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#Die Patin

Die Patin

Wenn Livia Drusilla (Nadia Parkes), nachmals Gattin des Kaisers Augustus und Stammmutter der Julisch-Claudischen Dynastie, zu Beginn wie eine Barbarin gewandet einen Felsbrocken im Wald aufliest und damit auf den Schädel eines Angreifers eindrischt, bis dieser sich jenseits des Styx wiederfindet und ihr eigenes Gesicht rot vom Blut des Erschlagenen ist, dann weiß man immerhin gleich, wo man gelandet ist: in der nächsten brutal boulevardesken Fernsehrenaissance der Antike, die ihre Klientel dieses Mal unter den herrenlos gewordenen Westeros-Vasallen von „Game of Thrones“ sucht.

Fünfzehn Jahre nach dem Serien-Spektakel „Rom“ und wie dieses mit großem Aufwand in den Cinecittà-Studios vor den Toren der Ewigen Stadt gedreht, will die italienisch-britische Sky-Eigenproduktion „Domina“ eine neue Perspektive aus unserer Gegenwart heraus auf den Untergang der römischen Republik und den Aufstieg von Caesars Adoptivsohn Gaius Octavianus an die Spitze des Staatswesens eröffnen. Die achtteilige Serie wählt den Blickwinkel einer Frau, die immerhin nicht nach „Wanderhuren“-Art bloß Hirngespinsten entstiegen, sondern einer realen Persönlichkeit mit staunenswerter Biographie nachempfunden ist.

Livia Drusilla – jung und charismatisch dargestellt von Nadia Parkes, älter und kühl von Kasia Smutniak – schafft es als Tochter eines Anhängers der Republik, der sich für seine Überzeugung ins Schwert stürzt, nicht nur, in Zeiten des Umsturzes am Leben zu bleiben. Sie gelangt ins Zentrum der Macht und erreicht einen beispiellosen Grad weiblicher Selbstbestimmung in einer monarchisch umgestalteten, von Männern beherrschten Sklavenhaltergesellschaft. Schwanger mit ihrem zweiten Sohn, tauscht sie den ersten Ehemann gegen den Götterliebling unter den Triumvirn, der als Einziger aus dem Dreierbündnis übrig bleiben wird.

Es kann nur einen geben: Gaius, der spätere Augustus (Tom Glynn-Carney, zweiter von links) beäugt Marcus Antonius (Liam Garrigan, Mitte)


Es kann nur einen geben: Gaius, der spätere Augustus (Tom Glynn-Carney, zweiter von links) beäugt Marcus Antonius (Liam Garrigan, Mitte)
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Bild: Sky Italia/Fifty Fathoms and Tiger Aspect Productions

Obwohl sie Augustus (als maßloser Bengel Tom Glynn-Carney, als spröder Herrscher Matthew McNulty) keinen Erben gebären kann, bindet sie ihn mehr als ein halbes Jahrhundert an sich, bis zu seinem Tod. Sakrosankt wie der Gemahl und befreit von der Vormundschaft, unter der andere Frauen standen, zieht sie als Beraterin politisch die Strippen. Ob mörderisch Machtbesessene oder augusteische Übermutter – darüber war man schon zu ihren Lebzeiten geteilter Ansicht. Ihr Enkel vergöttlichte sie. „Domina“ macht sie zur menschlich-allzumenschlichen Protagonistin einer schwülstigen und oft unfreiwillig komischen Nobel-Seifenoper (Buch Simon Burke, Regie Claire McCarthy und andere) rund um ein römisches Geschlecht, das hier wie eine Mafia-Clan wirkt, der in Tuniken die Tudors spielt.

Wer heroische Schlachtengemälde erwartet, wird enttäuscht, weil Frauen dort nicht zum Personal gehören. Abseits von Meuchelmord im kleinen Kreis und Massakern auf offener Straße erzählen die Herren der familia auf Klinen liegend von militärischen Großtaten, die man ihnen kaum zutraut. Von Gaius, dem späteren Augustus, über Livias Schwiegersohn Agrippa (Ben Batt), ihren Neffen Marcellus (Finn Bennett) bis zum Sohn Tiberius (Earl Cave) erschöpft sich vorgestellte Männlichkeit gerne darin, mit lässiger Handbewegung mehr oder weniger nackte Sklavinnen oder Sklaven nach voyeuristisch inszeniertem, halb-öffentlichem Beischlaf aus dem Raum zu wedeln.

Auf Leben und Tod kämpfen Frauen wie Livia Drusilla, ihre Vorgängerin Scribonia (Bailey Spalding) und Schwägerin Octavia (Alexandra Moloney), wenn sie nicht gerade intrigieren: in Geburtsszenen, die mehr für die Rate der Wunschkaiserschnitte tun dürften als sie für den dramaturgischen Fortgang leisten. Es wird geflucht wie in der Bronx, im englischen Original mich reichlich F-Worten. Zu gebären, das sei, wie eine verdammte Statue auszuscheiden, legt das Drehbuch der Römerin in den Mund. Oder: Der Verkehr auf der Appia war heute wieder ein Albtraum. Beim Männergespräch auf der Toilette lobt man dagegen den Anschluss an das System mit fließendem Wasser.

Ihr Gastspiel ist kurz: Isabella Rossellini als Bordellchefin.


Ihr Gastspiel ist kurz: Isabella Rossellini als Bordellchefin.
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Bild: Sky Italia/Fifty Fathoms and Tiger Aspect Productions

Auch wessen Marmorbildnis heute im Museum verstaubt, will uns Serienschöpfer Simon Burke wohl sagen, war einmal aus Fleisch und Blut. Deshalb sehen wir von beidem reichlich. Die Historie mit ihren bekannten Wendungen wird unterhaltsam ausstaffiert mit erfundenen Dramen aus der überlieferungsarmen Sphäre des häuslichen Umfelds. Livias beste Freundin, die befreite Sklavin Antigone (Melodie Wakivuamina und Colette Dalal Tchantcho), macht als Dunkelhäutige das Wesen der Sklaverei dem heutigen Publikum unmittelbar augenfällig. Sätze wie: „Ich will nicht beschützt werden, ich will Teilhabe“ wirken dann aber ebenso aufgesetzt wie das Nebendrama von Antigones Verschleppung in ein Hurenhaus, aus dem sie zu befreien Livia auszieht. Doch erst muss der Zerberus in Gestalt der Bordellchefin überwunden werden – gespielt von keiner Geringeren als Isabella Rossellini. Ein Jammer, dass ihr nicht mehr als ein Gastspiel von wenigen Minuten vergönnt ist.

Schleppend wie beim Gang durch einen Tibersumpf nimmt das Drama seinen Gang, wird aus der jung vermählten Tochter des einzig wahrhaft noblen Mannes weit und breit – Liam Cunningham gibt die Projektionsfigur des Vaterkomplexes würdevoll – eine natürlich immer blendend schöne Matrone mit Agenda. Dass das Ensemble nach zwei Episoden und einem Zeitsprung fast völlig ausgetauscht wird, trägt mit dem römischen Namensvielerlei zur Verwirrung bei. Umso erstaunlicher, dass die Schauspielerinnen in den Rollen Livias und Antigones durchaus mit Strahlkraft Frauen zwischen äußerem Zwang und eigenem Willen verkörpern. Livias Vater hätte über das Schauspiel drum herum gleichwohl mit seiner Lieblingssentenz geurteilt: „Das ist unrömisch.“

Domina, heute um 20.15 auf Sky Atlantic, bei Sky Ticket und Sky Q.

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