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#Müssen es die Malediven sein?

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Müssen es die Malediven sein?

Endlich Ferien! Der erleichterte Ruf wird in diesem Jahr nicht so laut zu hören sein wie sonst. Trotz aller Lockerungen nach dem Corona-Lockdown will sich ein Gefühl der Erleichterung nicht so recht einstellen. Im vergangenen Jahr hatte man schon einmal gehofft, dass mit dem Sommer die Pandemie vorüber sei. Dabei ging es danach erst richtig los. Daher muss man heute eher ein Fragezeichen als ein Ausrufezeichen setzen: Ferien?

In einigen norddeutschen Bundesländern ist es schon so weit. Alle anderen können es kaum erwarten. Die Sehnsucht nach der Ferne kann man niemandem verdenken, der neun Monate vor allem in den eigenen vier Wänden verbracht hat. Reiseveranstalter, Hoteliers, Gastwirte verzeichnen nach der schwierigen Zeit viele Buchungen. Begehrt sind natürlich die klassischen Reiseziele am Mittelmeer: Spanien, Griechenland und die Türkei. Denn die Impfquoten steigen überall, der digitale Impfnachweis ermöglicht Mobilität, die meisten Reisebeschränkungen in Europa gelten nicht mehr, Quarantänepflichten klingen wie ein Wort von gestern.

Und dennoch: In diesem Jahr wird wegen der Verunsicherung durch das Virus und die ansteckendere Delta-Variante zurückhaltend geplant. Zwar geben die Deutschen nach ersten Schätzungen mehr Geld für Hotels und fürs Essen aus als noch 2019. Aber das Krisenjahr hat zur Reserviertheit erzogen. Urlaub in Deutschland wird beliebter. An den Küsten von Nord- und Ostsee, in den Mittelgebirgen und in den Alpen ist es schon jetzt nicht mehr leicht, Hotelzimmer für die Ferien zu finden. Zwischen Flensburg und Garmisch fühlt man sich womöglich sicherer als anderswo. Wenn es böse Überraschungen gibt, an die man inzwischen so sehr gewöhnt ist, dass sie fast keine Überraschungen mehr sind, ist man immerhin in Deutschland und schnell wieder zu Hause. Die Menschen haben einen gesteigerten Sinn dafür, dass das Leben und das Reisen krisenanfällig geworden sind. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass sich viele Urlauber lieber kurzfristig entscheiden.

Ferien brauchten schon die alten Römer. Feriae waren Festtage. Auch die Ferienzeiten heutiger Schüler lehnen sich an Hochfeste wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten an. Sommerferien sind also ebenfalls so etwas wie Feiertage. Das Recht auf freie Tage ist seit einem halben Jahrtausend verbürgt. Im Jahr 1521 wurden in der Reichsordnung des Heiligen Römischen Reichs erstmals „geschäftsfreie Tage“ aufgeführt. Das 19. Jahrhundert erfand die Ferien zur Erholung, zunächst nur für die Wohlhabenden. 1963 hielt schließlich das Bundesurlaubsgesetz unmissverständlich fest: „Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.“ Durch das Wirtschaftswunder wurden in der Nachkriegszeit Ferienreisen zur Selbstverständlichkeit, ja zu einer Art Naturrecht. Die Entgrenzung der Wohlstandsgesellschaft seit den fünfziger Jahren kann man wörtlich verstehen: Man reiste ins Ausland.

Warum in die Ferne schweifen?

Als das Reisen wegen der Pandemie eingeschränkt wurde, glaubten manche, mit den Verboten werde gegen Menschenrechte verstoßen. Das zeigt, wie eng verwoben die Idee der Freiheit mit der Vorstellung grenzenloser Reisefreiheit ist. Dabei stammt das Wort Urlaub („urloup“) von „Erlaubnis“. Einfach so durfte man jedenfalls im Mittelalter nicht abziehen.

Die Deutschen haben dank Corona nun die Gelegenheit, einen Schritt zurück zu tun. Müssen es die Malediven sein? Warum in die Ferne schweifen? Es gibt Millionen Beispiele dafür, dass man zur Erholung nicht weit reisen muss. Theodor W. Adorno im Odenwald, die Aldi-Brüder im Sauerland, Angela Merkel in der Uckermark, Wolfgang Joop in Bornstedt: Sie alle waren dankbar für prägende Kindheitsferien in der deutschen Provinz. Was hätten sie auf Ibiza gewollt?

In Zeiten aufkommender Reisescham stellt sich die Frage nach den Ferien neu. Der Klimawandel bringt Einschränkungen mit sich. Schon die aktuellen Proteste auf Mallorca und in Venedig gegen die Kreuzfahrtschiffe, die nun wieder das Meer, die Luft und die Sicht trüben, sind ein Weckruf. Wann, wenn nicht jetzt, sollten die Reiseweltmeister aus Deutschland innehalten und über ihren ganz persönlichen „overtourism“ nachdenken?

„Wir wollen 2045 treibhausgasneutral wohnen, wir wollen treibhausgasneutral wirtschaften und mobil sein“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in der Debatte zum verschärften Klimaschutzgesetz, das der Bundestag am Donnerstag beschloss. „Wir müssen unsere Lebensweise und unseren Konsum neu definieren“, forderte der Weltklimarat diese Woche. Daraus folgt eine Feriengestaltung des Verzichts, auch wenn das nicht einmal die Grünen vor der Bundestagswahl zugeben wollen.

Ja, nach Homeoffice und Homeschooling sind Ferien angesagt. Und gut, dass die Stimmung in Deutschland nicht mehr so „mütend“ ist wie noch im Frühjahr. Aber wo und wie wir unsere Ferien verbringen, das müssen wir uns neu überlegen. Denn die Pandemie war nur ein Probelauf für die Einschränkungen, die noch kommen werden.

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