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#Das Modehauses Heilingbrunner in Cham schließt

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Das Modehauses Heilingbrunner in Cham schließt

Ein Gehäuse wie dieses kann ein Gefängnis sein. Mit dicken Mauern und dunklen Gewölben, in denen man als Kind Gespenster und Monster vermutet, mit Dutzenden von Zimmern aus vielen Epochen, mit knarrenden Dielenböden, Linoleum und Teppichböden, verstaubten Speichern, mit Hintertreppen und versteckten Nischen, mit vornehmen Fluren und herrschaftlichen Prunkräumen voller barocker Figuren, und schließlich mit Hunderten Kleiderständern mit Tausenden Hosen, Hemden, Jacken, Kleidern, Blusen, Mänteln, zwischen denen man sich verstecken kann.

Ein Haus der Lebenden und der Toten, ein Geisterhaus, bewohnt von vielen Geschichten und befeuert von dem Drang, sich immer wieder zu häuten, sich den Zeiten anzuschmiegen, der Familie und sich selbst gerecht zu werden, Schutz zu bieten und Geld zu erwirtschaften, damit seine Bewohner gedeihen und es am Leben erhalten. Ein Gehäuse wie dieses kann auch eine Symbiose sein. So ein Haus, eigentlich sind es drei, die sich ineinander verstrickt haben, steht in der oberpfälzischen Stadt Cham am Marktplatz.

Cham ist eine alte Handelsstadt, ihr Name wird aufs Keltische zurückgeführt. Der Flussname „Chamb“ verweise auf „kambos“ für „krumm“ oder „gewunden“. Als Handelsplatz liegt Cham auf einer alten Route, die von Nürnberg hinüber ins Böhmische, weiter nach Prag und bis nach Moskau führte. Der Regen, ein dunkler Nebenfluss der Donau, umkurvt die kompakte Altstadt wie eine Parabel. Hier, wie überall sonst in Bayern, kann man sehen, wie gut unsere Vorfahren Städte bauen konnten – schon allein, um sich zu schützen –, und wie schlecht die Gegenwart dieses Handwerk beherrscht. Bei der Anfahrt aus dem Süden über die notorisch von Rasern bevölkerte Bundesstraße 20 empfängt einen der übliche Gewerbesiedlungsbrei, hier noch übermäßig garniert mit im kalten Ostwind flatternden Werbebannern, ein regelrechter Flaggenwald des Konsums, billig und ohne jede Feierlichkeit.

Nach so vielen Jahrzehnten müssen Annemarie und Günter Salzberger die Zeitläufte beklagen.


Nach so vielen Jahrzehnten müssen Annemarie und Günter Salzberger die Zeitläufte beklagen.
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Bild: Hans Mitterer

Schluss, aus, vorbei

Der Marktplatz dagegen zeigt schon ganz gut, was hier alles durcheinandergegangen ist, architektonisch vor allem. Reichlich Leerstand, und manche Geschäfte beklagen die Pandemie mit Plakaten: „Ostbayern sieht schwarz“. Textil Kusch, seit Jahren geschlossen. In der Mitte des Platzes ein Märchen-Brunnen des Bildhauers Joseph Michael Neustifter, der unter anderen den hier geborenen Grafen Nikolaus von Luckner feiert, der es 1791 bis zum Marschall der französischen Armee brachte. Ein ihm zu Ehren komponiertes Kriegslied wurde später zur Marseillaise, weshalb das Glockenspiel im Rathaus von Cham die französische Nationalhymne spielt, jeden Mittag um fünf nach zwölf. Anderes wirkt prosaischer, so hat der Betonklotz, der ein Modeerlebnishaus birgt, eine bunte Luckner- Figur vor dem Eingang postiert, die aussieht, als würde der Marschall gleich vor Langeweile nach hinten umkippen, davor Stadtmobiliar der Neuzeit, Loungemöbel, ein Bücherschrank.

An der Nordseite des Platzes die drei roten Häuser der Familie Heilingbrunner. Hier hängt kein Schwarzseher-Plakat, sondern eine bittere zweiseitige Abrechnung des Hausherrn, welche Auswirkungen Corona auf die heimische Wirtschaft zeitigt. Nicht von ungefähr verwende man heute das Wort „Klamotten“ und meine damit Wegwerfware. Die Politik verstehe nicht, was sie anrichte. Sie trage zur Zerstörung einer lebendigen Innenstadtkultur bei durch Schwächung des Mittelstands. Und als wären die dunklen Schaufenster Ausdruck dieser Gemütslage, bahnt sich hinter den Mauern etwas an, das eigentlich im Schöpfungsplan solcher Dynastien nicht vorgesehen ist: Das Geschäft wird geschlossen, kein „Sale“ mehr, eine Salve – Schluss, aus, vorbei. Geschäftsaufgabe, keine Nachfolger in Sicht.

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