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#Auch wir kämpfen jetzt

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„Auch wir kämpfen jetzt“

Als die kanadisch-ukrainische Dirigentin Keri-Lynn Wilson, 55, in New York die Kriegsbilder aus der Ukraine sah, versetzte ihr das zunächst einen Schock. Dann hatte sie eine „Phantasie“: ein Orchester aus flüchtenden, vertriebenen Musikerinnen und Musikern. Das Ukrainian Freedom Orchestra, kurz UFO, war in der Musikwelt gelandet. Im Juli und August tourt es durch Europa, unter anderem auch durch Deutschland (am 1. 8. in München, am 4. 8. in Berlin und am 13. 8. in Hamburg).

Mrs. Wilson, wie schafft man es, ein völlig neues Orchester zum Klingen zu bringen?

Die erste Probe war rau. Die Musikerinnen und Musiker, die nie zuvor zusammengespielt haben, mussten sich erst orientieren. Schon nach wenigen Tagen war klar, das wird phantastisch. Die Probenzeit in Warschau war sehr intensiv, zehn Tage, sechs Stunden täglich. Eine Atmosphäre wie in einem Bootcamp (lacht). Wir haben mit den einzelnen Sektionen getrennt geprobt, mal nur Streicher, mal nur Blech- oder Holzbläser. Existierende Profiorchester machen das nicht so intensiv. Dieses Orchester hat eine Entschlossenheit und Willensstärke, eine physische Stärke, wie ich das so vorher noch nicht erlebt habe.

Sie selbst haben ukrainische Wurzeln, Ihre Urgroßeltern sind um 1900 aus Czernowitz nach Winnipeg in Kanada ausgewandert. Wie sehr verbindet die gemeinsame Herkunft künstlerisch in Zeiten des Krieges?

Es kommt immer wieder vor, dass die Chemie zwischen einem Gastdirigenten und einem Orchester nicht stimmig ist. Das ist hier völlig anders. Am Abend vor der ersten Probe gab es ein Get-Together mit den Musikerinnen und Musikern. Ich habe eine kurze Ansprache gehalten, gesagt, wie stolz ich bin, dass wir uns hier versammelt haben, dass auch wir ein Symbol für die Wehrhaftigkeit des ganzen Landes sind. Mit dem Orchester können wir zeigen, dass Putin nicht recht hat, wenn er sagt, so etwas wie eine ukrainische Kultur gebe es nicht. Unser kulturelles Erbe ist viel zu groß und zu vielfältig, als dass es zum Schweigen gebracht werden könnte.

Wie sehr ist Ihre Familie direkt vom Krieg betroffen?

Mein Urgroßvater hatte neun Schwestern, ich habe also viele Cousins und Cousinen, die noch in der Ukraine leben. Zwei von ihnen sind direkt in die Kampfhandlungen verwickelt. Mein Cousin Andrei kämpft im Donbass. Er ist Journalist und Maler, aber seit 2014 in der Armee, er konnte es nicht ertragen, dass seine Heimat einfach attackiert wird. Cousine Nadja hat sich freiwillig für den Nachschub gemeldet. Eigentlich ist sie Lehrerin, jetzt arbeitet sie in einem Lagerhaus, näht Kampfanzüge für die Truppen und transportiert Ausrüstung in großen Lastwagen an die Front. Nadja fragte mich, ob ich sie unterstützen könne, ich versorge sie also mit Dingen, die sie selbst nicht haben. Aus New York habe ich drei Lieferungen organisiert mit camouflagefarbenen Handschuhen und Stiefeln und Nachtsichtgeräten, die ich über einen Kontakt besorgen konnte. Nadja und Andrei sind meine Helden dieses Krieges.

Ein klangvolles Zeiches gegen den Krieg: Das neu gegründete Ukrainian Freedom Orchestra


Ein klangvolles Zeiches gegen den Krieg: Das neu gegründete Ukrainian Freedom Orchestra
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Bild: KINGA KARPATI & DANIEL ZAREWICZ

Was halten die beiden von Ihrem Friedensorchester angesichts des täglichen Leids, der täglichen Gefahr, der sie ausgesetzt sind? Naiv oder wichtig?

Je länger es dauert, desto demoralisierender ist es für die Soldaten an der Front. Andrei sagte zu mir kürzlich, eure Waffen sind eure Instrumente, kämpft für uns, wir brauchen das für unsere Moral. Das hat mich sehr berührt. Dieses Orchester repräsentiert die Vielfalt der ukrainischen Kultur, wir sind der Beweis: Sie existiert! Dafür muss man nicht Ukrainisch sprechen können, denn unser Leiden und unser Sehnen werden durch die Musik für jeden spürbar. Wenn wir auf Tour das Publikum wachrütteln können, dann zeigt das unsere Macht. Wir erinnern die Welt daran, uns nicht zu vergessen, auch wenn der Krieg noch lange dauert.

Als der Krieg ausbrach, sagten Sie, fühlten Sie sich schuldig. Inwiefern?

Weil ich die Freiheit habe, in einem sicheren, demokratischen Land zu leben. Ich kann Musik machen, ich kann zur Arbeit gehen. Nadja und Andrei müssen sich in Kellern verstecken, um ihr Leben fürchten, ihre Stimmen für Freiheit und Demokratie wurden zum Schweigen gebracht. Dieser Kontrast ist schrecklich. Nur die ukrainische Nationalhymne zu spielen reichte mir nicht, ich musste handeln. Das Orchester ist die Antwort auf meine Schuldgefühle.

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