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#Deutsche Hürden für den Familiennachzug der Uiguren

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Deutsche Hürden für den Familiennachzug der Uiguren

Vor einigen Tagen schrieb das deutsche Generalkonsulat in Istanbul eine erstaunliche E-Mail an Yilmaz Öndemir. Der Frankfurter Rechtsanwalt vertritt einen in Deutschland anerkannten uigurischen Flüchtling, der vor knapp eineinhalb Jahren beantragt hat, seine Frau und seine beiden Kinder aus der Türkei nachholen zu dürfen. Um die Echtheit der Heirats- und Geburtsurkunden überprüfen zu können, verlangt das Konsulat eine Beglaubigung durch einen Notar in Xinjiang und eine Vorlegalisierung durch das chinesische Außenministerium. Das ist gängige Praxis – für Uiguren aber wohl unmöglich.

Friederike Böge

Friederike Böge

Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

Die Lage in der westchinesischen Region Xinjiang wird von der Europäischen Union als so ernst eingeschätzt, dass die 27 Mitgliedstaaten in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit dem Tiananmen-Massaker von 1989 Menschenrechtssanktionen gegen China verhängt haben. Die Parlamente in Kanada und den Niederlanden haben Chinas Vorgehen gegen die Uiguren als Völkermord bezeichnet. Die amerikanische Regierung spricht von Verbrechen gegen Menschlichkeit und Völkermord. Das deutsche Konsulat in Istanbul aber schreibt, es sei „möglich und zumutbar“, die geforderten Unterlagen aus China zu beschaffen. Der Konsularbeamte schlägt vor, der Antragsteller möge doch Kontakt zu seinen Verwandten in Xinjiang aufnehmen, damit sie bei der Beschaffung der Unterlagen helfen. Den Einwand, dass eine solche Kontaktaufnahme die Angehörigen in Gefahr bringen könnte, weist der Beamte zurück. Dabei gibt es Dokumente, die genau das belegen.

Zum Beispiel die sogenannte Karax-Liste, die im Februar 2020 an internationale Medien durchgestochen wurde. In dem Dokument sind Hunderte Internierte aus der Region Karax aufgelistet. Genannt sind darin auch die Gründe für die Internierung. Einer lautet: „jemanden im Ausland anrufen“. In einem anderen Regierungsdokument, das von der Organisation Human Rights Watch ausgewertet wurde, heißt es über eine Internierte, sie habe im März 2017 vier Anrufe von einer ausländischen Nummer erhalten. Dabei handelte es sich um ihre Schwester. Als Grund für ihre Internierung heißt es: „Verbindungen zu heiklen Ländern.“

Auch außerhalb Xinjiangs erhält jeder, der in China einen Anruf aus dem Ausland erhält, anschließend eine Kurznachricht mit der Nummer des Anrufers und der Länge des Telefonats. Viele Uiguren in Deutschland wurden schon vor vier Jahren von ihren Geschwistern und Eltern aufgefordert, sie nie wieder zu kontaktieren. Auch die F.A.Z. wurde schon von Uiguren in Xinjiang angefleht, sie auf keinen Fall mit einem ausländischen Handy anzurufen. Aus dem gleichen Grund würden auch Notare in Xinjiang keinen Anruf und keine Kontaktanfrage über das soziale Netzwerk Wechat aus dem Ausland annehmen, sagt Aikebaier Aimaiti, ein anerkannter Flüchtling, der sich um den Nachzug seiner Familie aus der Türkei bemüht. Derzeit sind zahlreiche solcher Fälle beim deutschen Konsulat in Istanbul anhängig. Der Konsularbeamte schrieb vergangene Woche, weil der Antragsteller seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt habe, könne gar nicht beurteilt werden, ob eine Kontaktaufnahme zu Repressalien führe. „Wir bitten um entsprechende Mitteilung nach erfolgter Kontaktaufnahme.“

In einer anderen E-Mail des Konsulats heißt es, „ein Interesse an einer ‚Rückholung‘ von Uiguren kann nicht verzeichnet werden“. Das bezieht sich auf Ängste der Antragsteller, bei einer Kontaktaufnahme zu chinesischen Behörden oder beim Besuch des chinesischen Konsulats in Istanbul zu einer Rückkehr genötigt zu werden. Der Asylberechtigte Aimaiti sagt, er sei vor drei Jahren per Wechat aufgefordert worden, zurückzukehren. Zahlreiche Fälle von „Rückholungen“ sind bekannt.

„Skandalöse Praxis“

Die Grünen-Politikerin Margarete Bause hält die derzeitige Praxis des Auswärtigen Amtes für „nahezu skandalös“. Man könne nicht einerseits Sanktionen gegen chinesische Beamte aussprechen und andererseits Auflagen machen, welche die Angehörigen der Antragsteller gefährdeten. Im Auswärtigen Amt heißt es: „Die Bundesregierung ist sich der schwierigen Situation in Familiennachzugsfällen für Personen uigurischer Volkszugehörigkeit mit chinesischer Staatsangehörigkeit bewusst.“ Das Auswärtige Amt überprüfe regelmäßig, „inwiefern die Beschaffung geforderter Dokumente möglich und zumutbar ist“. In Ausnahmefällen sei es möglich, Privatdokumente oder Familienbilder als Belege vorzulegen. Offenbar wächst aber auch im Auswärtigen Amt die Erkenntnis, dass es zwischen der Außenpolitik und dem Verfahren beim Familiennachzug aus der Türkei eine gewisse Diskrepanz gibt. Von einer möglichen „neuen Weisungslage“ ist die Rede.

Bei den Antragstellern wächst derweil die Unruhe, weil das türkische Parlament derzeit über die Ratifizierung eines Auslieferungsabkommens mit China berät. Die Regierung in Ankara hebt zwar hervor, dass politisch verfolgte Uiguren davon nicht betroffen seien. Die Angst ist dennoch groß. Viele Uiguren versuchen deshalb, nach Deutschland zu gelangen. Hierzulande gilt für Uiguren ein Abschiebeverbot.

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