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Der Europäer

Henrik Enderlein besaß schon als junger Mann den Ruf eines Überfliegers. Und dies völlig zu Recht: Nach einem mit Bravour absolvierten Abitur ging Enderlein an das berühmte Pariser Institut Sciences Po, an dem er als einer der Jahrgangsbesten Wirtschafts- und Politikwissenschaften studierte. Er studierte zusätzlich an der renommierten New Yorker Columbia-Universität. Danach arbeitete er am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und als Professor an der Freien Universität in Berlin. Danach wechselte er zur ebenfalls in Berlin ansässigen Hertie School of Governance, die Führungskräfte ausbildet, die an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft arbeiten. Von 2018 bis 2021 war er Präsident der Hertie School.

Hendrik Enderlein war aber vor allem ein Europäer – und zwar ein Europäer, der ein unverbrüchliches Band zwischen Deutschland und Frankreich für unabdingbar hielt und im Euro ein Projekt sah, das die Integration Europas weit über die monetäre Sphäre hinaus vorantreiben sollte. Ein unkritischer Befürworter war er allerdings nie.

Exzellenter Kenner Frankreichs und unermüdlicher Brückenbauer

Im Frühjahr 2016 forderte Enderlein in einem Artikel in der F.A.Z „eine Generalüberholung für den Euro“. Mit unerbittlicher Härte diagnostizierte er: „Gerade die Befürworter eines stärkeren Europas sollten nicht den Fehler machen, die Schwächen der Währungsunion permanent zu beschönigen. Das Projekt Währungsunion hat nicht den Erfolg gebracht, den es versprochen hatte. Und es ist inhärent instabil.“

Aus dieser Analyse wäre nun allerdings nicht zu folgern, Enderlein hätte sich an der Seite harter deutscher Euro-Kritiker befunden, die sich ein Ende der Gemeinschaftswährung wünschten. Im Gegenteil: Deren Analyse betrachtete er wegen der von ihm gefürchteten gewaltigen politischen und wirtschaftlichen Folgekosten gerade aus deutscher Sicht als geradezu unverantwortlich. 

Enderlein wollte in die entgegengesetzte Richtung mit einer Vertiefung des Binnenmarkts und der Schaffung einer Politischen Union, die diesen Namen verdiente und die nationalen Souveränitätsverzicht einschloss. Kühn dachte er an eine gemeinsame Kammer von nationalen und europäischen Parlamenten, die einen Europäischen Währungsfonds kontrollierte und an einen demokratisch legitimierten Europäischen Finanzminister, der ein Veto über nationale Haushalte besitzt. Enderlein ging es um die Teilung von Souveränität und von Risiken in bestimmten Politikbereichen in Europa, aber nicht um einen allumfassenden gemeinsamen Superstaat. Für hoch verschuldete Euro-Mitgliedsländer empfahl Enderlein Umschuldungen als eine Option.

Illusionen machte sich Enderlein allerdings nicht. Die Schaffung einer Politischen Union hielt er für wenig wahrscheinlich und als exzellenter Kenner Frankreichs wusste er, dass sich kaum ein europäischen Land so schwer mit dem Gedanken an Souveränitätsteilung anfreunden könnte wie Frankreich. Enderlein, der sich als ein unermüdlicher Brückenbauer verstand, war politisch hervorragend vernetzt; er beriet Emmanuel Macron ebenso wie in Deutschland sozialdemokratische Kanzlerkandidaten. Vor wenigen Monaten machte Enderlein eine Krebserkrankung öffentlich, die ihn zum Rückzug von der Präsidentschaft der Hertie School zwang. Am 28. Mai ist Henrik Enderlein im Alter von nur 46 Jahren verstorben.

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