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#„Die Schule ist die einzige Chance gegen Extremismus“

„Die Schule ist die einzige Chance gegen Extremismus“

Herr Mansour, in Frankreich akzeptiert mindestens die Hälfte der Lehrer Abmeldungen muslimischer Schülerinnen vom gemischten Sportunterricht, meidet die Evolutionstheorie und die Sexualpädagogik. Nehmen Sie diese Selbstzensur auch bei deutschen Lehrern wahr?

Heike Schmoll

Heike Schmoll

Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.

In der Intensität wie in Frankreich nicht, aber Frankreich ist Deutschland etwa zehn Jahre voraus. In Einzelfällen gibt es allerdings Vergleichbares. An vielen Schulen in Deutschland gibt es keinen Schwimmunterricht mehr, die Eltern finden Wege, ihre Töchter zu befreien. Über die Evolutionstheorie zu sprechen ist ebenso schwierig wie über Sexualpädagogik oder Religionskritik und viele andere Themen mehr. Viele Lehrer sind nicht ausreichend vorbereitet darauf oder haben Angst. Ich kenne einen Sozialarbeiter arabischer Herkunft in Bayern, der sich nicht zu sagen traut, dass er Christ ist. Auch homosexuelle Lehrer wagen nicht, darüber zu reden, weil damit ihre Autorität untergraben wäre.

Müssten Schulen also viel klarer kommunizieren, was sie von den Schülern erwarten?

Ja, es sind deutsche Schüler – ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Aber es gibt Eltern, die sich entschlossen wehren – auch mit rechtlichen Mitteln, außerdem haben die Schulleitungen Angst vor einem schlechten Ruf ihrer Schule. Warum ist es immer noch so leicht, dass ein patriarchalischer Vater seine Tochter vom Schwimmunterricht abmeldet und sie nicht bei der Klassenfahrt mitfahren lässt? Das müsste der Rechtsstaat nicht einfach hinnehmen, sondern entschlossen einschreiten.

Unter Schülern gibt es zunehmend religiöses Mobbing: Schüler kontrollieren, wer während des Ramadan heimlich isst und trinkt, kurz: kein richtiger Muslim ist.

Ich höre viel von alevitischen Kindern, die nicht fasten müssen und trotzdem ihr Essen verstecken mussten, ich höre das von Kindern, die nicht auf Halal-Essen achten. Wir kennen das von Mädchen, die einen Freund haben, kein Kopftuch tragen oder im Sommer leicht bekleidet sind – aber das gibt es nur an bestimmten Schulen mit einem sehr hohen Anteil von Migranten.

Ahmad Mansour ist Psychologe und Autor. Er beschäftigt sich mit Projekten gegen Radikalisierung, Unterdrückung im Namen der Ehre und Antisemitismus in der islamischen Gemeinschaft. 2017 startete er die Initiative „Mind Prevention – Freiheit beginnt im Kopf“.


Ahmad Mansour ist Psychologe und Autor. Er beschäftigt sich mit Projekten gegen Radikalisierung, Unterdrückung im Namen der Ehre und Antisemitismus in der islamischen Gemeinschaft. 2017 startete er die Initiative „Mind Prevention – Freiheit beginnt im Kopf“.
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Bild: Jens Gyarmaty

Warum radikalisieren sich Jugendliche, die nicht aus streng religiösen Elternhäusern stammen?

Bei vielen ist die Radikalisierung eine Antwort auf ihre Verunsicherung bei der Suche nach ihrer Identität. Gründe sind auch persönliche Krisen, fehlende Vaterfiguren, die ein Bedürfnis nach Entlastung schaffen. Wir dürfen aber die Rolle der Religion und der Ideologie als attraktive Antwort auf Überforderung nicht verdrängen. Ja, manche Jugendliche kommen aus säkularen Familien, die aggressiv auftreten und mittlerweile sicherheitsrelevant geworden sind. Es gibt aber auch eine Generation von Muslimen, die aus konservativen Familien kommen und in den meisten Fällen nicht zum IS gehen, aber die Probleme im Schulalltag schaffen. Das gilt für den Umgang mit dem Kopftuch, mit dem Ramadan, mit der Ablehnung der Evolution, es gilt für antisemitische Einstellungen, die sehr verbreitet sind. Über den Nahost-Konflikt zu sprechen ist entsprechend schwer. Wenn ich mit meinem Team in eine Klasse komme und sage, ich bin arabischer Israeli, ist die Ablehnung viel größer, als wenn ich einfach sage, ich bin Palästinenser.

Sie haben selbst eine islamistische Phase durchgemacht, warum haben Sie sich radikalisiert?

Ausgangspunkt war eine persönliche Krise, ich wurde massiv in der Schule gemobbt und fühlte mich unverstanden und absolut allein. Religion spielte damals überhaupt keine Rolle. Es war der Imam, der an meiner Situation Interesse zeigte und sich kümmerte. Ich fühlte mich verstanden von ihm, und dann kam seine Einladung. Als ich in der Gruppe des Imam war, hatte ich Freunde und Orientierung gefunden: Ich wusste, wann ich aufstehe, wie ich mit meiner Sexualität umgehe und wie ich Mädchen begegne. Schwierige Entscheidungen haben andere für mich getroffen. Entsprechend ablehnend habe ich auf einen sehr historisch angelegten Islamunterricht in Israel reagiert, weil das mit den religiösen Narrativen des Imam nicht kompatibel war. Ich habe das Gefühl gehabt, ich gehöre zu einer Elite und werde gebraucht. Ich war leidenschaftlich dabei und habe nicht eine Sekunde gedacht, dass ich radikal bin.

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