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#Der Genetik des Korallensterbens auf der Spur

Der Genetik des Korallensterbens auf der Spur

Die Riffe der Erde drohen zu verschwinden – das Gespenst der Korallenbleiche geht um. Warum die Korallen bei zu hohen Temperaturen ihre symbiotischen Algen-Partner verlieren und absterben, beleuchten nun zwei genetische Studien. Die eine legt nahe, dass die Aktivität von Symbiose-unterstützenden Erbanlagen durch Hitzestress gestört wird. Bei der anderen konnten die Forscher durch den Einsatz der Genschere Crispr/Cas ein mögliches Schutz-Gen gegen den Temperaturstress aufzeigen. Die Einblicke könnten Ansätze zum Korallenschutz bieten, sagen die Forscher.

Sie sind nicht nur faszinierend schön, die Korallengärten der Erde bilden auch Schlüsselelemente in den komplexen Lebensgemeinschaften der Ozeane. Damit haben sie eine große Bedeutung für die Stoffkreisläufe und somit auch für uns Menschen. Doch diese kostbaren Lebensräume sind stark bedroht: Ein Korallensterben sucht weltweit die Riffe heim. Das Problem liegt bei den winzigen Baumeistern der Unterwasserwelten: den Korallenpolypen, die für die Bildung der Kalkgerüste verantwortlich sind. Diese Nesseltiere fangen Plankton aus dem Wasser, ihre Ernährung basiert aber zusätzlich auch auf einer engen Partnerschaft: In bestimmten Zellen der Polypen leben einzellige Algen. Sie gewinnen dort aus Sonnenlicht Energie und bauen Kohlenstoffverbindungen auf, von denen sie ihren Wirten einen Großteil abgeben. Im Gegenzug bekommen die Algen von den Polypen Schutz und Nährstoffe, die sie zum Leben brauchen.

Fragile Korallen-Algen-Symbiose

Doch diese Symbiose ist wärmeempfindlich, wie Untersuchungen bereits gezeigt haben: Bei erhöhten Wassertemperaturen verlassen die Algen ihre Korallenpolypen. Dadurch verlieren diese ihre Farbe und sterben schließlich ab. Zu dieser sogenannten Korallenbleiche kommt es durch die steigenden Wassertemperaturen im Zuge der globalen Erwärmung in den Korallenriffen der Welt nun immer häufiger. Deshalb suchen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, dem Problem gegenzusteuern. Dabei ist es wichtig, die genetischen Grundlagen der Symbiose und die Effekte bei der Bleiche zu verstehen, sagen die Experten. Diesem Ziel widmen sich auch die Forscher um Phillip Cleves von der Stanford University. Sie haben nun gleich zwei Studien zu dem Thema veröffentlicht.

Im Rahmen ihrer ersten Untersuchung sind sie der Frage nachgegangen, welche Gene der Korallenpolypen bei den Prozessen eine Rolle spielen, die zur Bleiche führen. Sie verwendeten dazu eine Technik namens RNAseq. Sie kann erfassen, wie intensiv bestimmte Gene in Zellgeweben abgelesen werden. Für ihre Untersuchungen nutzten sie das Modell-Nesseltier Aiptasia. Es handelt sich um eine mit den Korallen verwandte Anemone, die ebenfalls in Symbiose mit Algen lebt. Bei ihren Untersuchungen verglichen die Forscher die Genaktivität von Exemplaren, die sich in einer Symbiose befanden, mit solchen, die keine Algen in sich trugen. Dabei identifizierten sie 337 Gene, deren Expression in den symbiotischen Exemplaren im Vergleich zu den algenfreien deutlich erhöht war. Einige dieser Erbanlagen sind demnach wohl in die Funktion der Symbiose involviert, erklären die Forscher. Anschließend setzten sie dann einige der Nesseltiere einer Wassertemperatur von 34 Grad Celsius aus, die typischerweise zu Bleichreaktion führt, und untersuchten die Veränderungen der Genexpression. Dabei zeigte sich: Mehr als ein Viertel der mutmaßlichen Symbiose-Gene zeigten während der ersten zwölf Stunden der Hitze-Exposition einen starken Rückgang ihrer Aktivität. Den Forscher zufolge ist dies ein Hinweis darauf, dass die hitzeinduzierte Abnahme der Expression von Symbiose-Genen bei dem Verlust der Algen-Partner im Rahmen der Bleiche eine Rolle spielt.

