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#Die Heimat ist ein Stück Holz

Die Heimat ist ein Stück Holz

Flüchten zu müssen, geflüchtet zu sein, gehört zu den Erfahrungen, die sich nicht teilen lassen. Man kann von ihnen erzählen, Fotos machen, einzelne Szenen in Filmen nachstellen, aber was es wirklich heißt, seine Heimat zu verlassen, um ins Ungewisse zu ziehen, kann nur jemand begreifen, der es erlebt hat. In Andreas Kosserts Buch „Flucht. Eine Menschheitsgeschichte“ wird der in Alexandria geborene amerikanische Schriftsteller André Aciman mit dem Satz zitiert, Exil sei „die Unmöglichkeit, jemals nicht weg zu sein“ – ein Gefühl der Abwesenheit und des Verlusts, das nicht mehr verschwindet. Schon immer hat dieses Verlustgefühl Millionen Menschen geprägt. Aber noch nie waren es so viele wie im zwanzigsten und im einundzwanzigsten Jahrhundert.

Die neue Dauerausstellung des Dokumentationszentrums Flucht, Vertreibung, Versöhnung, die am morgigen Mittwoch eröffnet wird, versucht diesem Gefühl und der Erfahrung, durch die es ausgelöst wird, eine Form zu geben. Dabei stößt sie immer wieder an die Grenzen dessen, was in Ausstellungen gezeigt werden kann. Die Abwesenheit, der Verlust der Orte, an denen die Kindheit stattfand, ist in Objekten nicht darstellbar. Nur ausnahmsweise bekommt man eine Vorstellung von dem Schmerz, der die Geflüchteten bis an ihr Lebensende begleitet.

Am Anfang standen Erika Steinbach und Peter Glotz

Fast am Ende der Ausstellung, im zweiten Obergeschoss, stehen in einer Vitrine Dutzende von Holzmodellen, die ein Heimatvertriebener aus Ostpreußen in der Nachkriegszeit von den Häusern und Kirchen seiner Geburtsstadt angefertigt hat. Es ist nur eine Auswahl aus einer größeren Sammlung. Die Arbeit dauerte Jahrzehnte. In all der Zeit, sollte man meinen, hätte der Mann sich mit seiner neuen Umgebung in Westdeutschland arrangieren können. Aber er zog es vor, das „Riesenwerk der Erinnerung“, wie Proust es nennt, im eigenen Keller aus Holz, Leim und Farbe zu erschaffen.

Der Ausstellung im Deutschlandhaus, in der das Dokumentationszentrum residiert, sind die Umstände ihrer Entstehung eingeschrieben. Ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ wollten Erika Steinbach und Peter Glotz, zwei Heimatvertriebene und politische Antipoden, im Jahr 1999 gründen, um an die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa und ihre historischen Ursachen zu erinnern. Aber der Plan fand keine politische Mehrheit, auch deshalb, weil Steinbach, bis vor drei Jahren Präsidentin des Vertriebenenbundes, ihn durch ihr öffentliches Auftreten immer wieder desavouierte.

2005, im Todesjahr von Glotz, beschloss die Große Koalition den Gegenentwurf für ein „Sichtbares Zeichen“, der schließlich in die Gründung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung mündete. Das Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof, in dem nach dem Krieg die Landsmannschaften des Vertriebenenbundes residiert hatten, wurde seit 2009 zum Stiftungsstandort umgestaltet. In dieser Zeit wandelte sich Steinbach von der CDU-Rechten zur Unterstützerin der AfD. Zum offiziellen Festakt am Montag war sie nicht geladen. Dass Gundula Bavendamm, die Stiftungsdirektorin, bei der Pressekonferenz vergangene Woche dennoch erklärte, die Dauerausstellung sei „ziemlich nah“ an Steinbachs Plänen, zeigt, wie sehr der Blick auf die einstige Initiatorin auch die Neukonzeption prägt.

Aufstieg zur Vertriebenen-Ausstellung: Die Wendeltreppe von marte.marte Architekten im Deutschlandhaus


Aufstieg zur Vertriebenen-Ausstellung: Die Wendeltreppe von marte.marte Architekten im Deutschlandhaus
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Bild: Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung/Markus Gröteke

Die Stiftung selbst hat ihren Doppelcharakter als historische und politische Institution mit internen Spaltungen bezahlt. Einer von Bavendamms Vorgängern wurde entlassen, ein zweiter warf das Handtuch. Mehrfach erklärten polnische, tschechische und deutsche Historiker ihren Austritt aus dem wissenschaftlichen Beraterkreis. Im Kern ging es dabei stets um die Frage, wie die Vorgeschichte der Vertreibungen dargestellt werden sollte. Der schärfste Vorwurf, der den Kuratoren der Stiftung gemacht wurde, war der einer „unterschiedslosen Empathie“ für alle Vertriebenen. „Unterschiedslos“ hieß in diesem Fall: ohne ausreichende Betonung des Zusammenhangs zwischen der Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus und dem Verlust der Heimat im Osten.

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