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#„Das ist Aktionismus des Gesundheitsamts“

„Das ist Aktionismus des Gesundheitsamts“

Ein Dorf in Quarantäne: Wegen eines Corona-Ausbruchs dürfen die meisten der rund 90 Einwohner des nordhessischen Hübenthal seit Mittwoch ihr Zuhause nicht mehr verlassen. Hübenthal ist ein Stadtteil der Stadt Witzenhausen im hessischen Werra-Meißner-Kreis. Die meisten Bewohner lebten dort auf zwei Höfen und seien nun in Quarantäne, sagte Bürgermeister Daniel Herz (parteilos). Die vermutete Ursache der Infektionen ist demnach eine private Feier auf dem größeren der beiden Höfe. Zuvor hatten verschiedene Medien darüber berichtet. Nach Angaben des Werra-Meißner-Kreis gab es am Freitag 33 akute Corona-Fälle in Witzenhausen, 30 davon in Hübenthal. Rosi Csik arbeitet als beim Lebensmittel-Lieferanten „Grüner Bote“ in Hübenthal. Das Geschäft ist von den Vorgaben stark betroffen.

Frau Csik, Sie arbeiten als Kundenbetreuerin beim Bio-Lieferanten „Grüner Bote“ in Hübenthal. Wie läuft ihr Geschäft in dieser Ausnahmesituation?

Unser Betrieb ist auch von der Quarantäne betroffen, das wurde uns am Donnerstag unterbreitet. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht im Geschäft. Es war wohl so, dass das Ordnungsamt und die Polizei mit Megafonen dazu aufgerufen haben, zuhause zu bleiben und die Quarantäne einzuhalten. Fast alle Bewohner, das Seminarzentrum Parimal und das Café Hofgarten hier im Ort sind bereits seit Mittwoch in Quarantäne. Als wir am Nachmittag informiert wurden, waren alle unsere Bestellungen schon fertig zur Auslieferung. Wir mussten sofort die Gebäude verlassen. Wir konnten gerade noch Listen ausdrucken, um die Kunden zu informieren, dass sie nicht beliefert werden. Unsere Chefs haben noch schnell ein paar Informationen für unsere Kunden auf die Homepage gestellt. Aber es ist in meinen Augen ein Verbrechen, diese wertvollen Lebensmittel einfach vergammeln zu lassen, ohne nachvollziehbaren Grund.

Es gibt also keine Möglichkeit, diese noch auszuliefern?

Nein, das dürfen wir nicht, wir dürfen den Betrieb überhaupt nicht betreten. Ich wohne nicht in Hübenthal, bin also nicht in Selbstisolation und darf auch ganz normal einkaufen gehen. Aber wenn ich jetzt nach Hübenthal fahren würde und in unseren Laden ginge, müsste ich automatisch auch in Quarantäne. Das wird da streng kontrolliert.

 Rosi Csik ist Kundebetreuerin beim Lieferant „Grüner Bote“


Rosi Csik ist Kundebetreuerin beim Lieferant „Grüner Bote“
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Bild: Grüner Bote/ Michael Üffing

Machen Sie sich denn Sorgen um ihre eigene Gesundheit?

Ich persönlich mache mir keine Sorgen, ich fühle mich absolut gesund und alle anderen auch. Selbst die normalen Erkältungskrankheiten sind bislang an uns vorbei gegangen. Man kann sich überall infizieren, gerade, wenn man in Supermärkte und Läden geht. Unsere Mitarbeiter wurden aber alle negativ auf das Coronavirus getestet, bis auf zwei Mitarbeiter, die beide dem Seminarzentrum Parimal angehören. Wir haben diese beiden jedoch schon vor über einer Woche – sofort nach Bekanntwerden der ersten Fälle – vom Dienst suspendiert. Das wir alle anderen dennoch negativ sind, zweigt auch, dass unser Hygienekonzept greift.

Wie geht es jetzt mit ihrem Geschäft weiter, wie lange steht der Betrieb still?

Laut Verordnung gilt die Schließung für knapp vier Wochen bis Anfang November. Ich könnte mir vorstellen, dass sich viele dafür aussprechen, das kürzer zu halten. Wir sind als Lieferservice für Lebensmittel in gewisser Weise systemrelevant, wir versorgen unglaublich viele kranke Menschen, die nicht rausgehen können, und auch alte Leute, die keine Möglichkeiten haben, sich anders zu versorgen. Die Leute sind auf uns angewiesen.

Können Sie die Anordnung als Vorsichtsmaßnahme des Gesundheitsamts trotzdem verstehen?

Ich habe die Hoffnung, dass auch für Herrn Herz (Anmerk. der Redaktion: Der Bürgermeister von Witzenhausen), diese Entscheidung nicht komplett richtig und nachvollziehbar ist und dass er sich für uns stark macht. Er hat selbst gesagt, dass man in diesen Zeiten nicht in Aktionismus verfallen soll. Genau solchen Aktionismus sehe ich aber in dieser Entscheidung des Gesundheitsamts, zumindest was unseren Betrieb betrifft. Wir haben ja auch eine Biogärtnerei vor Ort. Die Sachen müssten eigentlich geerntet werden, das ist sehr schade. Das tut mir sehr weh.

Wie versorgen sich die Menschen vor Ort, wenn sie als Lieferant nun auch wegfallen?

Die Einwohner Hübenthals haben nicht besonders viel von uns bezogen. Die sind eher in Witzenhausen einkaufen gegangen. Es gibt eine Initiative der Stadt, die heißt „Dich schickt der Himmel“. Ich könnte mir vorstellen, dass sie das jetzt in Anspruch nehmen. Wir hatten auch immer zu dieser Jahreszeit einen Gemüsestand im Ort, da haben auch die Hübenthaler bei uns eingekauft, aber das fällt jetzt natürlich auch weg.

Mit welchem Wunsch blicken Sie auf die nächsten Tage und Wochen?

Ich würde mir wünschen, dass viele Menschen an den Bürgermeister herantreten. Damit er sieht: Es besteht akuter Handlungsbedarf. Ich hoffe, er spricht noch einmal mit dem Gesundheitsamt, damit es diesen Erlass so bald wie möglich wieder aufhebt und wir wieder unserem Versorgungsauftrag nachkommen können. Wir sind ganz überwältigt von dem Zuspruch und der Solidarität, die in den letzten Stunden von unseren Kunden gekommen ist. Vielen Dank dafür.

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