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#Babiš kritisiert Verfassungsrichter

Babiš kritisiert Verfassungsrichter

Eine Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts zur faireren Mandatsverteilung acht Monate vor der Parlamentswahl gibt der Opposition Auftrieb. Der Verfassungsgerichtshof verwarf am Mittwoch Teile des geltenden Wahlrechts, weil sie gegen den Grundsatz der Gleichheit verstießen. Auch müssen erschwerende Hürden für Wahlbündnisse beseitigt werden. Ausdrücklich verlangen die Verfassungsrichter, dass die Regeln noch vor den Wahlen angepasst werden, die für den 8./9. Oktober angesetzt worden sind. Eine Beschwerde gegen die frühe Festsetzung des Wahltermins, durch die sich die Opposition benachteiligt sieht, wurde hingegen vorerst aus formalen Gründen abgewiesen.

Stephan Löwenstein

Der tschechische Regierungschef Andrej Babiš kritisierte ungewöhnlich scharf das Verfassungsgericht und seinem Vorsitzenden Pavel Rychetsky. Babiš warf den Richtern vor, „skrupellos“ die politische Lage im Lande beeinflussen zu wollen, indem sie die „Spielregeln nur acht Monate vor den Parlamentswahlen geändert“ hätten. „Das ist wieder einmal ein Versuch, Babiš aus der Politik zu entfernen,“ sagte der Regierungschef über sich selbst in dritter Person. 

Insbesondere der Vorsitzende Richter Rychetsky sei ein „voreingenommener“ Richter, behauptete Babiš und deutete an, dass er bei den Präsidentschaftswahlen 2023 Kandidat der oppositionellen Bürgermeisterpartei (Stan) werden könnte. Die Entscheidung werde die Tschechische Republik ins Chaos stürzen, sagte Babiš voraus. Die Opposition kritisierte den Regierungschef scharf für seine Richterschelte. Das sei ein „empörender Angriff“, hieß es seitens der konservativen Top09. Babiš sei beleidigt und weine sich nun aus, höhnte die Stan.

Nach der bisherigen Regelung werden die Mandate in 14 Wahlbezirken nach einem Höchstzahlverfahren verteilt. Weil die Bezirke aber unterschiedlich groß sind, kann das insbesondere für Parteien mit einer eher städtischen Wählerschaft große Nachteile haben. So gibt es Berechnungen, dass die Partei der Bürgermeister und Unabhängigen (Stan) bei der vergangenen Wahl durchschnittlich mehr als doppelt so viele Stimmen für ein Mandat benötigten als die Partei Ano von Ministerpräsident Andrej Babiš. Nun müssen die Zahl der Mandate pro Wahlbezirk und der Verteilungsmodus angepasst werden.

Die ANO vor allen anderen

Die Entscheidung des Gerichts, das seinen Sitz in Brünn (Brno) hat, fiel nicht einstimmig; ein Minderheitenvotum befand, auch wenn die geltenden Regeln nicht ideal sein möchten, sei es nicht Sache des Verfassungsgerichts, ihre Änderung festzulegen, sondern der demokratisch gewählten Legislative.

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Die Entscheidung dürfte, wenn sie gesetzlich verwirklicht wird, der Opposition erheblich entgegenkommen, insbesondere denjenigen bürgerlichen, liberalen und linken Parteien, die sich zu Wahlbündnissen zusammengeschlossen haben, um mit Babiš und der voll auf ihn ausgerichteten Ano („Aktion unzufriedener Bürger“) konkurrieren zu können. Bei der letzten Wahl hatte die Ano knapp 30 Prozent der Stimmen erhalten: Weit entfernt von einer eigenen Mehrheit, aber weit mehr als das zersplitterte Feld der übrigen Parteien, von denen keine auf mehr als 12 Prozent kam.

Wegen Vorwürfen des Subventionsbetrugs und der Interessenkonflikte gegen den Unternehmer Babiš fand sich nur eine Minderheitskoalition zusammen: Die Ano mit der sozialdemokratischen CSSD, toleriert durch Kommunisten und im Hintergrund gestützt durch Präsident Zeman.

Opposition beklagt Benachteiligung

Für die kommende Wahl haben sich nun Bündnisse zusammengefunden: Die links-progressiven Piraten mit der bürgerlich-pragmatischen Stan sowie die konservativ-wirtschaftsliberale ODS, die Christdemokraten (KDU-CSL) und die konservative TOP 09. Ihnen könnte zugutekommen, dass das Verfassungsgericht zwar die Fünf-Prozent-Hürde bestätigt hat, aber eine Erhöhung der Hürde für Wahlbündnisse um jeweils fünf Prozentpunkte je beteiligter Partei aber ebenfalls als ungültig verwarf. Eine jüngste Umfrage des Instituts Median sieht die Ano (26,5 Prozent) nur mehr knapp vor dem Piraten-Bürgermeister-Bündnis (25 Prozent) und dem konservativen Bündnis (18 Prozent).

Damit die vom Verfassungsgericht geforderten Änderungen zum geplanten Wahltermin wirksam werden, müssten sie nun allerdings zügig durch beide Kammern des Parlaments gebracht werden. Wegen der Konstellation einer Regierungskoalition ohne eigene Mehrheit und ohne gesteigertes Interesse an den Änderungen ist das kein Selbstläufer. In dem veröffentlichten Entscheidungstext des Verfassungsgerichtshofs heißt es mahnend, wenn die Umsetzung nach die Wahl verlegt würde, würde das die Legitimität des neuen Abgeordnetenhauses untergraben, es drohe Misstrauen gegen die gewählten Repräsentanten und eine nachträgliche Annullierung der Wahl durch Gerichte.

Allerdings könnte sich auch noch die Frage einer Verschiebung der Wahl stellen. Präsident Zeman hatte die Öffentlichkeit, die Opposition und nach dessen Angaben auch Regierungschef Babiš im Dezember mit der Festlegung auf den 8./9. Oktober überrascht. Die Oppositionsparteien empfanden das als unzulässige Bevorzugung der Regierung, die fast ein Jahr lang über ihre amtlichen Kanäle frei kommunizieren könne, während alle Aktionen der Oppositionsparteien bereits auf die Wahlkampfkostengrenze von umgerechnet knapp 3,5 Millionen Euro pro Partei angerechnet werde, die von der Verkündung des Wahltags an gilt. Eine Klage von Senatoren der Stan dagegen wurde vom Verfassungsgerichtshof jedoch zurückgewiesen, weil ihre Parlamentskammer, der Senat, von der Wahl zum Abgeordnetenhaus nicht betroffen sei. Weitere Klagen von Parteien sind aber nicht ausgeschlossen.

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