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#Das ist die Serie zur Pandemie

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Das ist die Serie zur Pandemie

Himesh Patel muss man nicht erklären, dass sich die Welt von einem Tag auf den anderen verändern kann. In „Yesterday“ spielte der Brite einen Musiker, der sich nach einem globalen Stromausfall in einer Welt ohne Erinnerung an die Beatles befindet, in „Don’t Look Up“ gibt er den Freund einer Wissenschaftlerin, die einen unvermeidlichen Kometeneinschlag pro­gnostiziert, auch im Weltrettungsspektakel „Tenet“ war er zu sehen. Und jetzt ist Patel einer der Hauptdarsteller in „Station Eleven“ – einer Endzeitgeschichte mit ungewöhnlich lichtem, die existenzielle Bedeutung von Kunst und Künstlern feierndem Kniff: Nach einer Grippewelle, der 99 Prozent der Menschheit erlagen, rollt eine Schauspieler-Truppe durch die Überreste der Zivilisation, und ihr Shakespeare wird überall sehnlichst erwartet.

„It’s dystopia . . . the musical“ witzelte der „Independent“, als die Romanvorlage von Emily St. John Mandel 2014 erschien. Vom Roman, der im Deutschen den schönen Titel „Das Licht der letzten Tage“ bekam, weicht die Filmfassung von Patrick Somerville in einigen Punkten erheblich ab. Doch er geht umsichtig vor, hat sich nur im sentimentalen Finale nicht ganz im Griff.

Doch auch bei ihm gilt es, geschickt miteinander verwobene Zeitebenen zu bestaunen. Auf einer dieser Ebenen erlebt der tapsige Jeevan (Himesh Patel), der eine „King Lear“-Aufführung in Chicago besucht und der Kinderschauspielerin Kirsten (Matilda Lawler) begegnet, den Ausbruch der Pandemie. Auf einer anderen, die zwanzig Jahre später spielt, umstreift die erwachsene Kirsten (Mackenzie Davis aus „Terminator“) mit Shake­ speare-Enthusiasten die großen Seen.

Raumfahrer als natürliche Begleiter

Und es gibt weitere Stränge, die in wilden Zeitsprüngen fragmentarisch beleuchtet werden. Sie beschäftigen sich mit der Geschichte des „CEO Flüsterers“ Clark (David Wilmot), der bei Ausbruch der Pandemie in einem Flughafen strandet und später ein „Museum der Zivilisation“ zu errichten beginnt. Oder mit Miranda (Danielle Deadwyler), die vor der tödlichen Grippewelle einen Space-Comic namens „Station Eleven“ gezeichnet hat.

Das einzige Exemplar trägt Kirsten wie ein heiliges Buch mit sich herum. Es hilft ihr bei der Bewältigung von Trauer, Einsamkeit, Angst, und das Gelungene an der Serie ist, wie unaufdringlich sie immer wieder darauf zurückkommt. Selbst die Raumfahrer, die unvermittelt im Bild auftauchen, nimmt man als natürliche Begleiter wahr. Wie kann es sein, dass auch ein „Prophet“ (Daniel Zovatto) mit Kindergefolgschaft den Comic kennt? Der erwachsenen Kirsten, die mit dem Messer umgehen kann und den „Propheten“ entsprechend begrüßt, verdreht das Rätsel den Kopf.

Verbindendes Element aller Handlungsstränge ist der Hauptdarsteller der „King Lear“-Produktion, die charismatische Berühmtheit Arthur Leander (Gael García Bernal aus „Mozart in the Jungle“). Arthur stirbt zu Serienbeginn an einem Herzinfarkt, mitten im Auftritt, umtänzelt von Dekoschnee. Und schon diese Szene ist so poetisch inszeniert wie alles andere, was uns „Station Eleven“ im Laufe der zehn Folgen noch bieten wird. Kamera, Schnitt und Soundtrack (Dan Romer), mit Streichern, Flöten und Pauken, sind exquisit.

Nach dem Auftakt, der mit dramatischen Bildern vom Ausbruch der „Georgischen Grippe“ und dem Rückzug Jeevans und Kirstens in das Hochhausapartment von Jeevans Bruder (Nabhaan Rizwan) erzählt, tritt „Station Eleven“ hart auf die Bremse. Diese Serie ist mit Ausnahme gelegentlicher Aufreger sehr ruhig, sie erfordert Aufmerksamkeit, Geduld und sicherlich auch die Bereitschaft, Tränen zu vergießen.

Es geht „Station Eleven“ nämlich kaum um den schnöden Überlebenskampf. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist zwanzig Jahre nach der Pandemie kein großes Pro­blem. Dafür steht „Überleben allein ist unzureichend“ auf den Wagen der Theatergruppe, der sich Kirsten nach dem unvermittelten Verschwinden Jeevans anschließt: Das ist der Punkt.

Das Motto, das von „Star Trek: Voyager“ stammt und nicht von Shakespeare, möchte man als Zuschauer des Jahres 2022 sofort an alle Theater und Konzertsäle hängen. Zwar wurde die Serie schon lange vor Corona geplant, Folge eins und drei waren im Januar und Februar 2020 im Kasten, und die Romanautorin Emily St. John Mandel erklärte sogar im Monat darauf: „Ich würde nicht empfehlen, mitten in einer Pandemie ‚Station Eleven‘ zu lesen.“ Trotzdem kommt die Serie nun wie gerufen, und sie geht uns auch deshalb so unter die Haut, weil der überwiegende Teil des Zehnteilers, nämlich jener, der Hoffnung statt Horror sucht, unter dem Eindruck der echten Pandemie zwischen Februar und Juli 2021 gefilmt wurde.

Sämtliche Schauspieler (allen voran Lori Petty als Dirigentin der „Travelling Symphony“) warfen sich nach der Drehpause mit einer solchen Leidenschaft und Herzenswärme ins Zeug, als sei „Station Eleven“ der Film der Stunde – und die letzte Möglichkeit, ein Kunst fast nur noch über Streaming-Portale erlebendes Publikum an das Drama der geschlossenen oder halb leeren Kulturhäuser in aller Welt zu erinnern. Für Kulturschaffende ist „Station Eleven“ eine Serie wie eine Umarmung.

Station Eleven startet am Sonntag bei Starzplay/Amazon.

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