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#Der lange Marsch ins Licht

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Der lange Marsch ins Licht

Ein „Bravo!“ geht Simon Rattle von den Lippen; seine Züge sind dankbar und gelöst. So gelöst, wie sie es am Ende seiner Amtszeit als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker nur noch selten waren. Damals hatte man immer wieder Anspannung und Verhärtung zu sehen und deshalb auch zu hören bekommen. Hier und jetzt aber schlägt künstlerisches Gelingen um ins Glück der Künstler, in diesem Fall der Bläser und Schlagwerker des Symphonie-Orchesters des Bayerischen Rundfunks im Münchner Gasteig – ein Glück aber, das in dem Wissen gründet, dass die Kunst größer sei als sie selbst und dass dieser Kunst gerecht zu werden Anstrengung, gar Unterwerfung bedeutet. In der gerade verklungenen Musik hat dieses Zusammenspiel von persönlicher Seligkeit und einer Größe, welche die eigene Person übersteigt, noch eine weitere Dimension, die auch die Kunst hinter sich lässt.

Jan Brachmann

Es ist der Schluss aus Olivier Messiaens monumentaler Meditation über einen Satz des christlichen Glaubensbekenntnisses: „Et expecto resurrectionem mortuorum“ – „Ich erwarte die Auferstehung der Toten.“ Frankreichs Kulturminister André Malraux hatte das Stück 1964 bei Messiaen in Auftrag gegeben zum Gedenken der ganzen Nation an die Toten der beiden Weltkriege. Dass es nun in München erklingt, einen Tag nachdem der deutsche Bundespräsident der bislang siebzigtausend Menschen gedachte, die in unserem Land einer tödlichen Seuche zum Opfer gefallen sind, ist eine seltsame Fügung.

Messiaen stellt diesem Schlusssatz einen Vers aus der Offenbarung des Johannes voran: „Und ich hörte etwas wie eine Stimme einer großen Schar.“ Die Musik schreitet unter Glockenschlägen wie eine langsame Prozession voran. Sie ist streng und mitreißend zugleich, weil Rattle und die Musiker genau diesen Prozess eines hörend-gehorsamen Eingehens des Einzelnen in eine große Bewegung gestalten. Die Bläserstimmen formen sich eben nicht zu einem Unisono, sondern zu einem heterophonen Strom in irisierender Halo-Harmonik, der trotzdem als die eine Stimme der großen Menge erscheint. Die Voraussicht, mit der Rattle und die Orchestermusiker in diese Prozession eintreten, erlaubt ihnen ein Riesen-Crescendo auf einem langen Marsch ins Licht.

Schwung des Aufbruchs in München

Das hat es noch nicht gegeben in der fünfundsiebzigjährigen Geschichte der Musica Viva München: Nur zwei Monate nach Unterzeichnung seines Vertrages kommt der designierte Chefdirigent des Symphonie-Orchesters des Bayerischen Rundfunks zu seinem künftigen Klangkörper und leitet gleich zwei Konzerte in dieser Reihe, die der Musik der Gegenwart gewidmet ist. Beide wurden an einem Abend auf www.br-musica-viva.de ausgestrahlt und sind dort weiterhin als Video on Demand verfügbar. Rattle, der schon 2019 mit der „Harmonielehre“ von John Adams bei der Musica Viva debütierte, erklärt damit demonstrativ die neue Musik zur Chefsache, nachdem seine Amtsvorgänger sich ihr zwar nie gänzlich verweigert, aber doch große Zurückhaltung an den Tag gelegt hatten. Da ist etwas vom Schwung eines Aufbruchs in München zu spüren.

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