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#Ausstellung „Why creative?“ in München

Bevor das Literaturhaus München in die Sommerpause geht, bietet es eine Ausstellung mit hohem Promifaktor, also genau das, was zum Image der Stadt passt. Der 1956 geborene Gestalter und Filmemacher Hermann Vaske hat im Verlauf von dreieinhalb Jahrzehnten rund um den Globus Antworten von Künstlern aller Sparten auf die Frage „Why are you creative?“ eingesammelt. Mehr als dreihundert dieser meist knappen Statements sind in der Schau zu sehen, sie ist die erste Ko­operation des Literaturhauses mit dem Münchner Filmfest. Mit Literatur im engeren Sinn hat sie nur bedingt zu tun.

Wer als Ausgangspunkt seiner Recherche eine solche Babyfrage stellt, bekommt natürlich als Antwort gerne „weil“ – ge­legentliche Abstecher in tiefere Gewässer inklusive. Die Antworten wurden überwiegend schriftlich gegeben, auf Zetteln von Hotel-Blöcken, Visitenkarten, Notizbüchern, Briefpapier, Papiertaschentüchern, Kuverts. Drei Filme ergänzen die gerahmten Antworten. Gefragt, wie er denn auf die Idee gekommen sei und wie er so lange Zeit an dem Projekt festgehalten habe, sagte Vaske bei der Vorstellung in der ihm eigenen Mischung aus Mutter- und Weltspache: „Chuzpe und resistancy.“

Verbeugt sich mit einer Anspielung vor einem großen Kollegen: der amerikanische Autor T.C. Boyle


Verbeugt sich mit einer Anspielung vor einem großen Kollegen: der amerikanische Autor T.C. Boyle
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Bild: Sammlung Hermann Vaske

Er sieht global eine „creative community“ am Werk, der er sich mit drei Filmen auf die Fersen geheftet hat. „Why Are We Creative?“ wurde 2018 bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt, 2021 folgte „Why Are We Not Creative?“ beim Filmfest München, das soeben auch den dritten Streich, „Can Creativity Save the World?“, uraufgeführt hat. Zur Vermarktungskette gehört der Band „The Dialectic of Creativity“. Wird die Menschheit kreativ genug sein, um der Klimakrise zu begegnen? Vaske betont den therapeutischen Nutzen, sich mit der Frage aus­einanderzusetzen, „wenn man mal stuck ist oder ’ne Blockade hat.“

An den Längsseiten des Ausstellungsraums hängen die gleichformatig gerahmten Antworten, je vier übereinander, an der Stirnseite in Petersburger Hängung, die so weit nach oben reicht, dass man nicht mehr alles entziffern kann. Beeindruckend, wer sich alles zu einer Antwort bequemt hat, beeindruckend auch die Bandbreite zwischen Ratlosigkeit, Überzeugung, Überheblichkeit und Witz: Manche antworten mit Weißraum wie Charles Saatchi, andere weisen die Frage zurück, wie der Oscar-Preisträger Christoph Waltz, der befindet „crea­tion happened already“.

Kaum zu glauben: Der große Billy Wilder war sich seiner selbst nicht sicher.


Kaum zu glauben: Der große Billy Wilder war sich seiner selbst nicht sicher.
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Bild: Sammlung Hermann Vaske

Peter Scholl-Latour ist sich wie Billy Wilder nicht sicher: „Am I really creative?“ Für den Literaturnobelpreisträger Günter Grass dagegen ist die Sache klar: „Weil ich muß!“ Am ausführlichsten hat Jonathan Meese geantwortet, der neun Seiten „Reflections“ beisteuert. Niki Lauda schiebt seine Kreativität aufs Blut, Regisseur Tony Kaye signiert sogar mit Blutstropfen. Recht beliebt ist die Einlassung, man könne eben nicht anders, so bei Salman Rushdie („Because I seem to have no choice in the matter“) und Nick Cave. Gegenteilig empfindet Tomi Ungerer („Because I don’t have to“). Im Vollbewusstsein seiner Bedeutung John Cleese („Because I know how to PLAY with ideas“). Donna Leon müht sich um Trennschärfe („I’m not creative, just imaginative“). Als angeboren empfindet Ephraim Kishon die Kreativität, ebenso Pedro Almodóvar („I suppose that I was born with that necessity“).

Kurz und bündig fiel die Antwort der Schauspielerin Tilda Swinton aus.


Kurz und bündig fiel die Antwort der Schauspielerin Tilda Swinton aus.
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Bild: Sammlung Hermann Vaske

Der Journalist Giovanni di Lorenzo ist blank („Mir fällt keine Antwort ein!“), auch Charlotte Rampling passt („My mind is blank“). Laurie Anderson findet die Alternative, es nicht zu sein, „way too boring“, Damien Hirst zeichnet einen ejakulierenden Penis und eine Vulva als Erklärung. Dadaistisch der Spaß-Punker Ian Dury („Yes Ian x say, be cause your own“), aus der gleichen Epoche grüßt Ronnie Biggs, der berühmte Posträuber und Gastsänger der Sex Pistols, der als Antwort eine Dampflok mit der Aufschrift „Royal Mail“ zeichnet.

Erinnert an das legendäre „Titanic“-Cover von 1989: Der Graphiker Klaus Staeck interpretiert die Banane neu.


Erinnert an das legendäre „Titanic“-Cover von 1989: Der Graphiker Klaus Staeck interpretiert die Banane neu.
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Bild: Sammlung Hermann Vaske

Schließlich die Liebe als Urgrund bei Hannelore Elsner („Weil ich lebendig bin / weil ich einen wunderbaren Sohn habe / weil ich mich mag“). Christian Kracht sieht auch die Liebe am Werk („Because I am in love“). Bei Julian Schnabel war es die Mutter, ebenso bei T. C. Boyle, allerdings in einem anderen Phänotypen („Because my mother was a fish“). Er spielt damit auf Kapitel 19 von William Faulkners Roman „As I Lay Daying“ von 1930 an, das nur aus einem einzigen Satz besteht: „My mother was a fish.“ Stephen Frears rät, den behandelnden Analytiker zu fragen, und im Falle Heinos ist es „meine Frau Hannelore“.

Kreative Vorbilder gibt es auch, für Dennis Hopper steht alles, was man zum Thema sagen kann, in Rainer Maria Rilkes „Brief an einen jungen Dichter“. Ausweichversuche kommen selten, der Filmregisseur Ridley Scott will sich eher nicht in die Karten schauen lassen, wenn er Kreativität immer noch besser als Fensterputzen findet. Der unlängst verstorbene Schauspieler Peter Simonischek gibt sich demütig („Not macht erfinderisch“), während der Maler Neo Rauch hinreißend salomonisch schreibt: „Aus Sicherheitsgründen.“

Why Are You Creative? By Hermann Vaske. Im Literaturhaus München; bis zum 30. Juli. Kein Katalog.

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