht weniger als 7 Milliarden Euro investiert werden.

Käufer müssen angelockt werden

Die erste Bauphase, die laut Athanasiou „Ende 2026 oder Anfang 2027“ endet, ist für ihn die wichtigste. Ein Fehlstart wäre ein fatales Signal. Also müssen Käufer angelockt werden. Der Anfang scheint gelungen. Die 170 Apartments im 200 Meter hohen Riviera Tower mit seinen 50 Etagen seien verkauft, berichtet Athanasiou – auf der obersten Ebene sogar für 32.000 Euro je Quadratmeter, und auf den 15 höchsten Etagen für mehr als 20.000 Euro. Gut ein Drittel des Geldes hätten die Käufer schon bezahlt.

Der Meeresblick ist in dem von Foster & Partners entworfenen Turm in den meisten Apartments garantiert, teilweise ergänzt durch die Sicht auf die Akropolis 12 Kilometer entfernt. Doch blicken die Bewohner ansonsten auf eine Baustelle? Das genau versucht Athanasiou zu verhindern. In drei Jahren soll auch ein Drittel des riesigen Parks fertiggestellt sein, der auf einer Fläche von 200 Hektar vorgesehen ist, sowie die ganze Küstenlinie mit Strand, Jachthafen, Einkaufs- und Wohnmöglichkeiten, privaten Schulen und einigen Sportstätten.

„Wenn das klappt, dann wird sich dort bald eine autonome Stadt befinden“, sagt Athanasiou und räumt ein, dass die Umsetzung „eine große Herausforderung“ sei. „Doch wir haben angefangen und drei Jahre bis zur Vollendung der ersten Phase vor uns. Vor vier Jahren hätte niemand geglaubt, dass wir so weit kommen.“

Es fehlt an sozialer Ausgewogenheit

8000 Wohneinheiten sind insgesamt vorgesehen, in der ersten Phase 1500. Ein Viertel der Käufer im prestigeträchtigen Riviera-Hochhaus kommt aus dem Ausland, darunter Auslandsgriechen, Schwei­zer und Skandinavier. Die ausländische Marketingkampagne habe noch gar nicht angefangen, sagt Athanasiou: „Wir erwarten, dass der Anteil ausländischer Käufer auf 40 bis 45 Prozent steigt.“

Dass Ellinikon eine Oase reicher Ausländer werden könnte, ist einer der Kritikpunkte – ein kleines Dubai in Athen, das Wohlhabende nur zeitweise im Jahr bewohnen. Loukas Triantis, ein Assistenz-Professor für Stadtplanung an der Universität von Thessaloniki, lehnt das Projekt in seiner heutigen Form aus mehreren Gründen ab. „Es passt nicht in die Landschaft von Athen, es wirkt austauschbar“, hat er an der Architektur auszusetzen, die zu wenig griechische Züge trage, sondern stattdessen Hochhäuser vorsehe, die kein familienfreundliches Leben ermöglichten.

Zudem sei der große Park zu verplant und wenig natürlich. An sozialer Ausgewogenheit fehle es auch. In der Tat richtet sich das Ellinikon-Projekt vor allem an Personen, die in Griechenland als gut situiert bis wohlhabend gelten: Außerhalb des Riviera-Turms liegen die Quadratmeterpreise zwischen 5500 und 12.500 Euro. In anderen Ländern würde die öffentliche Hand bei ähnlichen Projekten einen bestimmten Anteil von Sozialwohnungen vorschreiben, etwa zehn bis zwanzig Prozent, meint Triantis – doch nicht in Athen.

Ein riskantes Schnäppchen

Der Immobilienentwickler Lamda hat freie Hand. Die schwerreiche griechische Latsis-Familie dahinter, die ihr Geld mit Öl, in der Schifffahrt, im Bankwesen und in Immobilien gemacht hat, sei jedoch „sehr sozial bewusst“, hält Athanasiou dagegen. Daher würden von 2024 an hundert Wohnungen zum Selbstkostenpreis angeboten, also ohne Grundstückskosten, nur zu Baukosten. Das ermögliche Quadratmeterpreise von rund 2500 Euro, schätzt Athanasiou.

Hundert kostengünstige Wohnungen entsprechen freilich nur 6 Prozent des Bestands der ersten Phase und 1,2 Prozent nach kompletter Fertigstellung. So können sie kaum ein Garant für eine ausgeglichene Sozialstruktur sein. Das ist auch nicht die Priorität der gewinnorientierten Entwicklungsgesellschaft Lamda Development. Sie ging nach Worten von Athanasiou große Risiken ein, als sie vor rund zehn Jahren das Projekt übernahm.

Das Land bekam Lamda für lediglich 900 Millionen Euro, was heute wie ein Schnäppchen wirkt. „Doch damals, als Griechenland darniederlag, war es riskant“, sagt er. „Danach sanken die Preise erstmal weiter.“ Baugenehmigungen, Regierungswechsel und die Geldbeschaffung seien anfangs ein Albtraum gewesen.

Das neue Wahrzeichen von Athen

Heute befinde sich die Finanzierung in trockenen Tüchern: Die Hälfte der 900 Millionen Euro sei schon abbezahlt. Die Emission zweier Anleihen mit einer Verzinsung von 3,9 Prozent brachte 1,2 Milliarden Euro in die Kasse. Das Geld aus den Vorverkäufen der Immobilien komme hinzu, und für die Einkaufszentren sei 2024 ein Börsengang geplant. „Wir brauchen keine Darlehen im nächsten Jahr und voraussichtlich auch nicht 2025“, freut sich Athanasiou.

Dabei räumt er ein, dass seine Gesellschaft erst von 2026 an richtig Geld verdiene, denn dann seien die anfänglichen Investitionskosten verdaut und man könne auf Sicht fahren. Lamda werde nach der Anfangsphase erst neue Wohnungen bauen, wenn von ihnen 40 Prozent vorverkauft seien. „Sollten wir irgendwelche Hindernisse sehen, verzögern wir, anstatt unser Geld zu riskieren“. Doch Athanasiou glaubt fest an den langfristigen Erfolg. Ellinikon gleiche schon in wenigen Jahren „einem Märchen“. Fast wie der alte Flughafen werden die Neubauten somit zu einem neuen Wahrzeichen von Athen.

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