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#Das Leid wird weg organisiert

„Das Leid wird weg organisiert“

Moskau leuchtet, immer noch. Man fährt über breite, für Panzer und Paraden gebaute Straßen, bis zu 80 Stundenkilometer sind erlaubt, die Überwachungskameras tolerieren mehr. Dazu kann man Elektropop aus aller Welt oder amerikanischen Rap auf nachrichtenfreien Radiosendern mit englischen Namen hören, genau wie vor dem Krieg. Die Fahrt geht vorbei an Bildern von Soldaten, „Helden“ genannt. Sie blicken von Tafeln, auf denen früher Waschmaschinen beworben wurden, glatt rasiert, sauber und unversehrt. Wie und wo sie den „Ruhm“ errungen haben, den die Plakate verheißen, bleibt unklar. Neuerdings ist auf den Werbetafeln schon auf grellrotem Grund von „Sieg“ die Rede, als wäre alles vorbei.

Zerstörung, Elend und Tod des Krieges kann man weiter ausblenden. Selbst seine vor knapp einem Jahr aufgetauchten Symbole sind selten geworden. Die Leuchtbuchstaben „Z“, „V“ und „O“ standen einige Monate vor dem Säulentor zum Moskauer Gorki-Park. Mancher Besucher fotografierte sich mit ihnen. Die meisten zogen achtlos daran vorbei auf dem Weg zu Spielplätzen und Schlittschuhlaufen. Gerade sind die Buchstaben wieder weggeräumt worden.

Japanische Austern schlürfen in Moskau

Das „Z“ prangt an kaum einem Fahrzeug und nur von wenigen, staatlichen Gebäuden. Am spektakulärsten strahlt es von einem Bürohochhaus an der Strecke, auf der Präsident Wladimir Putin aus seiner Residenz westlich der Stadt zum Kreml rast. Dort wird nachts in einigen Räumen das Licht angelassen, sodass sich der Buchstabe ergibt. Aber nur am Wochenende. Unter der Woche bleiben die Lampen aus.

Auf Moskaus schicksten Märkten kann man weiter Austern aus Frankreich, Japan, Namibia, Marokko schlürfen. In Einkaufszentren sind manche westliche Marken und Ketten verschwunden. „Aus technischen Gründen geschlossen“ steht an Türen, als wäre nur eben der Strom ausgefallen. Andere blieben. Wieder andere haben russische Nachfolger. Aus Dr. Oetker ist gerade „Dr. Baker’s“ geworden, wer Backpulver kauft, muss genau hinsehen, um die Änderung auf den Päckchen zu bemerken. Die Nachfolger von McDonald’s, „Wkusno – i totschka“ (Lecker und Punkt), und Starbucks, „Stars Coffee“, sind gut besucht. Turnschuhe westlicher Marken und iPhones sind teurer geworden, gelangen auf Umwegen ins Land. Auch wenn jetzt noch weniger Russen sie kaufen können als früher, trägt die Präsenz der Sehnsuchtswaren zum Eindruck der Normalität bei.

Auf den lassen sich viele bereitwillig ein. Frohlocken, wenn Autos aus Asien jetzt wieder günstiger zu haben sind als noch im vergangenen Herbst. Vergessen, dass noch vor zwei Jahren ein Westneuwagen für weniger zu haben war. Wenn man am großen Ganzen – dem Krieg, politischen Entscheidungen überhaupt – nichts ändern kann, erbaut man sich besser an dem, was man trotz allem noch hat oder haben könnte. Die diebische Freude über „Parallelimporte“ über Drittländer und über Wirtschaftsdaten, die dann doch nicht so schlecht ausfallen wie gedacht, wird auch vom Staat verbreitet.

Man kriegt uns nicht klein, ist die Botschaft. „Ich bin Russe, der ganzen Welt zum Trotz“, singt „Shaman“, ein junger Mann mit hellblondem Haar, das er bis vor Kurzem in Dreadlocks trug. „Ich bin Russe, ich gehe bis zum Ende.“ Im Krieg ist „Shaman“ eine der wichtigsten Stimmen des Pop-Zweigs der Propaganda geworden. Gerade trat er vor Putins Soldaten in den besetzten ukrainischen Gebieten auf. Die Maskierten in Flecktarn vor einer Holzhütte starrten den Sänger an, als käme er aus einer anderen Welt; allein die wulstigen „Defender“-Schuhe von Balenciaga an seinen Füßen kosten mehr als 1000 Euro. Zum Dank für den Auftritt schossen die Soldaten in die Luft.

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