Nachrichten

#Politik in der Corona-Pandemie: Die Notbremse vom Bund

Inhaltsverzeichnis

Politik in der Corona-Pandemie: Die Notbremse vom Bund

Was Deutschland in den vergangenen Wochen erlebt hat, ist ein erstaunlicher Stimmungsumschwung. Nicht nur die allgemeine Einstellung zur Pandemiepolitik ist wesentlich pessimistischer geworden; auch was vordem als Erfolgsrezept galt, wird nun als unheilvoller Ballast dargestellt, den es abzuwerfen gelte. Da steht die Länderhoheit an erster Stelle, die bislang als Garant eines pragmatischen und reaktionsschnellen Umgangs mit der Pandemie galt. Es reichten eine missglückte Konferenz der Ministerpräsidenten (unter tätiger Mitwirkung des Kanzleramts) und eine unterschiedliche Auslegung der „Notbremse“, um diesen Vorteil – ausgerechnet im Namen von Pragmatismus und Flexibilität – in einen vermeintlichen Nachteil zu verwandeln. Das Bundeskabinett und der Bundestag zogen die Sache an sich. Die Notbremse kommt nun mit Volldampf.

Die Ministerpräsidenten haben gut Spötteln. Die Deutschen seien eben nur dann zufrieden, wenn alles im Land genau gleich geschehe, frotzelte Winfried Kretschmann über den grassierenden „Einheitswahn“. Das verdeckt die Niederlage, die sich die Ministerpräsidenten und Bürgermeister selbst eingehandelt haben. Die sechzehn „Landesfürsten“ waren einfach nicht in der Lage, sich untereinander so zu koordinieren, dass eine Einigung mit dem Bund ohne großen Aufwand möglich gewesen wäre. Nach einem Jahr Pandemie, in dem deren Bekämpfung mehr recht als schlecht gelungen war, entstand gar der Eindruck, sie erkennten den Ernst der Lage nicht mehr.

Der Lockdown kommt so oder so

Dieser Eindruck ist sicher falsch, was aber die Politik der sechzehn Regierungschefs umso mehr in Zweifel zieht. Dass sie dennoch so ruhig sind, ja sogar begrüßen, was der Bundestag jetzt durchpeitschen möchte, ist nicht nur mit pandemiebedingter Ermattung zu erklären. Die Bundesländer scheinen ganz froh zu sein, die Verantwortung für die unangenehme Seite der Pandemiebekämpfung – die womöglich wiederholte Rückkehr in den harten Lockdown – loszuwerden.

Darauf ließen schon die zurückhaltenden Reaktionen auf den bedenkenswerten Vorschlag Armin Laschets schließen, sofort einen befristeten „Brückenlockdown“ zu verhängen. Es wäre die letzte Gelegenheit, dem Bund zu zeigen, dass die Länder auch ohne ihn auskommen. Aber wie so oft, wenn die erklärte Absicht besteht, der Bund wolle und werde es richten, gilt für viele Länder auch in diesem Fall: Dann müssen wir uns schon nicht mehr zuständig fühlen. Wie so oft tun sich die SPD-regierten Länder dabei besonders hervor, jetzt wohl auch deshalb, weil der Vorschlag vom mutmaßlichen Kanzlerkandidaten der Konkurrenz gekommen war.

Ob nun über den Bund oder die Länder: Dieser Lockdown kommt so oder so, ob in Form der „Notbremse“ oder noch schärfer. Im Berliner Volldampf steckt nicht nur deshalb viel heiße Luft. Denn die „Notbremse“ kommt nun zwar so, dass sich die Kanzlerin nicht noch einmal über die Länder ärgern muss. Aber sie kommt in der Form, wie sie die meisten Länder ohnehin beherzigt haben. Selbst die Länder, die Konsequenzen aus Grenzwerten recht großzügig ausgelegt haben, kommen auf ihre Kosten. Sie werden auch künftig mit der Testpflicht so umgehen können, dass für einzelne Einrichtungen nicht die Inzidenz von hundert, sondern von zweihundert ausschlaggebend ist. Alles in allem gilt: Der Bund setzt zu einem großen Sprung an, um dort zu landen, wo die Länder aufgrund der Verabredungen vom 3. März schon immer waren. Ist es das wert, dass der Bundestag sich mit der Zahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen, mit der Zahl der Kunden pro vierzig Quadratmetern, mit dem Gassigehen oder damit beschäftigt, wie viele Personen sich tagsüber treffen dürfen?

Die Bundesregierung zieht damit in einer Ausnahmesituation gleichwohl eine Zuständigkeit an sich, die noch in anderer Hinsicht an eine Notbremse erinnert. Bislang blieb der Kanzlerin nichts anderes übrig, als wie die Einpeitscherin der Bundesländer zu wirken, ohne selbst wirklich Durchsetzungskraft entfalten zu können. Ihre Autorität hing nicht mehr an ihrer Richtlinienkompetenz. Dass es ein Jahr gedauert hat, bis diese Konstruktion an die Grenzen der Kompromissfähigkeit stieß, spricht angesichts einer fortdauernden Naturkatastrophe nicht unbedingt gegen den informellen Rahmen, in dem die Verhandlungen immer wieder stattfanden. Aber der jähe Ansehensverlust aller Beteiligten ist sicher nicht ein Zeichen dafür, dass er sich in Zeiten der Not bewährt hätte.

Dieser Verlust droht obendrein über die Zeit der Pandemie hinaus zu strahlen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass jeder Missstand, jede Rückständigkeit und jede Komplexität darauf zurückgeführt wird, dass die Bundesrepublik einfach zu viele Stockwerke habe. Ein anderes, irreführendes Wort dafür ist der „Flickenteppich“. Nur eine einzige Institution, der Landkreistag, hat bislang darauf aufmerksam gemacht, dass damit auch mehr Freiheit verbunden ist und der Bundestag deshalb auf dem Holzweg sein könnte. Vorerst flickt er aber nur, was er für einen Flickenteppich hält.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!