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#„Bleibt standhaft. Ihr seid alles, was wir noch haben“

„Bleibt standhaft. Ihr seid alles, was wir noch haben“

Drei Tage in Kiew, vor und nach Ausbruch des großen Krieges. Abend Nummer eins: Drei Freunde sitzen zusammen. Es sind, grob gesagt, Mittfünfziger. Dmytro, der Unternehmer, Olexander, der Verleger, und der Schriftsteller Andrej Kurkow sitzen in einer Küche beisammen. Wo früher vermutlich ein Samowar stand, steht ein Wasserkocher. Es gibt Tee und Gebäck. Der Unternehmer, der Verpackungsmaterial produziert, kann sich nicht vorstellen, dass die russische Luftwaffe Kiew bombardiert, Kiew, im Mittelalter die „Mutter der russischen Städte“.

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Er schüttelt zunächst den Kopf. Aber dann hält er inne und sagt: „Obwohl… Als die Bolschewiki 1918 Kiew erobern wollten, hat ihr General Michail Murawjow von Westen her in die Stadt reingeschossen, und die Sophienkirche und das Höhlenkloster hat er auch getroffen.“ Kirche und Kloster aus dem Mittelalter sind die bedeutendsten Heiligtümern der Drei-Millionen-Stadt. Dann schlägt Dmytro den Bogen zur Gegenwart: „Wer in der Sowjetarmee gedient hat wie ich, der weiß allerdings, dass Zielgenauigkeit dort, sagen wir es so, keinen großen Stellenwert hatte.“ Dmytro lächelt bitter.

Olexandr, Chef des Verlags „Folio“, der gute Literatur verlegt, schaut immer wieder auf sein Handy, auf die Wechselkurse, auf die Börse. Er referiert, welche Kursverluste die großen russischen Banken erlitten haben. Zehn Prozent! Zwölf Prozent! „Aber der Rubel hat gegenüber dem Dollar gerade drei Kopeken gutgemacht“, sagt er zuversichtlich. „Heute haben wir einen seltenen Grund, uns über einen starken Rubel zu freuen.“ Ein stabilerer Rubel könne bedeuten, dass die Investoren die Kriegsgefahr für be­herrschbar halten.

◆◆◆

Abend Nummer zwei: Dreißigjährige in einem Kellerlokal in der Innenstadt. Es herrscht wenig Betrieb; die meisten Kiewer haben Wichtigeres zu tun, als in Kneipen herumzusitzen. Einer von ihnen ist Jewhen. Sein Job: Er wartet und repariert Mobiltelefone. Jetzt aber rechnet er mit seiner Einberufung. Seine bisherige militärische „Laufbahn“ war kurz: 2008 leistete er seinen Wehrdienst ab. Die Ukraine war lange Zeit ein Land ohne bewaffnete Konflikte, nach innen wie nach außen.

Das änderte sich 2014 schlagartig, als Russland in der Donbass-Region militärisch eingriff. 2015 wurde Jewhen eingezogen. Er wurde Scharfschütze. Zehn Monate Stellungskrieg in der Ostukraine. Und jetzt: die Einberufung zum Krieg. Seine Kameraden von damals haben den Befehl schon bekommen, er selbst wartet von Stunde zu Stunde darauf. Was fühlt er dabei? „Wenn man ehrlich ist: Niemand hat Lust, jetzt ein Jahr seines Lebens zu verlieren. Ein Jahr lang durch die Felder zu hetzen. Ein Jahr lang die Familie, die ich inzwischen gegründet habe, nicht sehen zu können.“

Dann kommt das große Aber: „Wenn ich jetzt gerufen werde und nicht hingehe… Damit würde ich nicht leben können. Mit dem Gefühl, dass ich nicht hingegangen bin, um meinen Staat zu verteidigen. Da geht es um die Prinzipien. Ja, für manche ist das Patriotismus und so weiter. Es gibt so große Patrioten, die brauchen nur ihren Patriotismus und sonst nichts auf der Welt. Aber für normale Männer gibt es so ein Gefühl: Du musst. Die Pflicht. Und die musst du erfüllen. Zu denen gehöre ich wahrscheinlich.“ Seine Frau unterstütze ihn darin, sagt er.

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