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#Die Türkei steht nicht allein

„Die Türkei steht nicht allein“

Mindestens 13 Millionen Men­schen sind in der Türkei und in Syrien von dem verheerenden Erdbeben direkt betroffen, und längst ist die Dimension der Katastrophe nicht annähernd erfasst. Da ist es ein gutes Zeichen, dass die Türken alle politischen Differenzen beiseitelegen. Im Angesicht der Ka­tastrophe eint sie eine beispiellose So­lidarität. Mit einer großen Hilfsbereitschaft retten sie Leben und lindern das Leid der Überlebenden.

Weder die Regierungsparteien noch die der Op­position machen Parteipolitik, sondern rufen zur Solidarität auf. Alle le­gen Hand an, der Katastrophenschutz, die Kommunen, die Armee und die Bürger, die benötigte Gegenstände und Blut spenden.

In einer Zeit, in der Türkei umfassend Hilfe braucht, ist sie nicht allein. Rettungsmannschaften und Mediziner aus 17 EU-Staaten sind in das Katas­trophengebiet unterwegs. Griechenland gehörte trotz der Spannungen mit der Türkei zu den ersten Ländern, die Hilfe angeboten haben. Die NATO steht der Türkei bei, ebenso die Vereinten Nationen. Die Türkei kann sich auf das Engagement der Staatengemeinschaft verlassen.

Wahlen werden nicht verschoben

Noch ist nicht abzusehen, was auf die Rettungskräfte zukommt. Lange hatte es kein Erdbeben gegeben, das eine derart große Region in Mitleidenschaft gezogen hat. In vielen, vor allen entlegenen Regionen ist noch keine Hilfe angekommen. Unter den Trümmern werden viele Zehntausend Menschen vermutet. Bei den Schneestürmen und eisigen Temperaturen liefern sich die Rettungsarbeiten einen Wettlauf mit der Zeit. In wenigen Tagen werden die Aufräumarbeiten beginnen, sie werden mindestens zwei Monate dauern. Denn zerstört sind mindestens 11.000 Häuser, mindestens ebenso viele sind nicht mehr bewohnbar und müssen abgerissen werden.

Der Umgang mit der Erdbeben­katastrophe wird wohl den wirtschaftlichen Niedergang als Hauptthema des Wahlkampfs verdrängen. Auch wenn es vereinzelte (und heftige kritisierte) Stimmen gegeben hat, die Parlaments- und Präsidentenwahlen zu verschieben, werden sie am 14. Mai stattfinden, also in gut drei Monaten. Vorläufig ist zwar allein Solidarität angesagt. Bald aber werden Fragen gestellt werden, und sie werden möglicherweise das Ergebnis der Wahlen entscheiden.

Der Vergleich zum verheerenden Erdbeben vom 17. August 1999 drängt sich auf. Als damals östlich von Istanbul im Marmarameer die Erde bebte, starben mehr als 17.000 Menschen. Was danach folgte, war eine Abrechnung mit der alten politischen Klasse. Als Präsident Süleyman Demirel das Katastrophengebiet besuchte, wurde der einst populäre Politiker ausgebuht. Mit dem Ende einer Ära kündigte sich eine neue an, die drei Jahre später mit dem Erdrutschsieg der AKP des heu­tigen Präsidenten Erdogan auch be­gann. Die Menschen hatten den Glauben in die Politik und an den Staat verloren, die sie für Versäumnisse und die hohe Zahl von Todesopfern verantwortlich machten. Private Initiativen hatten mehr Menschenleben gerettet als der überforderte Staat.

Schwachstellen der politischen Kultur

Als Lehre aus dem Beben von 1999 ist seither der Katastrophenschutz gut aufgestellt worden, die Häuser sollten erdbebensicher gemacht oder von nun gleich so gebaut werden. Das aber ist offenbar nur unzureichend umgesetzt worden. Auch neue Gebäude stürzten wie Kartenhäuser ein. Fragen werden daher an die Bauwirtschaft und an die staatlichen Baubehörden gestellt werden, die diese Projekte genehmigt haben. Fragen werden gestellt werden, weshalb die Warnungen der Wissenschaft ignoriert worden sind. Seit Jahren warnte der führende Erdbebenforscher der Türkei, dass sich das nächste verheerende Erdbeben an der Stelle ereignen werde, wo die Erde dann tatsächlich in der Nacht auf Montag gebebt hat. Offenbar aber wurde er nie um Rat gefragt.

Auf den Prüfstand wird der Staatsapparat gestellt werden, den die AKP in den zwei Jahrzehnten ihrer Herrschaft umgebaut hat. Wird ein Wiederaufbau, der die Menschen zufriedenstellt, gelingen? 2023 kommt es zwar nicht zu dem Staatsversagen wie es 1999 der Fall war. Mängel werden aber sichtbar. Denn unverändert besteht ein Graben zwischen dem Zentralstaat und den Kommunen. Der Zentralstaat regiert mit Spitzenbeamten von Ankara aus in die letzten Winkel des Landes; die vom In­nenminister in die Provinzen entsandten Gouverneure haben mehr Kompetenzen als die gewählten Bürgermeister. Eine Abstimmung zwischen ihnen findet selten statt.

Das Beben legt Schwachstellen der türkischen politischen Kultur offen. Es erinnert aber auch an das Leiden im Bürgerkriegsland Syrien, aus dem nur spärlich Informationen über das Ausmaß der Katastrophe fließen und wohin die Hilfen ungleich schwerer gelangen, als es in der Türkei der Fall ist. Das Beben ist auch ein Weckruf, die Flucht und Vertreibung sowie die Zerstörungen, die der Krieg in Syrien verursacht hat, nicht zu vergessen.

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