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#„Die Corona-Leugner radikalisieren sich“

„Die Corona-Leugner radikalisieren sich“

Der Demonstrationszug bestand aus drei Dutzend Fahrzeugen, diszipliniert bewegte sich der von Polizisten begleitete Korso am Mittwochabend durch die Innenstadt von Gelsenkirchen. Unter dem Allerweltsmotto „Für Frieden, Freiheit und Menschenrechte“ demonstrierten die Teilnehmer gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern. Aus Lautsprechern wurden die Anwohner mit wirren Behauptungen über die angeblich wahren Hintergründe der Pandemie beschallt.

Reiner Burger

Um eine skurrile Einzelaktion handelte es sich gleichwohl nicht. Allein in Nordrhein-Westfalen gab es seit Beginn der Pandemie bis Mitte März schon 142 als Demonstration angemeldete Autokorsos, bei 110 von ihnen ging es eindeutig um Corona, wie das nordrhein-westfälische Innenministerium der F.A.Z. mitteilte.

Eine der bisher größten Auto-Demonstrationen fand Anfang Januar in Castrop-Rauxel statt. Dort zählte die Polizei mehr als 100 Fahrzeuge mit Kennzeichen aus dem Ruhrgebiet und dem Münsterland. Mit dabei war auch der rechtsextreme Youtuber Kevin G., der schon bei Gelbwesten-Protesten und in der Essener Hooligan-Szene mitgemischt hat. G. überträgt regelmäßig stundenlang Aktionen von sogenannten Querdenkern und Corona-Leugnern live ins Netz.

Vordergründig präsentiert sich G. als Blogger, der das Geschehen nur dokumentiert. In Castrop-Rauxel gab er offen zu Protokoll, worum es ihm und seinen Gesinnungsgenossen eigentlich geht: „Unsere Regierung muss weg.“ Ende März streamte G. Aufnahmen von Autokorsos in Dortmund, Essen und Herne – ebenso wie von der Demonstration in Kassel, bei der aus Hygieneschutzgründen nur 6000 Teilnehmer zugelassen waren, dann aber 20.000 Corona-Leugner kamen.

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Eine vergleichbar große Veranstaltung wie im März in Kassel, im Herbst in Leipzig und Berlin oder kürzlich in Stuttgart fand in Nordrhein-Westfalen bisher zwar noch nicht statt. Entwarnung kann Innenminister Herbert Reul aber trotzdem nicht geben. „Im Gegenteil haben wir beunruhigende Erkenntnisse“, sagt der CDU-Politiker.

Der größte Teil der „Querdenker“-Demonstranten stamme zwar nach wie vor aus dem bürgerlichen Spektrum. Hinzu kämen Esoteriker, Aussteiger, Impfgegner, Kritiker der Schulmedizin, Verschwörungsideologen und Wutbürger. Doch nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes liegt der Anteil der Rechtsextremisten bei Veranstaltungen der Corona-Leugner mittlerweile bei bis zu zehn Prozent.

„Die Anti-Corona-Protestbewegungen radikalisieren sich und werden zunehmend demokratiefeindlicher, Rechtsextremisten versuchen die Proteste zu instrumentalisieren, und Verschwörungsideologien finden immer mehr Anklang“, sagt Reul. Die ursprüngliche Skepsis gegen staatliche Pandemiemaßnahmen entwickle sich mehr und mehr in eine „grundlegend sicherheitsgefährdende Haltung“.

Die eine Anti-Corona-Bewegung gibt es nicht. Neben regionalen Untergruppen der in Stuttgart gegründeten Organisation „Querdenken – 711“ sind unter anderem auch die „Corona-Rebellen“ aktiv. Derzeit sind den Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen 16 Initiativen bekannt, die rund 45 Kanäle oder Gruppen im Messengerdienst Telegram betreiben.

Mit rund 1100 Mitgliedern bei Telegram sind die „Corona-Rebellen Düsseldorf“ die größte Gruppe. Sie sind regelmäßig auch auf Veranstaltungen von Querdenkern zu sehen. Gruppen wie „Eltern stehen auf“, „Anwälte für Aufklärung“ oder der „Corona-Ausschuss“ organisieren kleinere Demonstrationen und Autokorsos, die sich gut eignen, um mit vergleichsweise geringem Aufwand Aufsehen zu erregen.

Eine gemischte Szene aus Rechtsextremisten, Hooligans und Wutbürgern

In der Anti-Corona-Bewegung sehr aktiv sind wie Kevin G. auch Mitglieder einer gemischten Szene aus Rechtsextremisten, Hooligans und Wutbürgern, die schon nach der Flüchtlingskrise 2015 in mehreren Städten bürgerwehrähnliche Aufmärsche organisierte. Gezielt versuchte die sogenannte Neue Rechte damals, die gesellschaftliche Verunsicherung zu nutzen, um zuerst die Stigmatisierung des Rechtsextremismus zu überwinden, den gesellschaftlichen Diskurs in ihrem Sinne zu beeinflussen und dann in weiteren Schritten die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen. Damals sollten darum mit der Verschwörungserzählung vom „großen Bevölkerungsaustausch“ auch Personen aktiviert und radikalisiert werden, die bisher nicht als Angehörige der Szene aufgefallen waren.

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