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#Bambule im Kuhkaff

Bambule im Kuhkaff

Wer über Hip-Hop schreibt, landet schnell bei der Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Moral. Man kann es sich einfach machen und sagen, ästhetischer Ausdruck und Leben seien nicht voneinander zu trennen, die Tugend müsse hier wie dort walten. Wenn also ein Rapper im Privatleben moralisch versagt, wirkt sich das oft negativ auf die Rezeption seines Werks aus. Finden sich im umgekehrten Fall auf einem Hip-Hop-Album heikle Texte – was die Regel, nicht die Ausnahme ist –, lassen Rückschlüsse auf den Verfasser nicht lange auf sich warten.

Als Beispiel für solche Mechanismen mag Afrika Bambaataa dienen, der mit dem Album „Planet Rock“ von 1986 einen festen Platz in der Ahnengalerie des Genres belegt. Im Jahr 2016 wurde er von mehreren Männern beschuldigt, sie als Jugend­liche sexuell missbraucht zu haben. Bambaataa wies die Vorwürfe zurück – und Dustin Breitenwischer verzichtet in seiner „Geschichte des Hip-Hop“ sicherheitshalber auf eine „würdigende Besprechung“ der Platte.

Und es hat „Zoom“ gemacht

Ließe sich nicht, so müssen wir fragen, wenigstens das Titelstück als Gründungsdokument für elektronische Background-Tracks im Rap hervorheben? Und was ist eigentlich mit Tupac Shakur, der wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung angeklagt wurde, und dessen „All Eyez on Me“ (1996) Breitenwischer in höchsten Tönen lobt? Warum wird Dr. Dre – ausweislich seiner Texte und seines Gebarens jemand, der Gewalt gegen Frauen für ein legitimes Interaktionsmittel hält – nicht aus dem Kreis der verhandelten Musiker ausgeschlossen? Mit welchem Recht findet der im April verstorbene Tierquäler und Dauerdelinquent DMX Erwähnung? Sie alle sind Teil der Hip-Hop-Geschichte, sie alle haben relevante Platten auf­genommen. Eine Würdigung ihres Werks gehört natürlich in Breiten­wischers Buch. Das gilt aber auch für Afrika Bambaataa.

Dustin Breitenwischer: „Die Geschichte des Hip-Hop“. 111 Alben.


Dustin Breitenwischer: „Die Geschichte des Hip-Hop“. 111 Alben.
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Bild: Reclam Verlag

Der Autor erzählt die Entwicklung seines Gegenstands am Beispiel von hundertelf Alben, die zwischen 1980 und 2021 erschienen sind. Er kennt sich bestens aus und berücksichtigt nicht nur englischsprachige, sondern auch französische und deutsche Produktionen. Herausragende Platten der vergangenen zehn Jahre – etwa „RTJ4“ von Run the Jewels (2020) oder „Lese Majesty“ von Shabazz Palaces (2014) – hat er genauso im Blick wie randständige Glanzlichter und ewige Klassiker.

Atmosphärisch düster, musikalisch kompromisslos

Lauryn Hill und Missy Elliott, N.W.A., Wu-Tang Clan und A Tribe Called Quest – sie bekommen den Applaus, der ihnen zusteht. Irritierenderweise haben auch Tic Tac Toe einen Auftritt – weil „Pop-Phänomen“ und so. Mit Gusto zitiert Breitenwischer, wie K.I.Z ein „Kuhkaff“ stürmen und einen „Raubzug“ veranstalten wollen, wie Peter Fox seine alten Sachen „in ’nem Sack verrotten“ lässt, wie es bei den Beginnern „Zoom gemacht“ hat.

Das Buch besteht aus zumeist po­sitiven Kritiken, in die Hintergrundinformationen einfließen. Insofern gibt Breitenwischer gute Anspieltipps für Leute, die nach einem handhabbaren Kanon suchen. Eine für unkundige Leser kohärente Ge­schichte entfaltet sich so allerdings nicht. Beispielsweise bleibt der Musikproduzent Suge Knight vollkommen unterbelichtet. Dabei hat er maßgeblich an der Fehde zwischen Rappern der amerikanischen Ost- und Westküste mitgestrickt. Die Entwicklungen im Hip-Hop der neun­ziger Jahre kann nur verstehen, wer mit den Etappen dieser Rivalität, in deren Folge Tupac Shakur und Notorious B.I.G. erschossen wurden, vertraut ist.

Stellt man mehr als hundert Alben hintereinander vor, kann einem die argumentative Puste zwischenzeitlich ausgehen. Was soll es etwa genau heißen, dass der französischen Band IAM mit „L’École du micro d’argent“ (1997) ein „atmosphärisch düsteres, musikalisch kompromissloses und dabei ungemein poetisches Album“ gelungen sei. Solche Urteile brauchen Belege, die der Autor immer wieder schuldig bleibt. Das macht er pas­sagenweise mit seinem ansteckenden Enthusiasmus wieder gut. Denn hier schreibt keiner, der sich erst in sein Thema einarbeiten musste, sondern ein echter Fan.

Dustin Breitenwischer: „Die Geschichte des Hip-Hop“. 111 Alben. Reclam Verlag, Ditzingen 2021. 280 S., br., 8,80 €.

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