Nachrichten

#Der Streit ums letzte Wort

Inhaltsverzeichnis

Der Streit ums letzte Wort

War die Kuh nicht schon vom Eis? So schien es, als das Bundesverfassungsgericht Ende April den Antrag auf Vollstreckung seines Urteils zur Europäischen Zentralbank (EZB) ablehnte. Karlsruhe akzeptierte die Auffassung von Bundestag und Bundesregierung, wonach die EZB ein Anleihekaufprogramm im Nachhinein ausreichend gerechtfertigt habe, das die Richter im Mai 2020 noch für unzureichend begründet gehalten hatten. Das war zwar keine Kehrtwende. Die Voraussetzungen einer Vollstreckungsanordnung waren schlicht nicht erfüllt. Doch erst einmal konnte sich die Bundesregierung zurücklehnen.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Damit ist es jetzt vorbei. Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, das mit den üblichen Verfahren wenig zu tun hat. Es geht darin ums Ganze, um die grundsätzlichste Frage überhaupt: Wer hat das letzte Wort, wenn es um europäisches Recht geht?

Diese Frage hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem EZB-Urteil selbst aufgeworfen. Es stellte damit nicht nur die Kompetenz der EZB in Frage, sondern auch die des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Richter in Luxemburg hatten das Anleihekaufprogramm der EZB für rechtmäßig erklärt, nachdem sie von Karlsruhe eingeschaltet worden waren. Doch hielt der Zweite Senat die Begründung der Kollegen für „objektiv willkürlich“ und „schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar“. Es war das erste Mal, dass Karlsruhe eine Rechtsfigur zur Anwendung brachte, die es über Jahre hinweg entwickelt hatte: die „Ultra Vires“-Kontrolle. Sie greift aus Sicht des Verfassungsgerichts, wenn eine europäische Institution, der EuGH eingeschlossen, die Ermächtigungen überschreitet, die ihr von den Mitgliedstaaten übertragen wurde.

F.A.Z. Machtfrage – Der Newsletter zur Bundestagswahl

jeden Dienstag

ANMELDEN

Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin, hatte das umgehend zurückgewiesen. Nur wenige Tage nach dem EZB-Urteil erklärte sie apodiktisch: „Das letzte Wort über EU-Recht wird immer in Luxemburg gesprochen. Nirgendwo sonst.“ Das ist natürlich auch die Auffassung des EuGH, der sich – ungewöhnlich genug – ebenfalls zu Wort meldete: „Um die einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu wahren, ist nur der zu diesem Zweck von den Mitgliedstaaten geschaffene EuGH befugt, festzustellen, dass eine Handlung eines Unionsorgans gegen Unionsrecht verstößt.“

Warum verging ein ganzes Jahr?

Warum aber ließ die Kommission ein Jahr verstreichen, bevor sie nun zur Tat schritt? Eine Sprecherin erklärte das am Mittwoch so: Man versuche immer erst, Streitfälle im Dialog zu schlichten. Erst wenn das nicht gelinge, werde ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet. Aus von der Leyens Umgebung hieß es ergänzend, man habe im vergangenen Jahr „auf allen Ebenen“ das Gespräch gesucht, mit der Bundesregierung und mit dem Verfassungsgericht. Sogar die für Rechtsstaatlichkeit verantwortliche Vizepräsidentin der Kommission, Vera Jourova, diskutierte im Juli mit dem Verfassungsrichter Peter Müller über den Fall, auf einem öffentlichen Podium in Karlsruhe. Doch hätten alle Kontakte keine Lösung gebracht.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!