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#Langfristige Schäden für Frösche durch das Pestizid Linuron

In der Landwirtschaft wird Linuron verwendet, um Unkraut zu vernichten. Das Herbizid greift aber auch in den Hormonhaushalt von Fröschen ein und beeinträchtigt dadurch zahlreiche Prozesse im Körper der Tiere. Zudem verändert das Pestizid Anhänge am Erbgut der Frösche. Männchen vererben diese epigenetischen Veränderungen sogar an ihre Enkel, wie Forschende herausgefunden haben. Umweltverschmutzungen aus der Landwirtschaft könnten so tiefgreifende Folgen für Generationen von Amphibien haben, die ohnehin bereits vom Aussterben bedroht sind.

Mehr als 40 Prozent aller Amphibienarten weltweit sind derzeit vom Aussterben bedroht, darunter auch viele Frösche. Einer der Hauptgründe für den Rückgang ihrer Bestände sind synthetische Chemikalien wie Pestizide aus der Landwirtschaft, die Gewässer und Böden verschmutzen. Besonders Herbizide wie Linuron, die in den Hormonhaushalt der Tiere eingreifen, beeinträchtigen das Wachstum und den Stoffwechsel der Amphibien. Diese endokrinen Substanzen stören auch die Fortpflanzung der Frösche, wie frühere Studien belegen. Das wirft die Frage auf, ob die Pestizid-Schäden auch vererbbar sind.

Erbgut von Fröschen im Visier

Dieser Frage ist ein Forschungsteam um Mauricio Roza von der Universität Stockholm nachgegangen. Dafür sequenzierten die Biologen die DNA von Tropischen Krallenfröschen (Xenopus tropicalis), deren Großväter in ihrem Lebensraum Linuron ausgesetzt waren. Die untersuchten Nachfahren kamen hingegen nie mit dem Pestizid in Kontakt. Deren DNA-Sequenzen verglichen die Forschenden mit der von „normalen“ Fröschen, die aus unbelasteten Gebieten stammen und daher weder selbst noch in ihrer Ahnenreihe durch Linuron belastet waren. Zudem analysierten Roza und seine Kollegen über das Blut der Tiere verschiedene Stoffwechselparameter.

Die Experimente ergaben, dass die männlichen Nachfahren der exponierten Frösche gravierende Veränderungen aufwiesen. Dies betraf ihren Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel sowie die Spermienreifung. Zudem waren die Tiere größer und schwerer, wie die Biologen berichten. Der DNA-Vergleich zeigte zudem, dass bei den Fröschen tausende Erbgutabschnitte in Gehirn- und Hodenzellen eine veränderte Methylierung aufwiesen. Diese Modifikation ist ein wichtiger Schalter der Epigenetik, um Gene zu regulieren. Unter den Genen mit veränderter Methylierung waren solche, die für den Hormonhaushalt und die Spermienentwicklung wichtig sind. Aber auch Gene für die neuronale Kommunikation an den Synapsen und Gene, die selbst als epigenetische Schalter dienen.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass das Herbizid Linuron umfassend in den Körper der Amphibien eingreift und die Genregulation durcheinanderbringt. Dass selbst die Nachkommen der exponierten Frösche noch körperliche Auffälligkeiten aufwiesen, zeigt zudem, dass die durch Linuron verursachten DNA-Schäden vererbbar sind. „Die Ergebnisse bestätigen unsere Hypothese, dass die Exposition gegenüber Linuron zu transgenerationalen Veränderungen im Epigenom führen kann, die insbesondere Gene betreffen, die mit dem Hormonsystem und der Keimzellentwicklung in Verbindung stehen“, sagt Co-Autorin Cecilia Berg von der Universität Uppsala. Die Umweltverschmutzung mit dem Pestizid kann sich demnach durch Vererbung auf mehrere Generationen auswirken.

Vererbung über die Spermien

Roza und seine Kollegen vermuten, dass die epigenetischen Veränderungen am Erbgut während der Befruchtung über die Spermien an die nachfolgende Generation weitergegeben werden. „Eine wahrscheinliche Erklärung ist, dass das Pestizid die Testosteron- und Schilddrüsenhormonfunktionen im Körper stört und dass diese Effekte durch Spermien und epigenetische Prozesse an nachfolgende Generationen weitergegeben werden“, erklärt Seniorautor Oskar Karlsson von der Universität Stockholm. Dies führe zu erblichen Veränderungen in der Genregulation der Nachkommen.

Laut Karlsson liefert die Studie neue Einblicke, über welche Mechanismen Pestizide ihre Giftwirkung entfalten. Bei der Risikobewertung dieser und ähnlicher Chemikalien müssten daher künftig auch generationenübergreifende Studien berücksichtigt werden, um die Artenvielfalt besser zu schützen. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die komplexen Wechselwirkungen zwischen Umweltchemikalien und dem Aussterben von Arten, insbesondere von Fröschen“, so Karlsson.

Quelle: Mauricio Roza (Universität Stockholm) et al., Science of The Total Environment, doi: 10.1016/j.scitotenv.2024.170949

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