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Belgien scheut den Lockdown

Im Land mit der höchsten Infektionsrate in Europa wird das Leben der Bürger weiter eingeschränkt. Allerdings konnten sich die Föderalregierung und die Regionalregierungen am Freitag nach stundenlangen Beratungen nicht auf einen Lockdown mit dauerhaften Ausgangsbeschränkungen einigen. Für Millionen Belgier bedeutet das, dass sie trotz der neuen Maßnahmen in den nun beginnenden Herbstferien verreisen können. Zwar werden Ferienparks und Zoos geschlossen, nicht aber Hotels. Auch Zweitwohnsitze dürfen weiterhin angesteuert werden. Die Grenzen bleiben geöffnet, auch wenn von Reisen ins Ausland „entschieden abgeraten“ wird. Virologen hatten hingegen einen Lockdown wie in Frankreich verlangt; auch die Regierung von Wallonien hatte sich dafür stark gemacht.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Alle „nicht-wesentlichen“ Geschäfte müssen bis zum 13. November schließen. Jede Person in einem Haushalt darf nur mit einer weiteren Person engen Kontakt haben, bis dato waren es drei. Für Personen, die allein leben, sind zwei Kontakte erlaubt. Im öffentlichen Raum dürfen maximal vier Personen zusammen sein. Friseure und andere Berufe mit direktem Körperkontakt müssen ihre Arbeit einstellen. Bei Beerdigungen sind maximal 15 Personen zugelassen. Telearbeit wird verpflichtend, wo sie möglich ist.

Die Schulferien werden um eine Woche bis zum 15. November verlängert. In der Sekundarstufe soll der Unterricht bis zu den Weihnachtsferien zur Hälfte virtuell stattfinden, ausgenommen ist der Abiturjahrgang. Die Maßnahmen gelten von Montag an, sie sollen am 1. Dezember überprüft werden.

„Maßnahmen der letzten Chance“

„Unser Land befindet sich in einem sanitären Notzustand“, sagte Premierminister Alexander De Croo. Alle physischen Kontakte müssten maximal beschränkt werden, um eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern. Es handle sich „um Maßnahmen der letzten Chance“, sagte der flämische Liberale. Es bestehe aber kein Grund zu Hamsterkäufen, die Lebensmittelgeschäfte blieben geöffnet.

Die Gesundheitsbehörden hatten am Freitag mit fast 24.000 neuen Infektionen binnen 24 Stunden einen neuen Rekord verzeichnet. Bei der Inzidenz liegt das Land, in dem 11,5 Millionen Menschen leben, vor allen anderen Staaten in Europa: mit 1600 positiven Fällen auf 100.000 Einwohner in zwei Wochen. Das ist neunmal höher als in Deutschland.  Auch in den Krankenhäusern spitzte sich die Lage weiter zu. Von den 2000 verfügbaren Intensivbetten waren am Mittwoch 1057 belegt. Zum Vergleich: Am Sonntag waren es noch 700.

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Bei diesem Tempo würde das Land um den 10. November herum keine freien Plätze auf Intensivstationen mehr haben. Bis Montag müssen alle Krankenhäuser das Maximum ihrer Kapazitäten für Covid-19-Patienten vorhalten. Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke rief dazu auf, „Zwischenlösungen“ zu finden und Medizinstudenten zu mobilisieren. Man müsse jetzt Flexibilität und Kreativität zeigen. Nicht jeder Beatmungspatient müsse auf der Intensivstation liegen.

Etliche Fachleute hatten die Regierung zu noch härteren Maßnahmen gedrängt. „Es gibt derzeit keinen Hinweis darauf, dass die bisher getroffenen Einschränkungen wirken“, sagte etwa der Virologe Marc Van Ranst. „Wie in den  Nachbarländern ist die Zeit für eine Notbremse gekommen: zu Hause zu bleiben.“ Der Mikrobiologe Emmanuel André bat die Regierung auf Twitter, „den Mut zu haben, nicht mehr Zeit zu verlieren angesichts eines Phänomens, das uns schon überholt hat“. Auch die Krankenhausverbände riefen zu einem strikten Lockdown auf.

Im besonders stark getroffenen Wallonien mussten Patienten schon abgewiesen und in andere Krankenhäuser verlegt werden. Die wallonische Regionalregierung drang deshalb auf drastische Einschnitte des öffentlichen Lebens. Man werde sich dafür einsetzen, „so weit wie möglich bei den Einschränkungen zu gehen“, hatte der Ministerpräsident Elio Di Rupo vor der Sitzung angekündigt. Jedoch wehrte sich das von der flämisch-nationalistischen Partei N-VA regierte Flandern gegen einen abermaligen Lockdown. Das Infektionsgeschehen unterscheidet sich in den Regionen beträchtlich. Während die Inzidenz in Flandern am Freitag bei 1084 lag, betrug sie in der Wallonie 2729; die Hauptstadtregion Brüssel lag bei einem Wert von 2249.

Zuletzt hatten die Regionen mit eigenen Beschränkungen ein kaum noch zu durchschauendes Wirrwarr an Regeln verursacht. So beginnt die Ausgangssperre in Brüssel und Wallonie um 22 Uhr, in Flandern aber erst um 0 Uhr. Dort dürfen auch Fitness-Studios und Museen offen bleiben, anders als im Rest des Landes. Brüssel und mehrere wallonische Städte führten eine allgemeine Mundschutz-Pflicht im öffentlichen Raum ein, in Flandern machten das nur die Gemeinden an der Nordseeküste. Viele Kommentatoren machen das föderale Durcheinander dafür verantwortlich, dass die Regeln nicht hinreichend befolgt werden.

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