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#Dass die sich das leisten können

„Dass die sich das leisten können“

Zugegeben, ich war nicht gerade amüsiert, als ich am ersten Abend eineinhalb Stunden Geschirr abwaschen musste. Erst mittags war ich angereist, lange um den Silsersee gewandert und gerade noch rechtzeitig zum Abendessen zurückgekommen. Danach hätte ich den Tag am liebsten mit ein, zwei Gläsern Rotwein ausklingen lassen. Stattdessen stapelten sich vor mir um die vierzig Teller mit unappetitlichen Essensresten. In den Schüsseln klebte noch der Käse von den Pizzoccheri, in den Schälchen schwammen unansehnliche Puddingpfützen.

Immerhin leisteten mir zwei andere Gäste beim Abwaschen Gesellschaft: eine etwa sechzigjährige Alleinreisende aus Luzern und ein jugendlicher Familienvater, der mit seiner Frau und zwei Söhnen aus Berlin gekommen war. Ganz unterschiedliche Menschen. Doch beide Stammgäste des Salecina, die viel von ihren Aufenthalten erzählen konnten. Was treibt sie dazu, ihren Urlaub in einem selbstverwalteten Ferien- und Bildungszentrum zu verbringen, wo man sich das Zimmer mit drei oder elf mitunter völlig fremden Menschen teilen und beim Kochen, Abwaschen oder Putzen helfen muss?

Zum einen lockt viele der Preis. In einer der schönsten Landschaften der Schweiz nahe Sils Maria kann man schon ab vierzig Franken pro Nacht wohnen und essen. Je nach Geldbeutel und Selbsteinschätzung zahlen die Gäste vierzig, 55 oder 66 Franken, Kinder und junge Erwachsene noch weniger. Einmal im Jahr dürfen sogar die, die ganz wenig haben, für nur zweihundert Franken eine Woche bleiben. Einschließlich Halbpension. So kommen weniger Betuchte in den Genuss derselben Bergwelt, für die andere im benachbarten, noblen Waldhaus mehr als das Zwanzigfache bezahlen. „Aber es kommen durchaus auch Gutverdiener zu uns. Sonst würde sich das Projekt nicht tragen“, erklärt Silvie Kiefer, die im Leitungsteam von Salecina arbeitet.

Ein 300 Jahre alter Bauernhof

Rund um den alten Bergbauernhof am Maloja-Pass auf 1800 Meter Höhe gibt es nichts als Almwiesen. Keine Straßen, so gut wie keine Autos, dafür umso mehr Kühe. An meinem ersten Abend tollen draußen jede Menge Kinder am Lagerfeuer, die kaum ins Bett zu bekommen sind. Die Erwachsenen können sich währenddessen am nächtlichen Himmel sattsehen. „Das Haus mit den meisten Sternen zwischen Bergell und Engadin“, lautet ja der Slogan des Salecina. Und die gibt es hier tatsächlich im Überfluss. Sie stehen nicht für Luxus, sondern für eine unvergleichliche Bergwelt mit Gipfeln wie dem 2600 Meter hohen Piz Salecina ohne irgendwelche Lichtverschmutzung ringsum.

Salecina: Rund um den alten Bergbauernhof am Maloja-Pass auf 1800 Meter Höhe gibt es nichts als Almwiesen.


Salecina: Rund um den alten Bergbauernhof am Maloja-Pass auf 1800 Meter Höhe gibt es nichts als Almwiesen.
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Bild: Ulrike Wiebrecht

Mittendrin der Bauernhof, der wie aus der Zeit gefallen scheint. Das Haupthaus mit Essräumen, Küchen, Speisekammer, Büro, einer beachtlichen Bibliothek, Spielzimmer und einem kleinen Laden hat bereits über 300 Jahre hinter sich. Die Schlafräume befinden sich im benachbarten ehemaligen Stall, der „nur“ 270 Jahre alt ist. Man könnte sich wie im 18. Jahrhundert fühlen, würden nicht hier und da ein paar Aufkleber für „Black lives matter“ oder „Refugees welcome“ plädieren.

Bis 1970 wurde das Gehöft noch bewirtschaftet, dann gab der letzte Pächter auf. Damit schlug die Stunde für Amalie und Theo Pinkus, ein Schweizer Ehepaar, das damals auf der Suche nach einem geeigneten Objekt war und das Anwesen mithilfe von Spenden – das Wort Crowdfunding benutzten sie noch nicht – kaufte, um seine Vision von einem selbstverwalteten Ferienzentrum zu verwirklichen. Geprägt vom Geist der 68er-Bewegung, wollten sie ein Haus gründen, das allen offensteht, vor allem aber politisch Interessierten aus linken Bewegungen. Hier sollten sie sich über neue Ideen austauschen und andere Formen des Zusammenlebens erproben können. Ideologisch nicht klar eingegrenzt, aber immer getragen von einer humanistischen Grundhaltung.

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