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#Brüssel hat Merkels Warnschuss gehört

Brüssel hat Merkels Warnschuss gehört

Es war eine klare Ansage aus Berlin: Wenn „Länder ganz andere Wege gehen sollten“ bei der Eindämmung des Coronavirus und seiner neuen Varianten, „dann muss man auch bis zu dem Äußersten bereit sein und sagen, dann müssen wir auch wieder Grenzkontrollen einführen“. So sprach die Bundeskanzlerin am späten Dienstagabend. Am Mittwochmorgen waren alle maßgeblichen Akteure in Brüssel darüber im Bilde.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Wenn das größte Mitgliedsland der Europäischen Union offen über Grenzkontrollen nachdenkt, kann das niemand ignorieren. Schließlich grenzt Deutschland allein an acht EU-Staaten und die Schweiz. So wurde der Satz der Kanzlerin weithin als Warnung verstanden: Falls die Staats- und Regierungschefs sich bei ihrer Videokonferenz an diesem Donnerstag nicht enger abstimmen, könnte es bald wieder zu Verhältnissen wie im vorigen Frühjahr kommen.

In Brüssel ist das eine Horrorvorstellung. „Wie die Ereignisse im März 2020 gezeigt haben, werden hastige Grenzschließungen und Exportbeschränkungen das Virus nicht aufhalten, sondern stattdessen den Binnenmarkt, unsere Volkswirtschaften und die Ausübung des Rechts auf Bewegungsfreiheit in der EU schwächen“, schreibt die EU-Kommission in einem Papier, das sie am Dienstag vorlegte, um die Debatte der Regierungschefs zu strukturieren.

EU-Papier: Grenzschließungen „nicht gerechtfertigt“

Weiter heißt es, Grenzschließungen oder pauschale Reiseverbote seien „nicht gerechtfertigt, weil gezieltere Maßnahmen ausreichend Wirkung zeigen und weniger Disruption verursachen“. Das zielte nicht gegen Merkel, die sich erst später äußerte. Es war die Begründung dafür, dass die Kommission vor Weihnachten dazwischen gegrätscht war, als Frankreich unvermittelt sämtliche Verkehrsverbindungen aus dem Vereinigten Königreich gesperrt hatte. Das währte dann nicht länger als einen Tag, und bald zeigte sich, dass nicht nur britische, sondern auch Tausende französische Lastwagenfahrer mit ihren Waren festhingen.




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Deshalb wirbt die Kommission in ihrem Papier für „verhältnismäßige“ und „nichtdiskriminierende“ Maßnahmen: eine Testpflicht für Reisende aus Gebieten mit höherer Inzidenz des Virus und seiner Varianten, außerdem eine Quarantänepflicht, die auch durchgesetzt wird. Allerdings besteht sie auf Ausnahmen für Personen, die im Pflege- und Gesundheitswesen arbeiten, Waren transportieren oder in anderen Sektoren tätig sind und als Berufspendler regelmäßig die Grenze queren.

Die Bundeskanzlerin sieht das anders, wie sie nach ihren Beratungen mit den Ministerpräsidenten verdeutlichte. Sie unterschied zwischen zwei Kategorien von Ländern. „Besonders streng“ müsse man bei den Herkunftsgebieten der Virus-Mutanten sein; das betrifft in Europa derzeit das Vereinigte Königreich und Irland. Wegen der Insellage gibt es keine Grenzpendler. Briten dürfen seit dem 1. Januar auch keine touristischen Reisen mehr in die EU unternehmen, sie sind jetzt Drittland auch gemäß der Corona-Reisebeschränkungen. Iren müssen sich vor ihrer Einreise in Deutschland anmelden und einen negativen Test vorweisen, danach sollen sie sich zwei Wochen in Quarantäne begeben.

Merkel dringt auf europäische Lösung

Die zweite Kategorie sind „Hochrisikogebiete“. Merkel nannte die Tschechische Republik als Beispiel, das Land mit der höchsten Inzidenz in Europa (1500 Infektionen auf 100.000 Einwohner in zwei Wochen). „Da muss getestet werden, da können die Menschen nicht einfach zu uns kommen und arbeiten“, sagte die Kanzlerin. Bei Pflegekräften ist das schon heute so, sie werden in ihren Einrichtungen getestet.

Für alle anderen muss eine Regelung gefunden werden, und Merkel will das nicht nur national festlegen. Sie dringt auf eine europäische Lösung. Dazu gehört auch die Ausweisung von Hochrisikogebieten. Nach der Definition, auf die sich die Staaten im vorigen Herbst geeinigt haben, ist derzeit fast ganz Europa eine rote Zone, weil die Inzidenz jenseits von 150 liegt.

In Deutschland gelten Ausgangsbeschränkungen, wenn der Wert in einer Woche 200 überschreitet. Daran gemessen, würde derzeit die Hälfte der EU-Staaten in diese Gruppe fallen, unter ihnen neben den Tschechen die Niederländer und Dänen als deutsche Nachbarn. Mehrere Staaten setzen sich für eine verbindliche Definition ein. Ob es dafür eine Mehrheit gebe, sei aber zweifelhaft, sagt ein hoher EU-Beamter.

In Deutschland werden zu wenig Abstriche untersucht

Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollen die Debatte im Rat auf ein anderes Thema fokussieren, bei dem auch Deutschland nicht gut aussieht: Die Staaten sollen ihre Kapazitäten ausbauen, um die hochansteckenden Virus-Varianten überhaupt erkennen zu können. Bisher sind dazu nur Dänemark und das Vereinigte Königreich in der Lage, die einsamen Spitzenreiter in Europa bei der genetischen Entschlüsselung von Abstrichen. Dann folgen Norwegen, Finnland, Irland und die Niederlande.

Deutschland und Frankreich gehören zu den Staaten, die am Ende der Liste stehen – weshalb dort bisher kaum Mutanten nachgewiesen wurden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erließ am Montag eine Verordnung, um die Quote zu erhöhen.

Nur wenn Staaten herausfinden, wo es Ausbrüche mit den hochansteckenden Varianten gibt, haben sie eine Chance, die Ausbreitung zu aufzuhalten. In Belgien und den Niederlanden sind deswegen schon mehrere Gemeinden in einen umfassenden Lockdown versetzt worden. Die Gesundheitsbehörden nehmen dann zusätzlich Massentests vor. Die niederländische Gesundheitsbehörde schätzt, dass inzwischen zehn Prozent der Neuinfektionen auf die britische Variante zurückgehen. Bis Mitte Februar könne es schon die Hälfte sein, wenn die Eindämmung nicht gelinge. Deshalb schlug die Regierung am Mittwoch eine allgemeine Ausgangssperre zwischen 20.30 und 4.30 Uhr vor – das hatte, wie in Deutschland, lange als unvorstellbar gegolten.

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