Ein Hitzeschockfaktor im Visier

Die Studie zeigte allerdings auch die Komplexität des Systems auf. Während einige Gene durch den Hitzestress herunterreguliert wurden, war bei anderen das Gegenteil der Fall: Innerhalb der ersten drei Stunden nach der Temperaturerhöhung zeigten 524 Erbanlagen eine mehr als vierfache Erhöhung der normalen Aktivitätswerte. Die Forscher fanden Hinweise darauf, dass in diese Reaktion zwei sogenannte Transkriptionsfaktoren involviert sind, die die Aktivitäten vieler Gene regulieren. Einer davon ist interessanterweise als ein Hitzeschockfaktor bekannt. Somit lag der Verdacht nahe, dass HSF1 für die Mobilisierung von schützenden Genprozessen in den Nesseltieren verantwortlich ist. Möglicherweise spielt HSF1 somit auch eine Rolle bei der Toleranz der Korallenpolypen gegenüber Temperaturerhöhungen.

Um dieser möglichen Funktion nachzugehen, wendeten die Forscher in ihrer zweiten Studie die Genombearbeitungstechnologie Crispr/Cas an. Diese kürzlich mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Methode ermöglicht es, wie mit einer Art Schere gezielt bestimmte Gene zu verändern. „Wir haben ein Crispr/Cas-Verfahren entwickelt, mit dem wir zum ersten Mal eine Genfunktion in Korallen testen konnten“, sagt Cleves. Die Wissenschaftler nutzten das System, um das Gen für den Hitzeschockfaktor in Larven der Modell-Koralle Acropora millepora auszuschalten. Sie wollten überprüfen, wie sich dies auf die Hitzetoleranz auswirkt.

Wie Cleves und seine Kollegen berichten, überlebten Korallenlarven mit ausgeschalteten HSF1-Genen problemlos bei einer normalen Wassertemperatur von 27 Grad Celsius. Wurde sie aber auf 34 Grad erhöht, starben sie sehr schnell ab. Im Gegensatz dazu konnten unmodifizierte Larven in dem warmen Wasser deutlich besser überleben, zeigten die Experimente. „Dieses Ergebnis verdeutlicht die mögliche Schlüsselrolle, die HSF1 bei der Bewältigung steigender Temperaturen durch die Korallen spielt“, sagt Cleves. Neben diesem konkreten Ergebnis sehen die Forscher in der erfolgreichen Anwendung des Systems nun aber vor allem ein „Proof-of-Concept“: Es handelt sich um eine Möglichkeit, die Funktionen der verschiedenen Gene auszuloten, die möglicherweise bei der Korallen-Algen-Symbiose sowie der Hitzetoleranz des Systems eine Rolle spielen.

Den Forschern zufolge könnten die auf diese Weise gewonnen Einblicke letztlich dem Schutz der Korallenriffe dienen. Es gibt Projekte, die ausloten, inwieweit sich dem Problem begegnen lässt, indem man Korallen gezielt auf eine erhöhte Hitzeresistenz züchtet oder weniger anfällige Arten identifiziert. Sie könnten dann Riffe bilden, die dem Klimawandel eher gewachsen sind, so die Hoffnung. „Das Verständnis der genetischen Merkmale der Hitzetoleranz von Korallen ist der Schlüssel zum Verständnis nicht nur der natürlichen Reaktion der Korallen auf den Klimawandel, sondern auch der Abwägung von Nutzen, Chancen und Risiken neuartiger Managementinstrumente wie der selektiven Zucht und der Bewegung von Korallen zwischen Riffen“, sagt Co-Autorin Line Bay dazu abschließend.

Quelle: Australian Institute of Marine Science, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2015737117 und 10.1073/pnas.1920779117

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