#„Deutschland macht seit Jahren eine Noch-einmal-Glück-gehabt-Politik“
„„Deutschland macht seit Jahren eine Noch-einmal-Glück-gehabt-Politik““
Herr Minister Lies, die havarierte Mumbai Maersk konnte in der Nacht auf Freitag freigeschleppt werden. Wie bewerten Sie es, dass ein 400 Meter langes Schiff sechs Kilometer vor Wangerooge eine Wende macht und dann im flachen Wasser neben der Fahrrinne stecken bleibt?
Das ist für mich völlig unerklärlich. Die Suche nach der Ursache für die Havarie läuft derzeit intensiv, ob es sich also etwa um einen technischen Defekt handelte oder um einen Fahrfehler an Bord.
Die Frachtschiffe sind in den vergangenen Jahren rasant größer geworden. Die Mumbai Maersk fasst mehr als 20.000 Container. Bilden die geltenden Sicherheitsregeln diese Entwicklung ab?
Nein, zumal parallel zu den größeren Schiffen auch die Extremwetterlagen häufiger werden. Die Sicherung der Ladung muss deshalb sorgfältiger geprüft werden. Und die großen Schiffe müssen darauf geprüft werden, wie sie mit ihren hohen Containertürmen bei schwerer See zurechtkommen. Gerade bei Gefahrgut-Containern sind zudem dringend Ortungsmöglichkeiten und bessere Informationen erforderlich. Das ist technisch alles machbar und kostet auch nicht die Welt. Wir in Niedersachsen fordern diese Verbesserungen gemeinsam mit den anderen Küstenländern schon seit Langem. Dennoch hat das Bundesverkehrsministerium unter Andreas Scheuer nicht reagiert. Mein Eindruck war, dass es ihn als CSU-Politiker auch gar nicht richtig interessiert hat. Deutschland macht hier seit Jahren eine „Noch-einmal-Glück-gehabt-Politik“, anstatt sich besser vorzubereiten.
Olaf Lies (SPD) ist niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz.
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Bild: dpa
Stimmt es, dass sich Deutschland und Dänemark dagegen gesperrt haben, die Schiffe weiter von der Küste wegzuhalten, wie es eine Behörde in den Niederlanden vorgeschlagen hat?
Das ist so, und auch hier baue ich darauf, dass der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP einen anderen Kurs einschlägt als sein Vorgänger. Wir müssen die Nutzung der küstenfernen Route verpflichtend machen, das kostet die Reeder ebenfalls nicht viel Geld. Die Niederländer waren zu einer solchen Verpflichtung bereit, Deutschland bisher nicht. Im aktuellen Fall hatten wir übrigens Glück, dass die Mumbai Maersk auf freiwilliger Basis die küstenferne Route genutzt hat, wofür ich dankbar bin. Man möge sich vorstellen, was passiert wäre, wenn das Schiff auf der küstennahen Route und in der Sturmflut vergangene Woche havariert wäre.
Die MSC Zoe hatte bei ihrer Havarie vor drei Jahren 342 Container verloren, deren Ladung bis heute am Nordseestrand angespült wird. Damals wurde die Reaktion des Havariekommandos kritisiert. Wie zufrieden sind Sie mit der Reaktionsfähigkeit dieser Behörde?
Die Fehler bei der Havarie der MSC Zoe sind von Bund und Ländern gründlich aufgearbeitet worden. Das Boardingteam war damals gar nicht einsatzfähig, und die Schlepper waren ungeeignet, weil sie bei schlechtem Wetter kein Personal aufnehmen konnten. Diese Probleme sind angegangen worden. Das Havariekommando ist einsatzfähig und hat jetzt bei der Mumbai Maersk auch wieder gute Arbeit geleistet.
Brauchen wir zusätzliche Schlepper, die schneller einsatzfähig sind?
Das ist ein entscheidender Punkt. Bei der Bergung der Mumbai Maersk stand der leistungsstarke Schlepper Nordic nicht zur Verfügung, weil er vorher bei einem anderen Einsatz einen Defekt hatte und jetzt gerade aufgedockt ist. Die Ausschreibung für die neuen Schlepper dauert mir auch viel zu lange. Und wir werden auch mit diesen neuen Schleppern immer noch zu wenige haben. Wir brauchen wie in anderen sicherheitsrelevanten Bereichen eine „N+1“-Lösung, also alle notwendigen Schlepper plus einen als Ersatz. Dieser zusätzliche Schlepper kostet zwar auch viel Geld, aber der potentielle Schaden bei einem Unglück liegt um ein Vielfaches höher.
Ist man ausreichend auf eine Havarie vorbereitet, bei der es nicht nur um vergleichsweise harmlose Container geht, sondern um Umweltgifte?
Wir erneuern gerade hier in Niedersachsen unsere niedersächsischen Sicherungsschiffe und statten sie für eine Reihe von Szenarios aus. Der Grundsatz muss lauten, nicht nur die Schadenslagen der vergangenen fünf Jahre anzuschauen, sondern den Worst Case durchzuspielen. Das beginnt mit einer Havarie und endet mit verölten Seevögeln an Land.
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