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#Die FDP vergisst ihre Wähler

„Die FDP vergisst ihre Wähler“

Die FDP ist gerade nicht zu beneiden. Egal, welche strategischen Schlüsse sie aus ihren schlechten Umfragewerten und dem desaströsen Abschneiden bei der Landtagswahl in Niedersachsen zieht: Sie kann es eigentlich kaum richtig machen. Versucht sie nun, ihren liberalen „Markenkern“ viel deutlicher zu machen und ihre „Positionslichter“ anzuschalten, wie Christian Lindner es genannt hat, dürfte das zwar ihre klassischen Wähler erfreuen, denen die Ampel schon immer als Verirrung der Geschichte galt. Dafür provozierte sie noch mehr Krach in der Koalition und womöglich den Bruch der Regierung – mitten in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Macht sie hingegen weiter wie bisher und setzt auf die Staatsräson, riskiert sie, dass ihr noch mehr enttäuschte Stammwähler von der Fahne gehen und die Fünfprozenthürde auch im Bund immer näher rückt. Für die Liberalen ist das ein Dilemma. Aber eines, das sie sich auch selbst zuzuschreiben haben. Allen voran Lindner, der die FDP zur Ein-Mann-Partei gemacht hat.

Keine Aufbruchsstimmung mehr

Lange hat er ihr damit einen Gefallen getan. Er hat die FDP nach den Westerwelle-Jahren, in denen die Liberalen als Klientelpartei für Besser- und Bestverdienende mit einer Vorliebe für Hoteliers verschrien waren, aus der Asche geholt und wieder zum Leben erweckt. Lindners Modernisierungsversprechen stand für eine neue, programmatischere FDP. Eine Bildungsoffensive, eine marktgerechte Klimapolitik, eine rasche Digitalisierung machten das deutlich. Gerade viele junge Wähler fühlten sich davon angezogen.

Doch von Aufbruchsstimmung ist nicht mehr viel zu spüren, weil sich viele FDP-Wähler mittlerweile fragen, wofür ihre Partei und deren Vorsitzender eigentlich noch stehen. Wirklich noch für die „neue“ FDP, die bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags selbstbewusst von „Aufbruch“ sprach und dem Land die alten Zöpfe gründlich abschneiden wollte? Oder doch eher für die alte verzagte, die lieber nicht regieren wollte als falsch?

Die Ampel sei das Problem, sagt Lindner; viele FDP-Anhänger fremdelten mit ihr, weil sie die Partei jetzt als links wahrnähmen. Das mag stimmen. Trotzdem ist es nicht das alleinige Problem. Zum Einen ist die Wählerschaft der Liberalen längst viel heterogener, als solche Sätze glauben machen wollen. Viele junge FDP-Anhänger sind, anders als die älteren, relativ nah dran an den Grünen, nicht nur beim Thema Klima. Sie hatten schon immer weniger Berührungsängste mit der Ampel und sehen in ihr weiter Chancen. Die FDP hat die Wahl in Hannover auch nicht verloren, weil sie für längere Atomlaufzeiten gekämpft hätte. Sondern weil vielen Wählern unklar ist, wofür sie die Liberalen eigentlich noch brauchen.

Lindner Anfang Oktober im Kanzleramt: Sein Modernisierungsversprechen stand für eine neue, programmatischere FDP.


Lindner Anfang Oktober im Kanzleramt: Sein Modernisierungsversprechen stand für eine neue, programmatischere FDP.
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Bild: X07702

In der Ampel hat Lindner die FDP zu einem Instrument liberaler Symbolpolitik verzwergt und ihre Stammklientel aus dem Blick verloren: den Mittelstand und die Selbständigen. Statt pragmatischer Sachwalter all derer zu sein, die sich nach den Merkel-Jahren einen Schub bei Bürokratieabbau und Digitalisierung erhofft hatten, begnügt sich die FDP unter Lindner oft mit trotziger Prinzipienreiterei. Das war bei der Masken- und Impfpflicht nicht anders als beim Streit über einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket, als Lindner von „Gratismentalität“ sprach. Solche Begriffe mögen gefühlt die Reihen schließen und alte Haudegen wie Wolfgang Kubicki erfreuen. Viele jüngere liberale Wähler aber stoßen sie ab, weil sie die alte FDP, für die sie stehen, längst hinter sich geglaubt hatten.

Jetzt, im Krieg, hat Lindner die FDP auf eine monothematische Partei finanzpolitischen Maßhaltens im Ausnahmezustand verengt. Kein schöner Job, weil er dabei eigentlich nur verlieren kann. Ein mittelständischer Handwerker, der versteht, dass die schwarze Null gerade nicht zu halten ist, dürfte trotzdem noch andere Sorgen haben. Mit liberalen Glaubenssätzen allein ist ihm in seinem Alltag schließlich ebenso wenig geholfen wie mit Staatshilfen für große Unternehmen. Er ersehnt sich schnelle Hilfe in einer existenziellen Lage, kämpft sich mit schlechtem Internet weiter täglich durch Dutzende Formulare und wendet sich enttäuscht ab – auch zur AfD.

Die Krise der FDP ist aber auch eine kommunikative: Wo andere die Dilemmata der Politik im Krieg transparent machen, kommuniziert Lindner oft apodiktisch, von oben herab. Erst erhebt er die reine liberale Lehre zum Maßstab wie bei der Neuverschuldung, um dann doch den realpolitischen Zwängen nachzugeben. Dabei wünschen sich auch viele Liberale eine ehrlichere Kommunikation, was noch liberales Positionslicht ist und was schon unvermeidbarer Kompromiss. Lindner hat recht: Die FDP muss sich jetzt profilieren. Durch klugen, nahbaren Pragmatismus. Und nicht, indem sie zur Opposition in der Koalition wird.

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