Nachrichten

#Die schöne Kunst des Erwachsenseins

Inhaltsverzeichnis

Vermutlich ahnte auch Joan Collins nicht, wie weit in die Zukunft jener Auftritt weisen würde, in dem sie doch vor allem eine Frau aus der Vergangenheit spielte, eine Frau mit Vergangenheit, eine Person, die alle hatten vergessen wollen. Es war der Auftritt, mit dem sie endlich so weltberühmt wurde, wie sie es zuvor nie gewesen war, obwohl es doch bloß Fernsehen war und sie in Spielfilmen von Howard Hawks und Leo McCarey, Henry Koster und Henry Hathaway aufgetreten und dreißig Jahre zuvor, nach ihrem Debüt in dem Teenagerdrama „I Believe in You“, zumindest in ihrer englischen Heimat schon einmal weltberühmt gewesen war.

Es war, 1981, die erste Folge der zweiten Staffel des „Denver Clans“, einer Serie, die aus Sicht heutiger Serienselbstverständlichkeiten jedenfalls, so schlicht, vorhersehbar und behäbig inszeniert war wie ihr Zwilling „Dallas“, nur noch ein bisschen langsamer. Aber dann saß, im Prozess gegen den Helden der Serie, eine ganz unwahrscheinliche Frau im Zeugenstand, schön, elegant und so weltläufig und sophisticated, dass die Leute aus Denver neben ihr wie aufgemotzte Bauernfünfer wirkten. Sie war die geschiedene Frau des Helden; und ihrer Tochter, die sofort Streit anfing, fiel kein Widerwort ein, als Joan Collins sie zurechtwies: Sie habe sich anscheinend die Zähne richten lassen. Aber leider nicht ihr Mundwerk.

Die Nachricht, die aber damals das Publikum fast noch mehr als Joan Collins’ Ausstrahlung und Anziehungskraft bewegte, war Joan Collins’ Alter. Sie war 48, als sie einstieg in die Serie, sie spielte die böse Frau acht Jahre lang; und wer ermessen will, wie groß die Sensation damals war, darf sich daran erinnern, dass Lauren Hutton, die zur gleichen Zeit in dem Film „American Gigolo“ die sehr erwachsene und vom Ehemann nach vielen Jahren angeödete Callboy-Kundin spielte, damals noch keine vierzig war.

Vergesst die jungen Mädchen

Der Umstand, dass heute keiner mehr wüsste, was an den 48 Jahren sensationell sein soll; die schöne Erfahrung, dass Schauspielerinnen wie Juliette Binoche und Emma Thompson, Julianne Moore und Cate Blanchett weit jenseits der fünfzig im Licht des Kinos die viel jüngeren Kolleginnen überstrahlen: Das alles hat nicht Joan Collins allein geschafft. Aber heute kommt es einem so vor, als wäre sie doch eine Pionierin gewesen, eine der ersten Frauen in der internationalen Fiktionsindustrie, die sich mit 45 nicht an den Rand drängen ließen, in die Positionen, wo es nur noch Rollen als Tante, Mutter, Hexe gibt. Mit ihren Performances setzte sie sich selbst ins Recht, weil es für beide, Zuschauerinnen und Zuschauer, so viel interessanter war, sich involvieren zu lassen von einer Frau, die ein bisschen mehr wusste, ein bisschen mehr erfahren hatte als die jungen Dinger um sie herum.

Ob es an ihr lag oder an den Agenten, Produzenten, Drehbuchautoren, dass sie erst mit Ende vierzig ein Star wurde, obwohl sie doch Jahrzehnte zuvor schon atemberaubend gewesen war, als bad girl eben in „I Believe in You“, als ägyptische Prinzessin in „Land of the Pharaos“ oder auch in den Horrorfilmen, die sie in den Siebzigerjahren drehte, das lässt sich nur noch schwer rekonstruieren. Ein Star ist, auch heute noch, wer stark, präsent und erkennbar genug ist, den eigenen, ganz unterschiedlichen Rollen gewissermaßen einen Gesamtzusammenhang zu verschaffen, ein Image, welches, je genauer man hinsieht, von der Person umso schwerer zu unterscheiden ist.

Womöglich war sie zu widerspenstig für die Festlegungen, die so ein Image erfordert. Vielleicht wussten die Regisseure nicht so genau, wen sie da vor sich hatten: das klassische böse Mädchen, die kultivierte, leicht dekadente Europäerin – oder doch die englische Antwort auf die Sexbomben des amerikanischen und italienischen Kinos. Selten war sie so falsch besetzt wie als Evelyn Nesbitt in „The Girl in the Red Velvet Swing“; die Autoren hatten beim Drehbuchschreiben an Marilyn Monroe gedacht.

Dass ihr das bad girl am meisten lag, hat sie dann seit den Neunzigern bewiesen, als sie Kolumnen für englische Zeitungen schrieb und sich, als Thatcher-Fan, Ukip-Sympathisantin, Brexit-Befürworterin, vor keinem Streit fürchtete. Am heutigen Dienstag wird sie neunzig; man möchte ihr noch viele unruhige Jahre wünschen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!