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#„Das ist eine gewaltige Niederlage für Putin“

Jewgenij Prigoschin versuchte sich am Samstagabend darin, das Unmögliche möglich zu machen: einerseits den Aufstand gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu wagen, andererseits dann gönnerhaft und in patriotischer Pose einzulenken. Unabhängige Newsportale wie „Wjorstka“ zeichneten am Samstag schon den Weg von Prigoschins Wagner-Milizionären aus dem Südwesten Russlands nach Moskau nach, verorten die Kolonnen ihrer Fahrzeuge nur noch wenige hundert Kilometer vor Moskau. Journalisten und andere interessierte Beobachter hockten wie Kaninchen vor der Schlange vor Prigoschins Telegram-Kanal, warteten auf Nachrichten des obersten Putschisten.

Dann, um 20:25 Uhr Moskauer Zeit, erschien eine neue Audiobotschaft Prigoschins. Sie wirkte wie ein Gnadenakt. Denn auf ernstlichen Widerstand scheinen Prigoschins Leute auf dem Weg an der angeblich teils durch improvisierte Sperren und Kontrollpunkte gesicherten M4-Trasse nach Moskau nicht gestoßen zu sein. Nun sagte Prigoschin, seine Wagner-Miliz habe sich bloß „umformieren“ wollen.

„Wir sind am 23. Juni zum ‚Marsch der Gerechtigkeit‘ aufgebrochen“, sagte der Wagner-Anführer unter Verwendung seiner eigenen Bezeichnung für den Putschversuch. „Innerhalb eines Tages sind wir bis auf 200 Kilometer an Moskau herangekommen. In dieser Zeit haben wir keinen Tropfen Blutes unserer Krieger vergossen. Jetzt ist der Moment gekommen, an dem Blut vergossen werden könnte. Daher, eingedenk der Verantwortung dafür, dass auf einer der Seiten russisches Blut vergossen wird, drehen wir unsere Kolonnen ab und gehen zurück in die andere Richtung in die Feldlager, getreu dem Plan.“

Lukaschenko schaltet sich ein

Die russischen Machthaber kommentierten die Erklärung zunächst nicht. Der Einlassung Prigoschins vorausgegangen war aber eine Mitteilung des Pressedienstes des belarussischen Machthabers Alexandr Lukaschenko. Der hatte mitgeteilt, Lukaschenko habe mit dem Einverständnis Putins mit Prigoschin verhandelt, und zwar „im Laufe des ganzen Tages“. Im Ergebnis sei man übereingekommen, dass es nicht zulässig sei, „das Blut russischer Kämpfer auf dem Territorium Russlands zu vergießen“.

Prigoschin habe Lukaschenkos Vorschlag angenommen, die Kolonnen von Wagner aufzuhalten und „weitere Schritte zur Deeskalation der Anspannung“ zu unternehmen. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt eine absolut vorteilhafte und annehmbare Variante zur Entspannung der Situation auf dem Tisch, mit Garantien für die Sicherheit des privaten Militärunternehmens Wagner“, teilte Lukaschenko weiter mit.

Was nun in Russland folgt, ist unklar. Die Staatsnachrichtenagentur Ria teilte mit, ein für Montag vom Moskauer Bürgermeister angekündigter freier Tag bleibe ein solcher. Auch die Antiterroroperation in der Hauptstadt blieb zunächst in Kraft. Aus der südwestlichen Stadt Rostow am Don kamen Aufnahmen, die zeigen sollen, wie Passanten den Wagner-Kämpfern zujubeln. Diese sollten sich darauf vorbereiten, das Zentrum der Stadt zu verlassen.

Wagner-Söldner sollen Hubschrauber und Kampfflugzeug abgeschossen haben

Prigoschin hatte am Samstagmorgen nach Augenzeugenberichten den Stab des Südlichen Militärbezirks in Rostow besetzt und dabei mindestens zwei ranghohe Militärfunktionäre in seine Gewalt gebracht. Der Wagner-Anführer sagte zunächst, er wolle die Herausgabe von Verteidigungsminister Sergej Schojgu und Generalstabschef Valerij Gerassimow erreichen, denen er militärische Misserfolge in der Ukraine vorwirft. Die beiden sind Prigoschins Rivalen in einem seit Monaten andauernden Machtkampf.

Nachdem Putin in einer im Staatsfernsehen ausgestrahlten Ansprache am Samstagmorgen den „Verrat“ kritisiert und eine Bestrafung der Aufrührer angekündigt hatte, kündigte Priogschin sogar an, dem Präsidenten nicht länger Folge zu leisten. Ein Strafverfahren um einen versuchten Staatsstreich, in dem Prigoschin zwölf bis 20 Jahre Haft drohen, wurde durch den Geheimdienst FSB eingeleitet. Am späten Abend sagte Putins Sprecher, das Strafverfahren gegen Prigoschin werde eingestellt, der Milizenführer selbst werde „nach Belarus gehen“.

Die Milizionäre Prigoschins sollen mindestens drei Militärhubschrauber und ein Kampfflugzeug abgeschossen haben, es sollen auch Soldaten dabei umgekommen sein. Auch wenn Prigoschin nun tatsächlich einlenken sollte, bleibt die Lage für Putin damit prekär: Nicht nur würde er sich von der Gunst eines Milizenführers abhängig machen, der offen den Aufstand gegen ihn gewagt hat, sondern auch noch auf die Vermittlung des vermeintlich subalternen Minsker Machthabers angewiesen sein, um die Lage zu entschärfen. Das wären Zeichen der Schwäche, die für Putin eigentlich nicht statthaft sind.

Am Abend teilte Lukaschenko mit, zum zweiten Mal am Samstag mit Putin telefoniert und den russischen Präsidenten über die Ergebnisse der Unterredung mit Prigoschin informiert zu haben. Putin habe „dem belarussischen Kollegen für die geleistete Arbeit gedankt und ihn unterstützt“.

Die Lage blieb unübersichtlich. „Es ist etwas völlig Unwahrscheinliches geschehen“, schrieb die exilierte Politologin Tatjana Stanowaja auf Telegram. „Wir haben Prigoschin unterschätzt, aber wir haben auch Putin klar überschätzt. Das ist eine gewaltige Niederlage für ihn. Aber man muss doch verstehen, was dahintersteht.“ Das mögen die kommenden Stunden, Tage oder Wochen zeigen.

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