#Wie Draghi Italiens Parteienlandschaft verändert
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„Wie Draghi Italiens Parteienlandschaft verändert“
Man hat den plötzlichen Auftritt Mario Draghis auf der Bühne der italienischen Politik mit dem Einschlag eines Meteoriten verglichen: Er werde die Parteienlandschaft bleibend verändern. Tatsächlich hat der einstige Gouverneur der italienischen Notenbank und frühere Präsident der Europäischen Zentralbank das Kunststück fertiggebracht, die Parteien von der systemkritischen Linken über die politische Mitte bis zur nationalistischen Rechten in einer veritablen großen Koalition hinter sich zu scharen.
Matthias Rüb
Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.
Im Abgeordnetenhaus erhielt er 535 von 596 abgegebenen Stimmen, in der kleineren Kammer hatten zuvor 262 von 304 anwesenden Senatoren für ihn gestimmt. Draghis „gemischtes“ Kabinett von acht parteilosen Fachleuten und 15 Parteipolitikern wird von einem halben Dutzend Parteien gestützt, die sich zuvor überwiegend spinnefeind waren.
Als einzige „echte“ Oppositionspartei sind die postfaschistischen Brüder Italiens von Giorgia Meloni übrig geblieben: Sie stimmten in beiden Kammern geschlossen gegen Draghi. In ihrer gewohnt feurigen Rede im Abgeordnetenhaus beklagte Meloni, dass der neue Regierungschef noch nie als Kandidat bei einer Wahl um die Stimme des Volk geworben habe.
„Fünf Sterne“ stürzen weiter ab
Hätten bei den Vertrauensabstimmungen auch noch die Fratelli d’Italia für den 73 Jahre alten Ökonomen gestimmt, „dann würde Italien eher wie Nordkorea und nicht wie ein Land des Westens aussehen“, rief Meloni. Mit ihrer entschlossen oppositionellen Haltung gegenüber Draghi dürfte Meloni den Höhenflug ihrer Partei weiter befeuern. In jüngsten Umfragen steht die Partei inzwischen bei 17 Prozent Zustimmung, ein Zuwachs von fast 13 Punkten gegenüber ihrem Ergebnis bei den Parlamentswahlen vom März 2018.
Dem steht der Absturz der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung von knapp 33 Prozent beim Wahltriumph vor knapp drei Jahren auf jetzt nur noch 15 Prozent gegenüber. Die Abwanderung von Wählern der Fünf Sterne dürfte sich in den kommenden Monaten noch verstärken. Schon zweimal in weniger als drei Jahren hat die einst systemkritisch-ökologische Protestbewegung einen abrupten politischen Richtungswechsel vollzogen: zunächst von der Koalition mit der rechtsnationalistischen Lega zum Linksbündnis mit den Sozialdemokraten, jeweils unter dem parteilosen Regierungschef Giuseppe Conte, und nun zur großen Koalition unter Mario Draghi, dem ultimativen Vertreter des verhassten politisch-finanziellen Establishments.
Bei den Abstimmungen im Parlament sprachen sich 16 Senatoren der Fünf Sterne gegen die Regierung aus, in der Abgeordnetenkammer waren es weitere 34 Dissidenten, die sich dem Votum der Parteimitglieder auf der Plattform „Rousseau“ für eine Beteiligung an der Regierung Draghi widersetzten. Gegen die Abweichler, unter ihnen prominente Gründungsgestalten und Führungsfiguren, wurde ein Ausschlussverfahren eingeleitet, was die Spaltung der Bewegung besiegeln und deren drohenden Zerfall vorantreiben wird.
Schon schauen sich die Geschassten, die sich als Vertreter jener immerhin knapp 40 Prozent Mitglieder sehen, die bei der Online-Befragung gegen eine Beteiligung an der Koalition Draghi gestimmt hatten, nach neuen Fraktionen und Bündnissen um. Den Fünf Sternen drohen bei den kommenden Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen weitere Desaster. Die 2009 vom Fernsehkomiker Beppe Grillo gegründete Bewegung könnte bei den nächsten Parlamentswahlen nur noch eine Nebenrolle spielen.
Einzelne Parteien bleiben zerstritten
Obwohl alle maßgeblichen Kräfte der Linken in der Koalition Draghi vereint sind, bleiben die einzelnen Parteien zerstritten. Das gilt, wenngleich nicht in einem so dramatischen Ausmaß wie bei den Fünf Sternen, auch für die Sozialdemokraten. Parteichef Nicola Zingaretti strebt ein langfristiges strategisches Zusammengehen mit den Fünf Sternen und den linken Kleinparteien der „Freien und Gleichen“ und Italia Viva an, um mit einem Mitte-links-Bündnis bei kommenden Wahlen geschlossen gegen die rechten Parteien anzutreten.
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