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#Der König von Bosnien-Hercegovina

„Der König von Bosnien-Hercegovina“

Verzweifelt wirkt Christian Schmidt nicht am Telefon, aber nachdenklich durchaus. Und mitunter auch ratlos. Natürlich dürfe man in der Politik nicht aus Zucker sein. „Aber die persönlichen Angriffe und all das, was hier im politischen Kampf gesagt wird, diese Beleidigungen, sind von einem Ausmaß, das in Berlin auch Karrieren beenden könnte.“

Michael Martens

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

Schmidt ist aber nicht in Berlin, sondern in Sarajevo. Seit August 2021 hat der CSU-Politiker das wohl seltsamste politische Amt inne, das man in Europa haben kann. Angela Merkels ehemaliger Landwirtschaftsminister ist „Hoher Repräsentant der Staatengemeinschaft in Bosnien-Hercegovina“ und damit zumindest auf dem Papier der mit Abstand mächtigste Mann des Landes.

Seine Vollmachten scheinen aus dem Werkzeugkasten einer Autokratie zu stammen: Schmidt kann Beamte und demokratisch gewählte Politiker entlassen, er kann Gesetze dekretieren oder per Federstrich für ungültig erklären – und keine einheimische Institution kann ihn daran hindern. Theoretisch könnte er per Dekret auch die Karriere eines unbescholtenen Amtsträgers beenden, ohne dass der Betroffene sich vor einem einheimischen Gericht dagegen wehren könnte, denn die Vollmachten des Hohen Repräsentanten sind der inländischen Rechtsprechung entzogen.

Fälle, in denen Unschuldige aufgrund falscher Anschuldigungen entlassen wurden, hat es unter Schmidts Vorgängern tatsächlich gegeben. Die quasidiktatorischen Vollmachten, die dem Hohen Repräsentanten einige Jahre nach dem Ende des Krieges 1995 von Bosniens vornehmlich westlichen Schutzmächten verliehen wurden, hatten anfangs ihre Berechtigung.

Damals trieben noch die Warlords des vergangenen Krieges in dem verwüsteten Land ihr Unwesen. Die später zu lebenslanger Haft verurteilten bosnisch-serbischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić und Ratko Mladić liefen frei herum. Vertriebene, die in ihre Vorkriegsheimat zurückkehren wollten, wurden von Nationalisten gewaltsam daran gehindert, einige sogar ermordet.

Beschimpft als Nazi, Gauleiter oder Gestapo-Polizist

Doch all das liegt mehr als ein Vierteljahrhundert zurück. Seit mehr als zwei Jahrzehnten hat es in Bosnien keine gewaltsamen ethnischen Zusammenstöße mehr gegeben. Die brachialen Vollmachten des Hohen Repräsentanten passen längst nicht mehr zu dem Land, dem sie gelten. Trotzdem wird so getan, als beginne in Sarajevo noch immer jeder Tag mit einer Schusswunde. Der Hohe Repräsentant ist weiterhin mit Befugnissen ausgerüstet, als sei Bosnien eine karibische Zuckerrohrplantage um die vorvorige Jahrhundertwende.

Ein derart mächtiger Mann müsse vor Selbstbewusstsein nur so strotzen, sollte man meinen. Aber Schmidt strotzt nicht. „Das Ausmaß an politischen Beleidigungen, das man hier ertragen muss, habe ich so in meiner dreißigjährigen Karriere als Politiker nicht erlebt, weder in Bonn noch in Berlin“, wiederholt der Politiker. Dieser Satz liest sich larmoyant, wenn man ihn hinschreibt, aber im Gespräch wirkt er nicht so, denn Schmidt trägt ihn im trockenen Ton einer Feststellung vor, als verläse er einen Wetterbericht oder Fußballergebnisse.

Mit den Beleidigungen meint er auch nicht das „Magazin Royale“ im ZDF, das den CSU-Politiker unlängst verspottet hatte. Die Masche der Sendung beruhte auf gezielten Auslassungen und tendenziös zurechtgebogener Recherche, bewegte sich dabei aber dennoch stets in den Grenzen, die bei den Öffentlich-Rechtlichen auch für Satireshows gelten. Verglichen mit dem, was Schmidt in Bosnien zu hören bekommt, war die Sendung harmlos.

In Bosnien wurde Schmidt als Nazi, Gauleiter oder Gestapo-Polizist beschimpft, Parallelen seiner Amtsführung zum Holocaust wurden gezogen. Anlass für den Furor waren Änderungen des Wahlgesetzes, die der Deutsche im vergangenen Jahr dekretiert hatte. Diese Änderungen sind tatsächlich umstritten. Sie deshalb auf eine Stufe mit der NS-Herrschaft und der Schoa zu stellen diskreditiert allerdings nicht Schmidt, sondern allein diejenigen, die solche Vergleiche anstellen.

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