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#Die Monde des Pluto – Astrodicticum Simplex

„Die Monde des Pluto – Astrodicticum Simplex“

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Sternengeschichten Folge 498: Die Monde des Pluto

Heute geht es nicht um Pluto. Und schon gar nicht um die leidige Frage, ob Pluto jetzt ein Planet ist oder nicht oder sein soll oder wieder sein soll. Ist er nicht, war er auch nie, wir haben das nur sehr spät gemerkt und noch später korrigiert. Irgendwann mache ich da mal eine eigene Folge dazu; heute geht es aber um die Monde von Pluto. Denn die sind außergewöhnlich und definitiv eine Folge wert.

Pluto an sich ist schon ein sehr außergewöhnlicher Himmelskörper. Er ist das größte Objekt im Kuiper-Asteroidengürtel der sich hinter der Bahn des Neptun befindet, in den äußeren Regionen des Sonnensystems und dort befinden sich sehr viel mehr Asteroiden als im bekannteren Asteroidengürtel der sich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter befindet. Im Kuiper-Gürtel gibt es auch sehr viel mehr große Asteroiden und Pluto ist mit seinem Durchmesser von 2374 Kilometer der größte. Pluto selbst wurde 1930 entdeckt. Sein Mond Charon musste bis 1978 auf seine Entdeckung warten. Der amerikanische Astronom James Christy hatte 1978 ein paar Bilder von Pluto gemacht. Der ferne und kleine Himmelskörper war darauf nur als schwarzer Fleck auf weißem Hintergrund zu erkennen (in der Astronomie werden die Bilder oft invertiert damit man die Sterne als schwarze Punkte auf weißem Hintergrund besser sehen kann). Man muss schon sehr genau hinzusehen, um auf der Aufnahme von Christy zu erkennen, dass da irgendwas ungewöhnlich ist. Pluto scheint eine kleine Beule zu haben – aber eine, die nicht immer vorhanden ist. Mal kann man die Ausbuchtung gerade so sehen, mal erscheint Pluto wieder erwartungsgemäß kreisförmig. Christys Interpretation: Da ist ein Mond, der Pluto umkreist. Wenn er von uns aus gesehen gerade neben Pluto steht, sehen wir die Beule. Und wenn er gerade direkt vor oder hinter Pluto steht, dann sehen wir die Beule nicht.

Diese Interpretation stellte sich als korrekt heraus und es war klar, dass Pluto einen Mond hat. Christy wollte ihm den Namen “Charon” geben. Vor allem, weil er damit seiner Frau Charlene eine Freude machen wollte, der Spitzname ein wenig so klang wie die amerikanische Aussprache von Charon. Dass Charon auch noch eine Figur aus der griechischen Mythologie ist, der Fährmann, der die Verstorbenen über den Fluß der Toten in die Unterwelt des Hades bringt und “Hades” der griechische Name des römischen Gottes der Unterwelt ist, der dort “Pluto” heißt, war ihm nicht bewusst (sagt er zumindest) – aber es hat gut gepasst.

Charon braucht für eine Umkreisung des Pluto 6,4 Tage. Was aber nicht richtig ist. Denn genaugenommen umkreist Charon den Pluto nicht. Der Mond hat einen Durchmesser von 1212 Kilometern, was zwar weniger ist als der Durchmesser von Pluto. Aber nicht viel. Charon ist circa halb so groß wie Pluto und hat 12 Prozent der Plutomasse. Das Verhältnis ist größer als das zwischen der Erde und ihrem Mond und das ist schon außergewöhnlich groß. Der Erdmond ist noch gerade klein genug, um tatsächlich die Erde zu umkreisen. Aber bei Pluto und Charon ist das Verhältnis so groß, dass nicht der eine Himmelskörper um den anderen kreist. Sondern beide um einen Punkt, der zwischen Pluto und Charon im Weltraum liegt. Pluto und Charon zeigen auch eine wechselseitige gebundene Rotation. Das kennen wir auch von Erde und Mond: Von der Erde aus sehen wir immer die selbe Seite des Mondes. Der Grund dafür ist die Gezeitenkraft, die die Erde auf den Mond ausübt und dazu geführt hat, dass der Mond für eine Umdrehung UM die Erde exakt so lange braucht wie für eine Drehung um seine eigene Achse (was ich in Folge 319 genauer erklärt habe). Vom Mond aus betrachtet sehen wir aber im Laufe der Zeit unterschiedliche Seiten der Erde. Weil die Masse von Charon aber im Vergleich zu Pluto sehr viel größer ist als die Masse des Erdmonds im Vergleich zu Erde, hat hier die wechselseitige Gezeitenkraft dafür gesorgt, dass beide einander immer die selbe Hälfte zeigen. Von Pluto aus sieht man immer die selbe Seite von Charon und von Charon immer die selbe Seite von Pluto.

