Wissenschaft

#Das Image von Wissenschaft – SocioKommunikativ

Das Image von Wissenschaft – SocioKommunikativ

Immer wieder gut und interessant nachzufragen was Studierende nach einigen Semestern an der Uni von Wissenschaft denken. Diese hier haben immerhin 4 Semester der Publizistik und Kommunikationswissenschaft hinter sich – ein Studium dem in Wien ein denkbar schlechter Ruf anhängt und das trotzdem jedes Wintersemester ca. 1000 neue Leute anzieht. Aber darum geht es jetzt mal nicht, das Image und Potential dieses Studiums ist eine andere und lange Geschichte.

Im Bakkalaureatsseminar soll ich sie auf ihre erste Bakk-arbeit vorbereiten und sie dafür coachen. Ein Grund deshalb anfangs den vorhandenen Wissenschaftsbegriff unter die Lupe zu nehmen und anschließend zu dekonstruieren. Die Aufgabenstellung war also an der Tafel sämtliche Assoziationen zu Wissenschaft zu sammeln. Heraus kam etwas, dass ich nur wie folgt kommentieren konnte: Wenn das mein Arbeitsalltag wäre, dann müsste ich mich jetzt wohl erschießen. ?

(Das Bild als Vorschau einzubetten, hat leider nicht funktioniert. ;))

Nachdem ich ihnen im Anschluss an eine kurze Diskussion das folgende Video gezeigt habe, kamen erwartbare Antworten: Das wäre ja coole und nützliche Wissenschaft, das was wir machen wäre demgegenüber aber sehr uncool, weniger nützlich und überhaupt es ist ja kaum nachvollziehbar.

Abgesehen davon, dass Publizistikstudierende natürlich recht empfänglich für so gemachte Videos sind und ich es mir nicht verkneifen konnte zu fragen warum sie denn nun eigentlich dieses Fach gewählt hätten, hat die Diskussion in die gleiche Kerbe geschlagen in die ich mit meinen beiden ersten Blogbeiträgen hier und hier versuchte etwas Klarheit zu bringen.

Aber woher kommt das?

In den ersten Semestern des Studiums werden Studierende mit recht langweiligen Inhalten konfrontiert, die sie noch dazu nicht einordnen können. Sie werden dazu angehalten auswendig zu lernen und da sie das aus der Schule meist auch noch gut gewöhnt sind, tun sie dies auch. Was nicht von ihnen verlangt wird ist: Zu denken! Theorie und Methodik werden ebenso wie die thematische Definition des Faches als abschreckende Hürde verwendet, um aus den Massen auszuselektieren. (Das österreichische Unisystem hat diesbezüglich nahezu eine Meisterschaft entwickelt. Leider.) Der Plan dahinter: Umso fader der Anfang, umso eher steigen die Massen auch wieder aus. Paradox angesichts eines Faches, das fast so etwas wie eine didaktische Bestvoraussetzung hat. Der Gegenstand der Disziplin, die medialen Inhalte, wie Serien, Artikel, Kampagnen, etc. böten viele Möglichkeiten. Niemand, der oder die hier unterrichtet, müsste auch nur eine Minute Studierende langweilen. Aber dem ist nicht so. Langeweile ist Trumpf und das negative Image hängt dann aber der Wissenschaft und nicht dem Studium an.

Ein weiterer Aspekt ist, dass Forschung als Disziplinierungsmaßnahme verwendet wird. Studierende lernen Kochrezeptforschung, wie ich das immer nenne. Auf Punkt 1 folgt Punkt 2 und dann usw.. Sie werden nicht in die Welt des wissenschaftlichen Denkens eingeführt, nicht herangeführt an die Dinge die spannend und faszinierend sind, nicht mit den Ideen konfrontiert, die unsere Welt mitgestalten und lernen nicht zu hinterfragen oder zu debattieren. Sie lernen ein Thema herzunehmen, meist eines das genau in der Mitte des thematischen Mainstreams liegt und dann Punkt 1 bis Punkt X abzuhandeln. Ihnen wird scheinbar vermittelt, dass wissenschaftliche Sprache fade und kompliziert sein soll, fast so als wären die Texte gewürzt mit Fremdwörtern ohne jeglichen Konnex zum Alltag. Erst wer diese Tortur hinter sich gebracht hat, darf dann – vielleicht – anders und interessierter bzw. interessanter arbeiten.

