Nachrichten

#„Die Menschen sehnen sich nach dem Büro“

„Die Menschen sehnen sich nach dem Büro“

Wenn Holger Jahnke den Corona-Horror dieses Frühjahrs für sein Unternehmen zusammenfassen möchte, reicht ihm ein einziger Satz: „30.000 Mitarbeiter quer durch Europa hat Vodafone ins Homeoffice geschickt.“ Vodafone ist ein Großkunde von Sedus Stoll, und angesichts solcher Szenarien wundert es nicht, dass der Primus unter den deutschen Büromöbel-Herstellern in den Monaten April bis Juni mehr als 50 Prozent weniger Geschäft gemacht hat als ein Jahr zuvor. Auch für die Zukunft könnte einem angst und bange werden: „Was nützen die schönsten Bestellungen, wenn wir nicht ausliefern können“, fragt der Sedus-Stoll-Chef mit Blick auf die neuerlichen Lockdown-Maßnahmen.

Susanne Preuß

Aber Holger Jahnke ist nicht nur Vorstandssprecher, sondern auch Marketing- und Vertriebschef von Sedus Stoll und als solcher von Berufs wegen Optimist: „Seit August geht es wieder aufwärts. Wir sind bis zum Jahresende voll ausgelastet und werden mit einem moderaten Umsatzminus in der Größenordnung von 10 Prozent abschließen“, prognostiziert er.

Und trotz Verlust im ersten Halbjahr versichert Jahnke im Gespräch mit der F.A.Z.: „Wir erwarten ein positives Ergebnis.“ Die leerstehenden Büroflächen betrachtet Sedus Stoll mittlerweile als Chance: „Es braucht neue Konzepte“, sagt Jahnke. Und neue Konzepte bedeuten neue Geschäftschancen.

Den Sedus-Stoll-Chef leiten dabei drei Grundüberzeugungen: Die Verwendung digitaler Medien nehme zu – weil aber Videokonferenzen in klassisch ausgestatteten Großraumbüros ziemlich anstrengend seien, werde man neue Rückzugsorte brauchen. Gleichzeitig erwartet Jahnke, dass die Distanzregeln der Pandemie längerfristig gültig sein werden: „Das Thema Nähe wird nicht mehr so funktionieren. Wir brauchen deswegen rein mobile Einheiten statt großer Besprechungstische.“

Und drittens, so das Kalkül, werde auch das Arbeiten in den eigenen vier Wänden professioneller organisiert. Vor drei Jahren habe Sedus Stoll noch gar keine privaten Kunden beliefert, mittlerweile liege der Umsatzanteil bei 5 Prozent. Mit stark steigender Tendenz, so berichtet er. „Das gehört zu den Lichtblicken: dass die Menschen sich etwas Gutes tun wollen – wie es überhaupt zum Trend wird, viel mehr über die Dinge nachzudenken, die man beschafft.“

Sofern Jahnke recht hat, braucht Sedus Stoll sich nicht verstecken. Das Unternehmen mit Sitz im südbadischen Dogern am Hochrhein gehört zwei Stiftungen, die 50 Prozent des Gewinns in soziale Projekte stecken, und es arbeitet nach dem Prinzip „100 Prozent made in Germany“, mit rund 1000 Mitarbeitern in handwerklichen Berufen. Weil man alles selbst mache, sei das Tempo etwas höher als bei der Konkurrenz, die viele Arbeitsschritte an Billigstandorte ausgelagert habe, erklärt Jahnke.

„Wir glauben, dass 90 Prozent aller Ideen durch lose Gespräche entstehen„

Die große Wertschöpfungstiefe kann Sedus Stoll in der aktuellen Krise ausspielen. So präsentiert der Möbelhersteller zum Beispiel ein Produkt, das in Zeiten von AHA-Regeln einfach funktioniert, sei es in Bürowelten, sei es für Veranstaltungen: ein Sitzmöbel mit einer direkt angebauten kleinen Tischfläche, das jedem Teilnehmer einer Konferenz seine eigene Sphäre verschafft, das Ganze aus einem einzigen Material und leicht zu reinigen. Es gibt kleine, aber hohe Tische mit Rollen, an denen man sich zu kurzen Besprechungen trifft, dazu Möbel, die sich eher zum Anlehnen eignen als zum Sitzen und so den schnellen Wechsel der Arbeitssituationen fördern.

Oder: Staffeleien fürs Brainstorming, die ruckzuck zu Tischen umgebaut werden können, wenn man in kleinen Gruppen weiterarbeiten möchte. „New Dimensions“ hat der Büroausstatter die digitale Neuheiten-Show genannt, die als Ersatz für die klassische Branchenmesse Orgatec in Köln diente und immerhin mehr als 2000 Zuschauer fand.

Der Titel soll Bezug nehmen auf die durch Corona veränderte Arbeitswelt. So richtig neu erscheint vieles davon gar nicht: Das modern gewordene „agile“ Arbeiten hat die Büroausstatter längst zu flexiblen Konzepten inspiriert. Doch der Digitalisierungsschub durch Corona hat den Wandel der Arbeitswelt beschleunigt, und, so erwartet Jahnke: Die Schwerpunkte verlagern sich. An den ungebremsten Siegeszug des Homeoffice glaubt der Sedus-Stoll-Chef nicht: „Die Menschen sehnen sich nach dem Büro“, ist seine Überzeugung.

Und auch aus Sicht der Unternehmen gebe es gute Gründe, die Präsenz der Mitarbeiter zu schätzen: „Wir glauben, dass 90 Prozent aller Ideen durch lose Gespräche entstehen, wie es sie nur in der realen Welt gibt.“ Selbst wenn viele klassische Büroarbeitsplätze in den nächsten Jahren überflüssig werden sollten, wäre das keine schlechte Perspektive für die 240 im Industrieverband Büro und Arbeitswelt versammelten Unternehmen, von denen Sedus Stoll mit zuletzt 210 Millionen Euro Umsatz das größte ist. „Wir werden ein hybrides System haben“, erwartet der Sedus-Stoll-Chef: „Immer mehr Menschen werden von unterschiedlichen Orten aus arbeiten.“

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!