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Aus Furcht um sein Leben

Die Frühlingssonne strahlt über Besserungskolonie Nummer 2 am Rande von Pokrow, einer Kleinstadt hundert Kilometer östlich von Moskau entfernt. Hinter Stacheldraht und Blechzäunen sieht man graue Gebäude, auch die goldene Kuppel einer Kapelle. Dahinter müssen Werkstätten sein, eine Tischlerei und eine Näherei, in denen der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalnyj, der als Neuankömmling unter besonderer Beobachtung steht, aber noch nicht arbeitet.

Friedrich Schmidt

Das letzte Stück des Weges zu Russlands bekanntestem Häftling ist holperig, tiefe Löcher sind mit Schmelzwasser gefüllt. Ein Schlagbaum versperrt den Weg in die Strafkolonie. Davor warten an diesem Morgen Nawalnyjs Anwälte, Olga Michajlowa und Wadim Kobsew, in einem Geländewagen, tippen in ihre Smartphones. Schon am Mittwoch haben sie hier lange gewartet, um zu Nawalnyj vorgelassen zu werden, ohne Erfolg.

Enorme Wartezeiten sind für Anwälte in dieser für strengste Kontrollen berüchtigten Strafkolonie üblich. Nach Nawalnyjs Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft in einem nach Angaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte willkürlichen Verfahren und seiner Verlegung aus einem Moskauer Untersuchungsgefängnis ins Gebiet Wladimir mussten Michajlowa und Kobsew ihren Mandanten in den dortigen Untersuchungsgefängnissen sogar erst suchen; sie fanden ihn in einer Anstalt einige dutzend Kilometer von Pokrow entfernt.

Mitte März kam Nawalnyj in die Besserungskolonie Nummer 2 der Stadt. In Instagram-Posts, die Nawalnyj den Anwälten diktierte, suchte er das Bild eines ungebrochenen, heiteren Mannes zu vermitteln. Gewalt habe er noch keine gesehen, hieß es unter einem älteren Foto Nawalnyjs mit geschorenem Kopf. Aber wegen der angespannten Haltung der Häftlinge glaube er leicht an die vielen Geschichten über die Kolonie, in der noch vor kurzem „Leute mit Holzhämmern halb zu Tode geschlagen wurden“.

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Weil Nawalnyj – der im Januar freiwillig nach Russland zurückkehrte – als „fluchtgefährdet“ eingestuft wurde, wird er nach seinen Worten nachts jede Stunde gefilmt. Frühere Häftlinge schilderten Journalisten unsinnige Routinen, berichten von Zählappellen, Aufzählritualen und Druck.

Zustand „stabil“ – also nicht gut

Vorige Woche sollte Nawalnyj per Videoschalte an einem Gerichtstermin teilnehmen: Es ging um seine Beschwerde gegen die Weigerung, ein Strafverfahren gegen die Offiziere des Inlandsgeheimdienstes FSB einzuleiten, die nach Recherchen etlicher Medien und Nawalnyjs selbst an dem Giftanschlag auf ihn teilnahmen. Aber der Häftling wurde nicht zugeschaltet, der Richter behauptete, auf eigenen Wunsch. Noch zu Beginn dieser Woche berichtete Nawalnyj in einem neuen Post von Ritualen wie der Nationalhymne um kurz nach sechs Uhr morgens. Hinweise auf seinen Gesundheitszustand fehlten: Der Politiker will nicht schwach wirken, das ist in Russland besonders schädlich.

Aber nach Stunden vergeblichen Ausharrens waren Nawalnyjs Anwälte am Mittwochabend so beunruhigt, dass sie sich an die Presse wandten. Nawalnyj habe starke Rückenschmerzen und lahme auf einem Bein, teilte Michajlowa mit. Er habe nur zwei Schmerztabletten bekommen, „besser ging es ihm damit natürlich nicht“.

Am Donnerstagmorgen teilte die Strafvollzugsbehörde mit, Nawalnyjs Gesundheitszustand sei „stabil, zufriedenstellend“. Also nicht gut. Daraufhin forderten mehr als 150 Journalisten, Anwälte, Kulturschaffende und Aktivisten mit einem offenen Brief „normale, nicht gesundheitsgefährdende“ Haftbedingungen für Nawalnyj und den rechtmäßigen Zugang für die Anwälte.

In den sozialen Medien erinnerten seine Mitstreiter an den Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok. „Kennt ihr viele Leute, die das überlebt haben?“, schrieb Nawalnyjs Sprecherin Kira Jarmysch, die selbst unter Hausarrest steht. Jarmysch, die im August dabei war, fühlte sich an die Geschehnisse nach der Notlandung von Nawalnyjs Flugzeug in Omsk erinnert, als über seinen Zustand Abwiegelndes und Irreführendes verbreitet worden war. Damals half nur größter Druck, um ihn auszufliegen.

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