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#Auch Deutschland fordert jetzt ein Ölembargo

„Auch Deutschland fordert jetzt ein Ölembargo“

Am Wochenende mussten die Botschafter der EU-Mitgliedstaaten in den Beichtstuhl. Es ging um das nächste, das sechste Sanktionspaket gegen Russland, das die EU-Kommission am Dienstag auf den Weg bringen will. Vorher nahm sie die Staaten ins Gebet, in kleinen Gruppen, um herauszufinden, wo der Konsens am größten ist und wo die wunden Punkte sind.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Michael Clauß, der Ständige Vertreter Deutschlands bei der EU, war schon am Freitagnachmittag dran. Für ihn war es ein entspanntes Gespräch – denn die Bundesregierung hat vorige Woche nicht nur ihre Haltung zu schweren Waffen für die Ukraine geändert. Clauß hatte sich in den Beratungen der Botschafter am Mittwoch für eine „ambitionierte Ausweitung der Sanktionen“ ausgesprochen, einschließlich eines Ölembargos, wie aus einem internen Protokoll der Sitzung hervorgeht, das der F.A.Z. vorliegt.

Für viele Mitgliedstaaten kam der Vorstoß überraschend. Denn beim Thema Energie hatte Deutschland bisher auf der Bremse gestanden. Als es im fünften Sanktionspaket um den Stopp von Kohleeinfuhren aus Russland ging, setzte Berlin eine Übergangsfrist von vier Monaten durch. Beim Thema Öl hieß es stets, russische Lieferungen seien erst bis Jahresende zu ersetzen. Nun aber könnte es viel schneller gehen, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auch öffentlich erkennen ließ.

Michael Clauß, der ständige Vertreter Deutschlands bei der EU, hier am 3. November 2016 in Hongkong


Michael Clauß, der ständige Vertreter Deutschlands bei der EU, hier am 3. November 2016 in Hongkong
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Bild: picture alliance / dpa

Ein Embargo sei „handhabbar“ geworden, sagte er am vorigen Dienstag nach Gesprächen in Warschau. Deutschland beziehe nur noch 12 Prozent seiner Öllieferungen aus Russland. Zu Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine waren das noch 35 Prozent. Der verbliebene Rest entfällt auf die Raffinerie in Schwedt, die mehrheitlich dem russischen Staatskonzern Rosneft gehört. Habecks Plan: Er will die Raffinerie enteignen und danach mit dem Rohöl anderer Lieferanten versorgen, das in Rostock und Danzig angelandet wird. Wenn das neue Energiesicherheitsgesetz rechtzeitig in Kraft tritt, wäre das ab Anfang Juni möglich.

Dreht Putin den Spieß um?

EU-Botschafter Clauß machte sich im Kreis seiner Kollegen für ein Ölembargo stark, das mit „hinreichenden Übergangsfristen“ versehen sei – und ließ erkennen, dass es für Deutschland da nur noch um Wochen gehe, nicht mehr um Monate. Unterstützt wurde das durch die Niederlande, Schweden, Finnland und Irland, neben Polen und den baltischen Staaten, die seit langem für ein sofortiges Öl- und Gasembargo eintreten. Skeptisch zeigten sich dagegen Staaten wie Italien, Österreich, Griechenland und die Slowakei. Ungarn äußerte sich ablehnend. Diese Länder hängen noch deutlich mehr von russischen Energielieferungen ab und fürchten Preissteigerungen.

Björn Seibert, der Kabinettschef von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, warb in der Sitzung für „klug ausgestaltete Sanktionen, die negative Auswirkungen auf globale Märkte vermeiden müssten“. Er ließ, wie es im Protokoll heißt, „Sympathie für Preishöchstgrenzen erkennen, sofern diese weltweit anwendbar sind“. Russland müsste dann Abschläge auf den derzeitigen Weltmarktpreis hinnehmen.

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Dieses Modell befürwortet auch die amerikanische Regierung; die Notenbankchefin Janet Yellen warb zuletzt ausdrücklich dafür. Der Vorteil: Die weltweit gestiegene Inflation würde gedämpft, für die Verbraucher würde Energie wieder günstiger werden. Der Nachteil: Wladimir Putin müsste dem Plan erstmal zustimmen. Nicht wenige befürchten, dass er stattdessen den Spieß umdreht und Gaslieferungen einstellt. Ähnliche Sorgen verbinden sich mit Forderungen nach Strafzöllen auf russische Energielieferungen.

Auch deshalb setzen sich Deutschland und andere dafür ein, rasch die Abhängigkeit beim Öl zu reduzieren und dann keine neuen Verträge mit Moskau mehr zu schließen. Der niederländische Vertreter begrüßte dies als „vorsichtige Herangehensweise“, zumal man unterschiedliche Derivate und Varianten von Öl berücksichtigen müsse. Schnell könnte auch in Schwedt nur Öl raffiniert werden, dessen Zusammensetzung dem russischen Rohprodukt ähnlich ist. Ziemlich sicher ist, dass die besonders abhängigen Staaten auf langen Übergangsfristen bestehen werden, wenn sich die Kommission für dieses Modell entscheidet. Embargo hieße dann: Ausstieg in mehreren Zwischenschritten.

Verbot von Transaktionen mit der Sberbank

Gerungen wird noch darum, ob auch die zivile nukleare Zusammenarbeit mit Russland beendet werden soll. Während sich Deutschland und Österreich dafür einsetzten, ist Ungarn dagegen. Ministerpräsident Viktor Orbán hatte 2014 mit Putin einen Vertrag über den Bau zweier Reaktoren in Paks geschlossen und bezieht schon jetzt Brennstäbe aus Russland. Achtzig Prozent der Energieversorgung seien gefährdet, sagte der ungarische Botschafter, wenn auch dies verboten werde. Auch die französische Atomindustrie arbeitet eng mit dem Staatskonzern Rosatom zusammen, der eine Niederlassung in Paris unterhält.

Anlagen auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH Schwedt am 28. April


Anlagen auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH Schwedt am 28. April
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Bild: dpa

Das neue Sanktionspaket soll am Mittwoch von den Botschaftern beraten und dann bis Ende der Woche beschlossen werden – nach dem Muster vorheriger Runden. Fest steht, dass darin jegliche Transaktionen mit der Sberbank verboten werden. Die größte russische Bank mit einem Marktanteil von rund 35 Prozent war bisher von EU-Sanktionen verschont geblieben, nicht aber von amerikanischen Sperren. Man brauche die Bank, um Energielieferungen abzuwickeln, hieß es zur Begründung.

Nun aber hat auch Berlin seine Einschätzung geändert und glaubt, dass dafür die Gasprombank ausreicht. Außerdem soll Rechts- und Consultingdiensten aus der EU die Zusammenarbeit mit russischen Partnern untersagt werden. Und natürlich werden wieder weitere Unterstützer des Krieges, darunter Oligarchen und deren Angehörige, mit Einreise- und Vermögenssperren belegt.

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