Positiv konnotiert ist die Praxis, negativ konnotiert die Wissenschaft, die Theorie und die Methodik. Aber was heißt Praxis? Das fand ich schon während meines eigenen Studiums höchst interessant: Praxis ist, wenn Praktiker und -innen kommen und Schwänke aus ihrem Leben bzw. ihrer Arbeit erzählen. Ein Phänomen das mir an der Architektur bzw. den Kunstunis auch immer wieder begegnet ist und das dem der Hollywoodstars als anzustrebendes Ideal ähnelt. Umso prominenter eine Vortragende, umso berühmter ein LV Leiter, desto höher die Hoffnung, dass ein bisserl des Glanzes auf die Studierenden abfärbt. Was genau die Personen dann inhaltlich machen, ist dementsprechend relativ egal. Es geht um den Glamour, wichtig ist der Starfaktor, könnte ja unter Umständen hilfreich für die Karriere sein. Inhalte? Reflexion? Theoretische Verortung der Praxis? Unnötiges Beiwerk.

Den wissenschaftlichen Fächern, Glamour und Starfaktor sucht man da eher vergeblich, bleibt eine kärgliche Rolle: Sie regredieren zur Disziplinierungsmaßnahme durch die man durch muss. Unsexy, oder wie es meine Studis formuliert haben: “Langweilig, langwierig, krampfig und viel Gerede, nix passiert.” Etwas dass man absolviert, hinter sich bringt und möglichst schnell wieder vergisst.

Was sind die Konsequenzen?

Das Denken bleibt auf der Strecke. Ordnungswissen fehlt – wie Dinge zusammenhängen, insbesondere in sozialen Umfeldern und Forschungsgegenständen, bleibt ein Rätsel. Jede Themendefinition und Recherche wird zu einer krampfigen Angelegenheit ohne jeglichen Spaßfaktor. Die Eigenständigkeit fehlt, hinter allem und jedem werden Regeln und Vorschriften vermutet an die man sich und die entstehende Arbeit anpassen muss. (Eine kleine Anmerkung an der Stelle muss sein: Und das passt ja auch gut in die inzwischen durchökonomisierten Universitäten. Gefragt ist nicht die Eigenständigkeit und selbständiges Denken, gefragt sind Anpassungsfähigkeit und Formbarkeit für künftige ArbeitgeberInnen.)

Dass Wissenschaft etwas Schönes und Kreatives ist, erfahren die meisten Studierenden gar nie. Dass es großen Spaß macht sich ein Thema vorzunehmen, zu konzipieren und zu recherchieren wie dieses umsetzbar ist, sich zu überlegen mit welchem theoretischen und methodologischem Werkzeug die selbstgesetzten Ziele erreicht werden können, dass es schöne und auch befriedigende Arbeit ist ins Feld zu gehen, mit den Menschen zu sprechen, das Material zu analysieren und Zeit dafür zu haben herumzuinterpretieren und dann am Ende das Ganze in Vorträge, Artikel und Lehrveranstaltungen umzusetzen, zu publizieren und damit der wissenschaftlichen und und auch der Alltagswelt ein Stück mehr Erkenntnis zurückzugeben, darauf kämen sie gar nicht. Das hat ihnen nämlich bis dato niemand erzählt. Dass Kritik üben und kritisiert werden nichts Beängstigendes hat, sondern vielmehr dafür dient weiterzukommen. Dass KollegInnen, wenn sie einem wohlgesonnen sind, eine inhaltlich fordern bzw. hinterfragen und ein Problem ruhig auch mal einige Zeit vor sich hingären muss und kann bis man auf eine Lösung kommt, das hat niemand erklärt. Klar braucht es das Werkzeug dazu, muss man wissenschaftliches Denken und Arbeiten erlernen und sich durch Literatur und Methodik durcharbeiten. Aber dass das Spaß machen kann und ein Ziel ist ein Ordnungsschema und -system aufzubauen in das neue Informationen eingepflegt werden können und dass dieses Puzzeln und Kniffeln eine spannende Herausforderung ist, die auch nach vielen Jahren nicht langweilig wird, das wird ihnen vorenthalten.

Okay nicht überall, Vereinzelte versuchen das herauszufordern. Und ich muss zugeben, dass ich es immer wieder sehr genieße, wenn ich am Ende des Semesters so einige glänzende Augen sehe, die verstanden haben worum es da geht und die sich offensichtlich darüber freuen, dass sie mal jemand als denkende Wesen ernst genommen hat. Meine Lieblingsfrage, die mir am Ende eines Semesters einmal gestellt wurde, ist immer noch: „Warum hat uns das nie jemand früher gezeigt, warum muss ich das erst am Ende meines Studiums erfahren was Wissenschaft eigentlich ist? Mein Studium wäre anders verlaufen, hätte ich das früher mitbekommen.”

Würde mich sehr interessieren wie das in anderen Disziplinen so ist.

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