Nachrichten

#Chinas fragiler KI-Goldrausch

Verglichen mit dem Wirbel, den der Fragen beantwortende Roboter ChatGPT Ende vergangenen Jahres gemacht hatte, war es nicht der ganz große Wurf, den Alibaba am Dienstag vorstellte. „Tongyi Qianwen“ heißt die neue Künstliche Intelligenz des chinesischen Internetgiganten. Übersetzt heißt das in etwa „Die Wahrheit aus eintausend Fragen“. Das hört sich nach mehr an, als es ist: Der neue Chatroboter aus China, der dem kalifornischen Vorbild ChatGPT Konkurrenz machen soll, stellt sich bisher vor allem als eine beflissene Bürohilfe dar.

Das Programm, das in alle Alibaba-Produkte integriert werden soll, hilft etwa bei der Bürokommunikationssoftware Ding Talk mit dem Schreiben von Briefen, der automatischen Mitschrift von Unterhaltungen, der Planung von Geschäftsreisen, dem Notizenmachen während langwieriger Konferenzen und dem Erstellen von geschäftlichen Angeboten.

Weil dies alles jedoch recht nützliche Dinge sind, die Alibaba den Kunden seiner Cloud-Dienste ab sofort zur Verfügung stellen will, reagierte die Börse am Dienstag wohlwollend auf den neuesten ChatGPT-Konkurrenten aus dem Reich der Mitte. Bis zum Handelsschluss stieg der Kurs der in den vergangenen zweieinhalb Jahren arg gebeutelten Alibaba-Aktie an der Hongkonger Börse um 1,6 Prozent.

Die Künstliche Intelligenz werde alles verändern, hatte Alibaba-Chef Daniel Zhang – „die Art wie wir produzieren, arbeiten und unser Leben leben“. Mit letzterem war der Umstand gemeint, dass Alibabas Chatsoftware auch in die intelligenten Lautsprecher integriert werden soll, die Endkunden in ihren Wohnzimmern stehen haben und damit ähnlich wie bei Amazons „Alexa“ bisher Waren von den diversen Internetkaufhäusern des chinesischen Konzerns bestellen konnten. Nun soll die Künstliche Intelligenz auch gesunde Kochrezepte aufsagen können, Reisetipps geben und Kindern eine Gutenachtgeschichte vorlesen.

Das Misstrauen der politischen Führung

Auch die Künstliche Intelligenz von Sensetime kann Kindern Geschichten erzählen, wie das Hongkonger Unternehmen am Montag kurz vor Alibabas KI-Enthüllung in einer aufwendigen Präsentation seines eigenen ChatGPT-Konkurrenten vorgestellt hatte. Wie bei dem Vorbild des von Microsoft finanzierten OpenAI können die Nutzer mit dem Chat­roboter sprechen und ihn mit der Programmierung von Software beauftragen – oder der Erstellung komplizierter 3D-Modelle, oder wiederum der Umwandlung von Bildern in Videos.

Der Kurs der Aktie von Sensetime sank am Dienstag bis zum Handelsschluss um fast ein Prozent, nachdem er zuvor angesichts des neuen Chatroboters „SenseChat“ zeitweise um 11 Prozent gestiegen war. Das hat mit der Tatsache zu tun, dass Chinas Regierung dem Hype Einhalt gebieten will, den ChatGPT vor vier Monaten im Reich der Mitte ausgelöst hat.





Öffnen



F.A.Z.-Serie Schneller schlau
:


Eine Million Nutzer in einer Woche – das rasante Wachstum von ChatGPT
Bild: Johannes Thielen, Jens Giesel, Stable Diffusion

Auch der Kurs von Baidu fiel am Dienstag stark, das vor Wochen ebenfalls einen eigenen Chatroboter vorgestellt hatte. Und Alibabas Kurs wäre sicher stärker gestiegen, hätte Pekings Internetaufsicht nicht ausgerechnet am gleichen Tag verkündet, die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz hart regulieren zu wollen: Bevor diese auf die Kunden losgelassen werden dürfe, müssten sich die Produkte zunächst einer staatlichen „Sicherheitsüberprüfung“ unterziehen. Zwar unterstütze der Staat Innovationen seiner Tech-Industrie. Doch deren Chatroboter müssten „sozialistische Werte“ verinnerlichen. Die neuen Regeln sollen später im Jahr in Kraft treten.

Wie misstrauisch die Führung der Entwicklung von KI gegenüber steht, war schon aus einem Leitartikel der vom Staatsrat herausgegebenen Zeitung „Economic Daily“ am Montag herauszulesen gewesen. All die Investitionen in China in ein Nachahmerprodukt zu ChatGPT hätten zu einer „Blase“ geführt, die nicht durch entsprechenden technologischen Fortschritt gerechtfertigt sei. In der Folge waren vor allem die Aktienkurse von kleineren KI-Entwicklern heftig abgestürzt.

Alle springen auf den „ChatGPT-Zug“ auf

Tatsächlich steht die Regierung mit ihrer Meinung nicht ganz allein dar. Das im Vergleich zur Propagandapresse recht seriöse Wirtschaftsmagazin „Caixin“ hat zu Wochenbeginn in einer Titelgeschichte beschrieben, wie neben großen Konzernen wie Alibaba auch kleine Startups auf den „ChatGPT-Zug“ aufzuspringen versuchten. So habe etwa Wang Huiwen, der als Mitgründer des Essenslieferdienstes Meituan zu Reichtum gekommen ist, im Februar aus eigener Tasche 50 Millionen Dollar in die Entwicklung eines Chatroboters gesteckt und wenig später auch noch ein Startup übernommen, das sich auf maschinelles Lernen spezialisiert hat.

Die Chance, mit Künstlicher Intelligenz den Durchbruch in den Massenmarkt zu schaffen, sei nach der von ChatGPT verursachten Aufmerksamkeit zehnmal so hoch wie zuvor, hat der frühere China-Chef von Google, Kai-Fu Lee, auf einer Konferenz in Peking jüngst verkündet. Das Problem mit dem Goldrausch ist laut Fachleuten jedoch der Mangel an Werkzeug zum Schürfen: So brauche es für das „Training“ eines Chatroboters wie ChatGPT mit knapp 300 Millionen Dollar deutlich höhere Investitionen, als es all die kleinen Startups vermöchten.

Vor allem sei der massenhafte Einsatz von Hochleistungschips amerikanischer Hersteller nötig, die diese seit Oktober ohne spezielle Genehmigung nicht mehr nach China verkaufen dürfen. 10.000 so genannter A100-Chips brauche es für ein Produkt wie ChatGPT. In China gebe es jedoch insgesamt nur 40.000 dieser Chips, zitiert „Caixin“ den Vorstandschef von Megvii, eines Pekinger Herstellers von Gesichtserkennungssoftwares – und die seien fast alle in den Händen großer Konzerne wie Alibaba und Baidu.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!