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#Die DDR-Fotografin Helga Paris ist gestorben

Sie war die große alte Dame der DDR-Fotografie. Aus banalen Alltagsbeobachtungen machte sie kleine Bildgeschichten. Nun ist Helga Paris im Alter von 85 Jahren gestorben.

Bekannt, geschätzt, sogar einflussreich ist Helga Paris schon zu Zeiten der DDR gewesen, Bücher im großen Stil und mit beeindruckendem Umfang allerdings erschienen erst nach der Wende, und selbst da mit erheblicher Verzögerung. Die Akademie der Künste wird deshalb nicht schlecht gestaunt haben, als ihr die Fotografin als Vorlass ein Archiv mit mehr als 230.000 Negativen schenkte.

Dabei erschloss sich ein Lebenswerk, das geprägt ist von einem melancholischen Blick auf die Tristesse der unerfüllten Versprechen des Sozialismus in den Straßen vor allem von Leipzig und Halle, einem skeptischen Blick in die Gesichter von Menschen an ihrem Arbeitsplatz sowie einer freundlichen, geradezu euphorischen Anteilnahme an deren Vergnügungen im Alltag – ob es Partys in Gärten und Parks gewesen sind oder ausgelassene Abende in Gaststätten. Es ist gerade so, als hätte der Rückzug ins Private wiedergutmachen müssen, was von einer verfehlten Politik dem Verfall preisgegeben war.

Ein Bild des Versagens

Dass sie das nicht ungerührt hat lassen können, belegt eine ihrer eindrucksvollsten Fotoserien, die gleich mehrmals ins Zentrum ihrer Retro­spektiven gerückt wurde: Selbstporträts aus den Jahren 1981 bis 1989, für die sie in konzentrierter Selbstbefragung jeweils mit starrem Blick in die Kamera schaute, seltsam leer und zugleich von beißender Schärfe. Es war nicht nur, als verbiete sie sich wie schon Jahre zuvor beim Schauen in den Spiegel jegliches Gefühl von Zufriedenheit – vielmehr schien sie sich störrisch jenem Lächeln oder gar Lachen regelrecht zu widersetzen, das besetzt war durch die offiziellen Medien. Es ist zugleich der Blick, den sie in Porträts auch immer wieder anderen entlockte.

Helga Paris im Jahr 2016


Helga Paris im Jahr 2016
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Bild: Imago

Und wenn man lange genug auf ihre Bilder von Fassaden grauer, bisweilen schwarzer Häuser schaut, meint man ihn auch in den blinden Fenstern zu erkennen. Dass eine geplante Ausstellung „Häuser und Gesichter“ mit Aufnahmen aus Halle Mitte der Achtzigerjahre auf Druck der SED-Bezirksleitung mehrfach verschoben und schließlich zu DDR-Zeiten ganz abgesagt wurde, obwohl alle Abzüge fertig gerahmt und auch die Plakate sowie ein Katalog gedruckt waren, konnte nicht wirklich überraschen. Denn die Aufnahmen der verfallenen Innenstadt – als Gegenstück zu den wachsenden Plattenbausiedlungen an der Peripherie – addierten sich zu einem Bild des Versagens. Es mussten noch Jahre vergehen, bis die Bilder im Januar 1990 endlich gezeigt wurden.

Müllmänner und Punker

Helga Paris kam 1938 in Pommern zur Welt. Nach dem Abitur studierte sie Modegestaltung, arbeitete eine Zeit lang für den VEB Treffmodelle in Berlin und anschließend als Dozentin für Kostümkunde sowie als Gebrauchsgrafikerin. Als Kostümbildnerin am Berliner Studenten- und Arbeitertheater fand sie Kontakt zur Künstlerszene um Wolf Biermann. Und als sie Mitte der Sechzigerjahre begann, sich autodidaktisch mit Fotografie auseinanderzusetzen, blieb sie zunächst dem Theater mit Bühnenaufnahmen treu und übertrug später, wie sie bei Gelegenheit ausführte, die Suche nach dem Moment der alles erklärenden, zusammenfassenden Atmosphäre mit in die Straßen. Dabei wurden ihr vermeintlich banale Beobachtungen des Alltags immer wieder zum Ausgangspunkt kleiner Bildgeschichten, ob sie nun Müllmännern von Haustür zu Haustür folgte oder jugendliche Punker mit Sympathie zu ihren Konzerten begleitete.

Als Helga Paris nach dem Fall der Mauer Reisen ins Ausland unternimmt, nach Rom etwa oder New York, und dort in den Straße ihre Porträtserien fortsetzt, ist ihr Interesse an Gesichtern ungebrochen, aber die Mischung aus Traurigkeit und Widerstand findet sie in den Konterfeis dort nicht mehr. Jetzt ist die große alte Dame der DDR-Fotografie im Alter von fünfundachtzig Jahren gestorben.

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