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#Der Zeitkristall schwingt im Quantencomputer

Der Zeitkristall schwingt im Quantencomputer

Trotz aller Fortschritte sind die existierenden Quantencomputer für praktische Anwendungen in der Regel noch nicht zu gebrauchen. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Rechenoperationen noch nicht ausreichend kontrollieren und variieren lassen. „Bevor aus Quantencomputern wirklich universelle Rechenmaschinen werden, können sie als experimentelle Plattform dienen, um grundlegende Fragen der Quantendynamik zu untersuchen“, prognostiziert der Festkörperphysiker Roderich Moessner, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden. Nun ist einer internationalen Forschergruppe, der auch Moessner angehört, ein solches Experiment gelungen. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature berichten, haben sie den Quantencomputer Sycamore von Google derart programmiert, dass dessen elementare Recheneinheiten, die Quantenbits, zwischen verschiedenen Quantenzuständen geordnet hin- und hersprangen. Das hört sich zunächst banal an. Das Verblüffende daran war jedoch, dass diese periodische Bewegung so gut wie keine Energie verbrauchte – und im Idealfall sogar ewig fortgedauert hätte. Physiker nennen dieses seltsame Phänomen einen Zeitkristall.

Ein Zeitkristall schien lange Zeit als ein Ding der Unmöglichkeit. Denn periodische Bewegungen, die ohne regelmäßigen äußeren Impuls unendlich lange fortbestehen, kann es eigentlich nicht geben. Eine Schaukel beispielsweise muss immer wieder angestoßen werden, damit sie schwingt. Selbst ein ideales reibungsfreies Pendel bewegt sich nur unendlich lange, wenn man es als eindimensionales System betrachtet. In der Realität handelt es sich aber um ein Vielteilchensystem, in dem sich die Bewegungsenergie nach und nach auf die internen Freiheitsgrade seiner Moleküle verteilt. So würde sich das Pendel mit der Zeit erwärmen und immer langsamer schwingen. Diese gleichmäßige Verteilung der Energie auf alle Freiheitsgrade folgt aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der besagt, dass die Entropie – ein Maß für die Unordnung – stets zunimmt. Zeitkristalle würden also gegen dieses physikalische Gesetz verstoßen, glaubten Physiker lange Zeit.

Zeitkristall oszilliert in einem Diamanten

Das Phänomen eines Zeitkristalls beschrieb erstmals der Physiker und Nobelpreisträger Frank Wilczek vom Massachusetts Institute of Technology im Jahr 2012. „Es ist wie bei einem Kristall, aber bezüglich der Zeit“, soll Wilczek die Idee seiner Frau erklärt haben. Sie habe ihm dann den griffigen Namen „Time Crystals“ vorgeschlagen, so Wilczek. Eine wesentliche Eigenschaft eines herkömmlichen Kristalls – eines Diamanten, eines Eis- oder Salzkristalls beispielsweise – ist die regelmäßige Gitterstruktur der Atome, Ionen oder Moleküle, aus denen er besteht. In Zeitkristallen ist es ähnlich: Hier wiederholen sich die Strukturen jedoch nicht im Raum, sondern in der Zeit. Um ein Vielfaches theoretischer argumentierte Wilzcek: Kristalle brechen die Symmetrie des Raums. Nehmen wir Eis. Gefriert Wasser, entscheidet eine kleine Fluktuation am Anfang darüber, wo das erste Molekül sitzt. Von nun an haben die Moleküle keine freie Platzwahl mehr, weil sie im Kristallgitter eine feste Position haben. Die Regel, dass jeder beliebige Punkt im Raum gleichermaßen verfügbar ist, wird gebrochen – und damit auch die sogenannte Translationssymmetrie des Raums.

Das Harvard-Experiment zum Zeitkristall: In einem Diamant mit Stickstoff-Verunreinigungen bringt ein Laser Elektronen dazu, die Zeittranslationssymmetrie zu brechen.


Das Harvard-Experiment zum Zeitkristall: In einem Diamant mit Stickstoff-Verunreinigungen bringt ein Laser Elektronen dazu, die Zeittranslationssymmetrie zu brechen.
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Bild: Nature/Harvard University

Analog könnte eine Symmetriebrechung in der Zeit existieren, vermutete Wilczek. Denn trotz der offensichtlichen Unterschiede zwischen der vierten Dimension und den drei Raumdimensionen haben sie einiges gemein: Die vier Dimensionen sind relativ, sie lassen sich stauchen und dehnen. Wieso sollte es also nicht auch ein System geben, so Wilczek, in dem nicht alle Zeitpunkte „gleichwertig“ sind? Im Jahr 2016 fanden Roderich Moessner und drei weitere Forscher ein physikalisches System, in dem Wilczeks Vorstellungen offenkundig verwirklicht sind: in einer sogenannten Vielteilchen-Lokalisierung. Hier sind die einzelnen Teilchen des Kollektivs gewissermaßen in einer stark zerklüfteten Energielandschaft gefangen, sodass das System nie ins thermodynamische Gleichgewicht gelangt. Stattdessen pendelt es im Zustand niedrigster Energie periodisch zwischen verschiedenen Konfigurationen hin und her. Es befindet sich in einem angeregten, aber zugleich stabilen Zustand – in einem Zeitkristall. Eher zufällig sei man auf diese Schlussfolgerung gestoßen, sagt Moessner.

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