Charon (Bild: gemeinfrei)

So wie Pluto ist auch Charon ein eisiger Himmelskörper. Nicht nur, weil es so fern der Sonne so kalt ist – was es ist, die Temperatur liegt auf Charon bei -220 Grad Celsius – sondern auch, weil Charon vor allem aus Wassereis mit einem vermutlich felsigem Inneren besteht. Obwohl das noch nicht sicher ist, es kann auch sein, dass Charon einfach eine homogene Mischung aus Gestein und Eis ist.

Dank der Raumsonde New Horizons, die 2015 an Pluto vorbei geflogen ist, haben wir nicht nur detaillierte Aufnahmen von Pluto, sondern auch von Charon. Und wissen auch, dass er eine sehr interessante Oberfläche hat. Um die Nordpolregion herum sieht man eine ausgedehnte dunkle Region die den Namen “Mordor” bekommen hat; inoffiziell zumindest. Wie sie entstanden ist, wissen wir noch nicht. Es kann sein, dass Stickstoff und Methan von Pluto irgendwie auf Charon gelangt sind und dort von der UV-Strahlung der Sonne in rötlich-dunkle Chemikalien transformiert worden sind. Was man dort auch gesehen hat, sind Flecken die darauf hindeuten, dass es auf Charon Kryovulkanismus gibt, als das ab und zu Eis aus dem Inneren ein wenig flüssig beziehungsweise eismatschig wird und an die Oberfläche gelangt. Ein solcher Eisvulkan könnte “Kubrick Mons” sein, ein 40 Kilometer großer und 3-4 Kilometer hoher Berg, der aber in einem circa 2 Kilometer tiefen Loch sitzt. Warum das so ist, wissen wir nicht. Aber es könnte sein, dass er durch den Kryovulkanismus immer tiefer in die Eiskruste des Charon eingesunken ist.

Charon ist aber nicht der einzige Mond des Pluto. Als man 2005 die Mission der Raumsonde New Horizons vorbereitet hat, hat man den Pluto mit dem Hubble-Weltraumteleskop genau beobachtet. Man hatte damals schon vermutet, dass da vielleicht noch mehr Monde sein könnten und wollte noch Bescheid wissen, ob das wirklich so ist, bevor man eine teure Raumsonde in die Gegend schickt. Nicht dass die dann vielleicht unerwartet einen Mond entdeckt, in dem sie dagegen fliegt… Tatsächlich konnte man auf den Bildern von Hubble dann zwei kleine Punkte entdeckten, die “Nix” und “Hydra” genannt wurden. Nix ist die griechische Göttin der Dunkelheit und die Mutter von Charon und Hydra die neunköpfige Monsterschlange, mit der Herkules kämpfen musste. Mit dem mythologischen Charon oder Pluto hat Hydra nix zu tun, aber die Anfangsbuchstaben von Nix und Hydra – N und H – waren ja auch die Anfangsbuchstaben von New Horizons und deswegen hat man sich dafür entschieden.

Im Gegensatz zu Charon sind Nix und Hydra winzige Monde. Nix ist ein wenig unförmig und circa 50 mal 30 Kilometer groß, Hydra ist nur minimal größer. Beide kreisen außerhalb von Charon um Pluto. Beziehungsweise um den gemeinsam Schwerpunkt von Pluto und Charon. Recht viel wissen wir nicht über die beiden Monde. Sie sind nicht in einer gebundenen Rotation; ganz im Gegenteil. Nix rotiert chaotisch, das heißt seine Rotationsachse schwankt unvorhersehbar hin und her; er kann ab und zu sogar komplett “umkippen”. Seine Bewegung um Pluto und Charon ist ein wenig regelmäßiger, aber dazu später mehr. Auch Hydra rotiert chaotisch um seine Achse.

