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#Der Gentleman aus Schanghai

Der Gentleman aus Schanghai

Wer Corona einen Abend lang vergessen möchte, darf heute nicht das Erste einschalten, denn da lässt sich zur besten Sendezeit Eckart von Hirschhausen vakzinieren, bis der Arzt lacht. Dafür vergisst man mit dem Zweiten umso besser. Dort geht es in der Regie von Bruno Grass zwar ebenfalls um einen China-Import, allerdings nur um den zweiterfolgreichsten: Kapital – in kapitalen Mengen. Ein akzentfrei Deutsch sprechender Investor aus Schanghai – von der amtlich hingerissenen Hamburger Stadtpolitik stets nur „der Chinese“ genannt – möchte sich nämlich so etwas wie eine zweite Hafencity gönnen, was auch gleich das visuelle Ablecken der Elbphilharmonie durch Kameramann Tobias Schmidt im Intro des Films erklärt. Unvergessen ist dem Investor Mian Chen (Vu Dinh) allerdings auch der Tod seines Vaters, der besagten Deal drei Jahre zuvor schon hatte abschließen wollen, aber just vor Vertragsunterzeichnung im Hamburger Hafenbecken verschied, absichtslos hineinbefördert – so zumindest protokolliert – von einer drogenberauschten Polizistin am Steuer, was im Nachgang zu Strafversetzungen beim zuständigen Personenschutz-Team geführt hatte. In erster Linie seinem Vater zuliebe möchte der Fremde nun den Vertrag mit Hamburg schließen.

Warum die zarten Blumen, die man dem Senior noch an die Unfallstelle bringt, Vergissmeinnicht heißen – im Chinesischen übrigens exakt übersetzt „Wu wang wo“ – und nicht vielmehr „Vergiss mich nicht“, möchte Mians Tochter (Maya Ai-Nhi Nguyen) wissen. „Mein Schatz, das ist ein Eigenname“, antwortet die Quasi-Stiefmutter Marie (Anna Unterberger), die hier offiziell als Übersetzerin tätig ist. Aber was für eine wohl, wenn sie nicht einmal einen alten deutschen Genitiv erkennt? Als Geliebte freilich erhält sie Bestnoten: „Manchmal vergesse ich, dass sie keine Chinesin ist“, wird der in Sachen Romantik nachhilfsbedürftige Investor der Protagonistin gestehen. Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff), die einzig wahre Actionheldin im deutschen Fernsehen, hat diesmal überhaupt etwas gefühlsbetonter zu spielen, und das bekommt sie äußerst charmant hin. Unzerstörbar bleibt sie selbstverständlich trotzdem.

Auch Kohr gehörte damals zu dem Unglücks-Team, ebenso der Alphabulle Henning Lanz (Sebastian Blomberg), den wir nun – mit allen Insignien eines Auftragskillers ausgestattet – auf einer Schute liegen und aus einem Präzisionsgewehr präzise verfehlte Schüsse auf Mians Kleinfamilie und seine privaten Personenschützer Olaf Stölzer (Max Simonischek) und Alice Thul (Anna Blomeier) abgeben sehen. Der Attentäter entkommt, aber Sarah und Staatsanwalt Mehringer (Herbert Knaup) wissen um seine Identität, sie sind ihm schon länger auf der Spur. Das im Vergleich zu früheren Folgen ausgefuchstere, zugleich erfolgreich die Spannung haltende Buch von Timo Berndt ist kein klassischer Whodunit (auch wenn die Wer-Frage in veränderter Form wiederkehrt), sondern ein Wie-wann-wo-Krimi. Lanz ist noch nicht fertig, das wird bald deutlich. Was er bezweckt, bleibt aber unklar. Der Geschäftsmann wiederum akzeptiert, dass Kohr seinem Wachschutz zugeordnet wird, und Stölzer beginnt augenblicklich mit der Balz. Das schreckt Sarah aber nicht so sehr ab, dass sie aufs Zugreifen verzichtete: „Da war ein Zimmer. Und wir sind erwachsen.“

Als Hintermann von Lanz kommt unter anderem ein Reeder (Michael Hanemann) in Frage, der die Ausbaupläne seit Jahren mit allen Mitteln bekämpft, denn vom äußersten Zipfel seines parkähnlichen Villengartens würde er sonst über die Elbe hinweg auf eine hässliche Baustelle blicken. Das wäre zwar eine ausgesprochen irre Begründung für das Anheuern eines Killers, aber wir wissen ja, wie oft die Irren im Fernsehen die Oberhand behalten. Kohr: „Das ist ein super Mordmotiv.“ Die Sache wird allerdings kompliziert, wobei der einzige Weg natürlich über Lanz führt, was sich zu einem mentalen und physischen Duell zwischen den Ex-Kollegen auswächst. Dass ein Faxgerät zur Geheimwaffe wird, hat seine eigene Komik. Sonderlich glaubhaft ist das alles sicher auch diesmal nicht, zumal bald erahnbar ist, in welche Richtung der Komplott-Hase läuft. Aber im Thriller kommt es schließlich auf clevere Wendungen im Detail und abrupte Figurenumdeutungen an, und da kann der temperamentvoll gespielte Film durchaus punkten.

Vor allem aber hat Grass die Geschichte schön verwinkelt inszeniert, lässt uns vor lauter Ecken die Fluchtlinien kaum sehen, so dass die kriminalistisch schwache Auflösung zu ihrem eigenen Besten in einem temporeichen, intensiven Finale aufgeht: nicht ganz so furios wie Orson Welles’ „Lady from Shanghai“ (eine vage Vorlage, bis in den Vorspann), aber doch annähernd. Bemerkenswert ist zudem, dass in „Schutzbefohlen“ einmal niemand zuletzt lacht; außer dem einen vielleicht, den man fast vergessen hätte, der chronische Schmunzler, der in der ARD noch lange nicht Feierabend hat.

Sarah Kohr – Schutzbefohlen läuft an diesem Montagabend um 20.15 Uhr im ZDF.

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