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#Das ist kein Zuckerschlecken

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Das ist kein Zuckerschlecken

Chevalier heißen und Chocolatier sein, so muss sich Glück auf Stelzen anfühlen, zumal, wenn diese kakaobuttrige Karriere in der beschaulichsten aller mondänen Zuckerstädte ihre Erfüllung findet, in Zürich, wo die braune Götterspeise „Schoggi“ heißt und Schoggifabriken aussehen wie das Guggenheim. Und doch hat es den Zürcher Pralinenreiter aus dem Sattel geworfen, und zwar schon lange bevor ihn, sagen wir: Einbrecher, in seinem chaletgemütlichen Bungalow niederstreckten. Depressiv hatte das Mordopfer die meiste Zeit seines Lebens in der Klinik verbracht und lebensmüde Abschiedsbriefe verfasst, erzählt seine auf unklaren Wegen – Chevalier war schwul – erworbene Tochter Claire (Elisa Plüss) der mit ihr noch aus Kindertagen bekannten, ebenfalls helvetisch obszön begüterten Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler).

Etwas prononciert, aber auch wieder clever charakterisiert Regisseurin Viviane Andereggen die hinter Business-Kostüm und ausdrucksarmer Miene versteckte Claire gleich dadurch als kontrollversessen und zu allem Hände-schmutzig-Machen bereit, dass sie die Juniorchefin und – vermeintliche – Alleinerbin während des Gesprächs persönlich die Scheiben ihres gewaltigen Glasbüros wienern lässt. Zum Inventar eines maliziösen Märchens gehört neben dem edelverbitterten Ritter und der verwunschenen Prinzessin eine formidable Hexe, und die gibt hier Chevaliers Mutter Mathilde (Sibylle Brunner) ab, die auf antiquierte Weise gegen den aus der Art geschlagenen Sohn pestet („krank“, „erblich vorbelastet“) und zudem die Pläne der Juniorin, das Familienimperium auf „Bio und Fairtrade“ statt auf fette Masse auszurichten, idiotisch findet.

Während Claire ihre Großmutter für einen „Zombie“ hält, stänkert diese saftig gegen Claires Verlobten aus der Unterschicht: „ein Parvenü, ein Loser“. So hat sich nach wenigen Minuten alles Aphrodisierende eines Schokoladen-Plots verflüchtigt, um einem dümmlichen Bitch-Fight und der ödest möglichen Familienunternehmen-Melodramatik (Testamente, Geheimnis, Verrat) Platz zu machen. Und dieser Strang wird im Laufe des Films noch um einiges abstruser.

Diesmal ohne Frauenpower-Energie

Für den Schmelz zuständig ist eher Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher), die im zweiten Fall des neuen, charmanten, weiblichen Schweizer „Tatort“-Teams – als Autoren fungierten wieder Stefan Brunner und Lorenz Langenegger – nicht nur französeln darf („Attend“, „c’est tout“, „premier amour“, „Putain“), sondern in letztlich unklarer Melancholie schön vor sich hin leidet. Sie erwägt gar die Kündigung: „Zürich passt nicht.“ Man hat aber nicht das Gefühl, dass der Grund dafür wirklich die Enttäuschung über die ausbleibende Beförderung, eine Aversion gegen diese Stadt voller Reichenprobleme oder die Sehnsucht nach dem fernen Sohn ist. Süßliche Melancholie steht ihr einfach gut. Nur reicht das nicht, um damit zufrieden zu sein. Das gilt so ähnlich für den für „Tatort“-Verhältnisse avantgardistisch anmutenden Einfall, die Protagonisten die vierte Wand durchbrechen und zum Publikum sprechen zu lassen. Ein solcher Vorstoß, aus dem dann nicht mehr wird als Brecht für Arme, wenn etwa Grandjean in Bezug auf einen bei Zürich-Preisen kaum mit Almosen zu rettenden Obdachlosen fragt: „Was hätten Sie getan?“ – das ist schlicht verschenkt.

Die Handlung, in der die Ermittler mit VR-Brillen am Tatort herumstolpern und übliche Verdächtige abklopfen, wirkt auch sonst, als sei sie wie die Chevalier-Schoggi zu Weltkriegszeiten mit leicht zu requirierenden Fetten gestreckt worden. Ein nach Lehrbuch erdachter, komplett redundanter Schießtrauma-Exkurs – Waffe abgeben, Frust abtanzen im Club, zweite Chance – unterstreicht, dass den Autoren nichts weiter einfiel, um wenigstens minimale Spannung aufzubauen. Selbst die funkenschlagende Frauenpower-Energie der Auftaktfolge, in der die Ehrgeizige mit harten Bandagen gegen die Abgeklärte kämpfte, fehlt diesmal.

Nicht zu wissen, was man in das wohl wichtigste Schaufenster der Schweiz zum großen Nachbarn hineinlegen soll, kann verwundern, aber verpackt wurde dieses Luftschokoladennichts in fast schon augenzwinkernd edel glänzende Stanniol-Bilder. Vom umwerfend schicken Kommissariat und der auftrumpfenden Chevalier-Immobilie können wir uns in schmucken Wohnräumen oder dem Kerzenschein-Restaurant von Isabelles Beau Milan (Igor Kovac) erholen, und nichts davon nervt. So wird ein Hannoveraner zum eigentlichen Star dieser „Tatort“-Folge, Martin Langer, dessen Kamera ein durchdesigntes, aber behagliches und zugängliches Zürich entwirft: ein unbezahlbares visuelles Argument dafür, dass sich großes Geld und guter Geschmack gar nicht zwingend antithetisch zueinander verhalten. Aber dafür brauchte es offenbar einen Deutschen.

Der Tatort: Schoggiläbe läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

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