Wir sind aber noch nicht fertig mit den Monden. 2011 wollte man – wieder mit dem Hubble Weltraumteleskop – nachschauen, ob Pluto vielleicht Ringe hat. Weiß man ja nicht genau und bevor man die Raumsonde bei ihrem nahen Vorbeiflug aus Versehen durch ein Ringsystem schickt wollte man es lieber genauer wissen. Ringe waren nicht zu finden – dafür aber ein weiterer Mond. Noch kleiner als Nix und Hydra, nur knapp 20 Kilometer groß. Er bekam den Namen “Kerberos”, benannt nach dem mythologischen dreiköpfigen Hund, der den Eingang zur Unterwelt bewacht. Auch Kerberos rotiert chaotisch und befindet sich genau zwischen den Umlaufbahnen von Nix und Hydra.

Hubble sieht Plutos Monde (Bild: gemeinfrei)

Als man 2011 Kerberos entdeckt hat, sind die NASA-Leute dann doch wieder ein bisschen nervös geworden. Wenn sich da so lange ein kleiner Mond versteckt hat, vielleicht ist da ja noch etwas? Noch war ja ein paar Jahre Zeit, bevor New Horizons ankommen würde, also noch genug Zeit, die Flugbahn zu ändern, falls da noch irgendwo ein Mond rumhängt. Also hat man nochmal und noch genauer hingeschaut und was soll man sagen: Da war noch ein Mond. Noch kleiner als Kerberos, und diesmal wurde er Styx getauft, so wie der Totenfluss den Charon der Fährmann mit seinem Boot überquert.

Sortieren wir mal durch: Wir haben Pluto, der mit Charon um ihren gemeinsam Schwerpunkt kreist. Zwischen Charon und Pluto sind 17500 Kilometer; dann folgt schon Styx mit einem Abstand von 43000 Kilometer zum Schwerpunkt von Pluto/Charon. Als nächstes kommt Nix, mit einem Abstand von 48700 Kilometer, es folgt Kerberos mit einem Abstand von 58.000 Kilometer und ganz außen ist Hydra in 64750 Kilometer Entfernung (wir kennen die Abstände noch viel genauer, aber ich wollte nicht so unrunde Zahlen verwenden). Schaut man sich an, wie lange die ganzen Monde für ihre Runden brauchen, wird man überrascht. In der Zeit, in der Hydra zwei Runden schafft, bewegt sich Nix genau dreimal rundrum. Während Nix 9 Runden gemacht hat, hat Styx ganze 11 Runden geschafft. Oder, wenn man es ein wenig umrechnet: 11 Umläufe von Styx dauern genau so lange wie 9 Runde von Nix und 6 von Hydra.

Man kann auch noch die anderen Monde mit dazu nehmen und landet bei einem Verhältnis der Umlaufzeiten von 1:3:4:5:6, das allerdings nicht so exakt ist, wie das 11:9:6 von Styx, Nix und Hydra. Man nennt sowas eine Resonanz und ich hab schon öfter darüber gesprochen. Wie es zu dieser Ordnung der Umlaufzeiten gekommen ist, ist noch nicht ganz klar. Vermutlich hat es mit der Entstehung der Monde zu tun. Man geht heute davon aus, dass Charon und Pluto unabhängig voneinander entstanden, aber dann miteinander kollidiert sind. Oder besser gesagt: Das zwei Himmelskörper miteinander kollidiert sind und zwar so heftig, dass bestimmte gefrorene Gase aufgetaut und im All verschwunden sind, aber nicht so heftig, dass beide Himmelskörper komplett zerstört wurden. Die kleinere Monde sind vermutlich Bruchstücke dieser Kollision, die später eingefangen worden sind und deren Umlaufbahnen sich dann durch die gravitativen Störungen von Charon so verändert haben, bis sie irgendwann in der speziellen resonanten Konfiguration quasi stecken geblieben sind. Mit dieser Hypothese kann man aber nicht alle Eigenschaft erklären; wenn zum Beispiel Nix ein Bruchstuck einer Kollision ist, dann sollte seine Oberfläche nicht so hell und gut reflektierend sein, wie sie es ist.

Wir wissen halt noch nicht so viel über Pluto und seine Monde. 2015 ist die Raumsonde New Horizons einmal kurz und sehr schnell durch das System gerauscht und aus dieser einmaligen Begegnung haben wir alle Detailinformationen die wir eben haben. Natürlich können wir auch von der Erde aus mit Teleskopen hin schauen. Aber wenn wir wirklich verstehen wollen, was mit Pluto und seinen faszinierenden Monden passiert, werden wir nicht umhin kommen, uns diese Himmelskörper wieder aus der Nähe anzusehen…

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