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#Der Staat muss seine Arbeit machen

„Der Staat muss seine Arbeit machen“

Die Zentrale Mordinspektion in Berlin konnte im Jahr 1931 knapp 95 Prozent aller Tötungsdelikte aufklären. Auch für heutige Verhältnisse ein sensationeller Wert. Das war vor allem das Werk eines Beamten. Kriminalrat Ernst Gennat setzte international Maßstäbe durch Mordkommissionen, Spurensicherung, neue Techniken, humane Verhörmethoden.

Weltberühmt war nicht zuletzt seine „Zentralkartei für Mordsachen“, eine über Jahrzehnte aufgebaute systematische Sammlung mit Informationen auch aus anderen Teilen des Landes, die noch Jahrzehnte später ihresgleichen suchte.

Viel weiter sind wir auch im Zeitalter der Digitalisierung nicht. Denn auch die ist ja erst einmal nur ein Mittel, Daten zu erfassen und zu verarbeiten. Die Daten sind da. Die Frage ist, wer sie hat und inwiefern sie weitergegeben werden (dürfen).

Unwissen über Untaten

Eine bedeutsame Information war, dass der spätere Messermörder von Brokstedt sich in Untersuchungshaft mit dem Attentäter vom Breitscheidplatz verglichen hatte. Das wurde auch protokolliert. Als dem späteren Attentäter der Schutzstatus entzogen werden sollte, scheiterte die vorgeschriebene Anhörung daran, dass der Betroffene nicht erreichbar war.

Er saß nämlich wegen eines anderen Vorwurfs in Untersuchungshaft. Er war also in staatlichem Gewahrsam. Der Staat hatte alle Informationen. Er nutzte sie aber nicht.

„Das kann nicht sein“, hat Bundesjustizminister Marco Buschmann mit Recht kritisiert. „Gerade jemandem, der sich mit seiner Gefährlichkeit regelrecht brüstet, darf eine Untersuchungshaft nicht zum Vorteil gereichen. Das ist absurd.“ Jetzt gilt es, den Informationsfluss zwischen Ausländerbehörden und Strafverfolgung zu verbessern.

Man fragt sich, warum das nicht längst geschehen ist – in einem Land, in dem nicht nur Hunderttausende ausreisepflichtig sind, sondern in dem seit Jahren ein Krontollverlust nicht zuletzt mit Blick auf Migranten und Straftäter beklagt wird.

Dass Daten nicht von jedem genutzt und auch nicht beliebig weitergegeben werden können, ist klar. Jeder hat grundsätzlich das Recht, über seine Daten, insbesondere höchstpersönliche Informationen, selbst zu verfügen. Er muss einer Weitergabe zustimmen.

Das ist etwa bei einer Patientenkarte im Blick zu behalten, auf der sämtliche Gesundheitsdaten gespeichert wären. Ja, das kann Leben retten. Klar ist aber auch, dass Datenschutz und Datensicherheit hier besonders wichtig sind.

Klar ist zudem, dass nicht jede Behörde, nicht jeder Beamte alles wissen muss und auch nicht alles darf. Wenn aber Daten rechtsstaatlich abgesichert schon beim Staat liegen, muss dieser sie zum Wohle aller auch nutzen können. Im Fall von Gefährdern ist das übergeordnete Interesse mit Händen zu greifen. Der Bürger darf nicht dafür bestraft werden, dass der Staat seine Arbeit nicht macht.

Das gilt auch für die Grundsteuer. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verwendung der alten Einheitswerte für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Dem Gesetzgeber war aufgegeben worden, bis zum Ende des Jahres 2019 eine Neuregelung zu treffen. Nun verlangt er von seinen Bürgern, Daten zusammenzusuchen, über die er selbst verfügt. Die mehrfache Verlängerung der Frist ist dabei nicht auf Revoluzzertum zurückzuführen, sondern auch der Art des Staatshandelns und der Komplexität geschuldet.

Was alles beim Staat liegt

Der Bürger soll letztlich unter Androhung von Sanktionen die Gewähr für die Richtigkeit von Angaben übernehmen, die alle beim Staat liegen. Die umfangreich versandten Hilfsblätter und die eigens eingerichteten Telefon-Hotlines sind, obwohl es gar nicht um übermäßig viele Informationen geht, ein Hinweis auf ein weiteres Grundproblem: Der Staat kann sich nicht mehr verständlich machen. Die Bürger können oft ohne professionelle und teure Hilfe ihre Rechte und Pflichten nicht mehr verstehen. Und selbst solche Unterstützung schließt eine Haftung des Bürgers nicht aus.

Gerade der Umgang mit Informationen zeigt, wie das Gemeinwesen im Begriff ist, sich zu verselbständigen. Es hebt ab. Spätestens wenn daraus aber nicht nur bürokratischer Ärger, sondern auch Gefahren erwachsen, ist es Zeit zum Umsteuern. Jeder, auch jeder Migrant, hat einen Anspruch auf rechtsstaatliche Garantien, auf ein faires Verfahren – aber nirgends steht, dass das eine Dekade dauern muss und sich die Behörden gegenseitig im Wege stehen.

Fehlt hier die politische Kraft? Die „Zentralkartei für Mordsachen“ wurde seinerzeit von einem leitenden Kriminalbeamten eingeführt. Der schon zu Lebzeiten legendäre Ernst Gennat diente der Sache unter drei politischen Systemen, ohne sich anzubiedern. Als er 1939 starb, gaben ihm Tausende Kollegen das letzte Geleit.

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