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#Das Glück der Ausgestoßenen: Werkschau der Fotografin Mary Ellen Mark in Berlin

Inhaltsverzeichnis

Die amerikanische Fotografin Mary Ellen Mark hat die Armut in ihrem Land und den Alltag von Prostituierten in Bombay in Bilderserien festgehalten. Eine Ausstellung in Berlin zeigt ihr Lebenswerk.

Es fällt schwer, ein einzelnes Foto von Mary Ellen Mark als besonders gelungen zu bezeichnen. Denn das würde bedeuten, die vielen anderen Fotos, die sie in den fünfzig Jahren ihrer Welterkundung mit der Kamera aufgenommen hat, für weniger gelungen, weniger augenöffnend und unausweichlich zu erklären. Und das hieße, die Arbeit der 2015 gestorbenen amerikanischen Fotografin grundsätzlich zu verkennen. Denn Mary Ellen Mark hat es, anders als die meisten ihrer Kollegen, nie auf ein ikonisches Einzelbild angelegt. Sie wollte mit jeder ihrer Aufnahmen ein Stück unbekannte, übersehene, verdrängte und an den Rand geschobene Wirklichkeit zeigen, und deshalb waren ihr alle gleichermaßen wichtig. Ihre Präsentationsform war die Serie, so wie ihr Arbeitsmodus die Recherche auf Augenhöhe war, das rückhaltlose Eintauchen in den Alltag der Menschen, die sie fotografierte.

Andreas Kilb

Feuilletonkorrespondent in Berlin.

Trotzdem kommt man, wenn man über Fotografie spricht, nicht umhin, über einzelne Fotos zu reden. Etwa die 1987 entstandene Aufnahme der Familie Damm in ihrem Auto, irgendwo an einer Straße in Kalifornien. Die Eltern auf den Vordersitzen, die Kinder auf der Rückbank. Der Vater legt die Arme um seine Frau, das Mädchen greift nach der Wange ihres Bruders. In den Gesichtern Erschöpfung und tiefe Resignation. Die Seite des Wagens ist aufgerissen, die Scheiben fehlen, das Auto ist ein Wrack. Und dennoch, das sieht man, ist es das Zuhause der Damms, das einzige Dach, das sie über dem Kopf haben.

Schönheit, die weh tut

Oder das Bild eines Mädchens in einem Kinderkrankenhaus, aufgenommen im gleichen Jahr. Das Mädchen steht vor dem Fenster seines Krankenzimmers. Es hat keine Haare mehr. Von seinem Körper abwärts führen drei durchsichtige Schläuche zu drei verschiedenen Geräten auf einem fahrbaren Instrumententisch am rechten Bildrand. Es trägt weiße Socken und ein schimmerndes weißes, mit Spitze besetztes, in der Taille plissiertes, an den Schultern gebauschtes Konfirmandenkleid. Während es in die Kamera schaut, rafft es den Saum des Kleides, als wollte es zu tanzen beginnen. Links daneben, im Fenster, sieht man Palmen und ferne Hügel. Den hohen Himmel. Die Außenwelt.

Nachtschwärmer: „Kissing in a Bar“, New York 1977



Bilderstrecke



Bilder vom Rand des Lebens
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Fotografien von Mary Ellen Mark

Die Fotos von Mary Ellen Mark, die das C/O Berlin jetzt in einer umfassenden Retrospektive zeigt, haben eine Mission, aber sie haben auch eine Form. Sie wollen etwas zeigen, das wehtut, weil es zur Schattenseite der sichtbaren Welt gehört. Aber sie sind auch schön: das Mädchen auf der Kinderstation mit seinem glatten, hell ausgeleuchteten Kopf, die Obdachlosen­familie mit dem Spiel ihrer Hände, Arme und Gesichter im Käfig ihres Wagens. Der Widerspruch zwischen Ästhetik und Sujet gehört zur Grundspannung aller sozial engagierten Fo­to­gra­fie, bei Robert Frank und Walker Evans wie bei Diane Arbus und Dorothea Lange. Bei Mary Ellen Mark wird er in der Produktionsform des Fotoprojekts aufgelöst.

Das Bild der Damm-Familie ist Teil einer Langzeitstudie, zu der spontane, wie zufällig wirkende Aufnahmen ebenso gehören wie sorgfältig komponierte. Auf das Mädchen im Konfirmationskleid folgen kranke Kinder auf Pferden, im Gras und im Pool. Das Projekt „Streetwise“ folgt dem Straßenkind Erin alias Tiny von den Teenagerjahren bis ins Erwachsenenalter als Mutter von zehn Kindern in Seattle. Als Mary Ellen Mark starb, war es gerade beendet. Oder vielleicht auch nicht.

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