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#Ausbruch aus der Tabuzone

Ausbruch aus der Tabuzone

Bevor Corona den Campus blockierte, waren die Universitäten die Bühne für ein seltsames Spektakel. Auf immer mehr Podien wurde darüber diskutiert, ob es den Gegenstand der damaligen Debatte, eine Verengung der Redefreiheit, überhaupt gebe. Währenddessen summierten sich – vom Politikwissenschaftler Herfried Münkler bis zum Kabarettisten Dieter Nuhr – die Fälle, bei denen Redner angefeindet, ausgeladen oder niedergeschrien wurden von einer selbst ermächtigten Truppe aus Diskurswächtern, die schon vor der Debatte bestimmen wollten, was an einer Hochschule geäußert werden dürfe und was nicht. Zur Untermauerung ihres Herrschaftsanspruchs ließen sie, wie an der Universität Frankfurt, schon einmal die Fäuste fliegen.

Thomas Thiel

Diese Form der Auseinandersetzung ist ungewöhnlich für ein Milieu, das offenem Streit eher aus dem Weg geht, was darauf schließen lässt, dass die öffentlich ausgetragenen Schaukämpfe nur die Spitze des Eisbergs sichtbar machten. Den Angegriffenen blieb die Erfahrung, dass sie auf die Solidarität ihrer Kollegen und Hochschulleitungen mit wenigen Ausnahmen nicht zählen durften. Man ließ sie im Regen stehen.

Keine politischen oder weltanschaulichen Ziele

Das gestern gegründete Netzwerk Wissenschaftsfreiheit will diesen Zustand beenden. Es bietet Opfern der Cancel Culture seine Unterstützung an und will unzulässig ausgegrenzte Sichtweisen in eigenen Veranstaltungen wieder ein Forum verschaffen, solange sie sich im Rahmen von Gesetz und Verfassung bewegen. Wie die Initiatorin und Sprecherin, die Migrationsforscherin Sandra Kostner, auf der Pressekonferenz sagte, beansprucht man keine Deutungshoheit über bestimmte Themen, sondern will auf eine Debattenkultur hinwirken, in der sich Redner keine Sorgen mehr darüber machen müssen, für bestimmte Standpunkte persönlich diskreditiert zu werden. Mehr als siebzig Wissenschaftler haben sich dem Netzwerk bislang angeschlossen, die meisten von ihnen Professoren, viele Juristen, Philosophen, Historiker, aber auch Mathematiker, Biologen und Physiker. Den Vorstand bilden die Philosophin Maria-Sibylla Lotter, der Historiker Andreas Rödder, der Jurist Martin Nettesheim und die Soziologin Ulrike Ackermann. Rund die Hälfte der Mitglieder war selbst von Ausschlussforderungen betroffen.

Das Gründungsmanifest lässt keine politischen oder weltanschaulichen Ziele erkennen. Gemeinsame Basis ist die geteilte Beobachtung, dass der Konformitätsdruck in der Wissenschaft größer geworden sei und besonders bei gesellschaftlich strittigen Themen wie Geschlecht, Religion, Migration bestimmte Positionen unter weltanschaulichen oder moralischen Druck geraten seien, weshalb sie vermehrt in vorauseilendem Gehorsam ausgeschlossen würden.

Subtile Methoden der Ausgrenzung

Der Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel sprach von der „latenten Drohung einer informellen Sanktion“. Wer, wie er selbst, islamkritische oder zuwanderungskritische Positionen äußere, werde ohne weitere Begründung als Rassist abgekanzelt. „Das ist eine emotionale Drohung von hohem Gewicht. Man wird gecancelt als moralische Person. Davor darf man Angst haben“, so Merkel. Man kann diesen Druck auch unabhängig vom Thema an der aus dem postmodernen Denken herrührenden Forderung festmachen, über gewisse Themen dürften nur die Vertreter bestimmter Gruppen reden und der Wert einer Aussage mache sich an der Herkunft des Sprechers, nicht an der Plausibilität der Argumente fest. Wissenschaft mutiert darüber zum Streit von Befindlichkeiten in identitär verfassten Debattenräumen, mithin zur Farce.

Der Historiker Andreas Rödder wies auf die subtilen Methoden der Ausgrenzung hin. Sie kann darin bestehen, dass Publikationen oder Drittmittel verweigert werden für die Forschung zu Themen, die nicht in den moralischen Korridor einer verstärkt politisierten Gesellschaftswissenschaft passen. Es gibt aber auch manifeste Formen, wie die politische Resolution des Deutschen Historikerverbands auf dem Historikertag in Münster, wofür er, woran der Historiker Uwe Walter erinnerte, kein Mandat hatte. Sie sind das Produkt einer kurzfristigen Projektforschung, in der Wissenschaftler permanent um die Gunst von Geldgebern aus der Politik werben müssen.

Sandra Kostner benannte das Problem der schweigenden Masse. Wer die Tabuisierung bestimmter Standpunkte öffentlich benenne, bekomme ungeheuer viel Zustimmung. Gelobt werde der Mut, oft folge der gut gemeinte Hinweis, man möge seine Karriere nicht vergessen, am Ende die Bitte, den Zuspruch vertraulich zu behandeln. Man wisse ja, warum. Nun stehen mehr als siebzig Wissenschaftler für die Freiheit ihres Berufs mit ihrem eigenen Namen ein.

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