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#Die unergründlichen Wege der Haubitzen

„Die unergründlichen Wege der Haubitzen“

Seit voriger Woche greifen die russischen Streitkräfte gezielt Infrastrukur in der Ukraine an, über die westliche Waffenlieferungen ins Land kommen und dort verteilt werden können. Zuletzt richteten sich diese Angriffe mit Bombern, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen vor allem gegen das Schienennetz. Am Mittwoch seien sechs Bahnhöfe getroffen worden, teilte Alexander Kamyschin mit, der Direktor der ukrainischen Eisenbahn. Dabei sei „schwerer Schaden“ entstanden, aber niemand verletzt worden. Am Vortag hatte Russland 18 Marschflugkörper auf acht Regionen des Landes gefeuert und dabei nach ukrainischen Angaben drei Umspannwerke schwer beschädigt, die das Bahnnetz mit Strom versorgen. Die Ziele lagen im Osten, in der Mitte und im Westen des Landes. Erstmals seit Kriegsbeginn wurde das Gebiet Transkarpatien im äußersten Südwesten getroffen. Russland versuche seiner „Ohnmacht Luft zu machen, weil es die Ukraine nicht schlagen kann“, kommentierte Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Der Bahnverkehr in der Ukraine ist durch die Attacken gestört worden. Am Dienstag hätten sich fünfzig Züge verzögert, am Mittwoch vierzehn, gab der Eisenbahn-Chef an. Aber auch die Lieferung von Waffen? Ein leitender Beamter des amerikanischen Verteidigungsministeriums verneinte dies am Mittwoch. Man sei noch dabei, die Schäden einzuschätzen, sagte er, aber „wir haben bisher keine negativen Auswirkungen auf die Fähigkeit der Ukrainer gesehen, sich zu regenerieren und mit Nachschub zu versorgen.“ Es gebe keine Hinweise darauf, dass westliche Lieferungen aufgehalten oder gar getroffen worden seien. Gleichlautend hatte sich zuvor schon ein leitender NATO-Beamter gegenüber der F.A.Z. geäußert.

Viele Flugplätze beschädigt

Überprüfen lassen sich diese Aussagen so wenig wie russische Erfolgsmeldungen. Wie die Waffen genau in die Ukraine kommen, ist streng geheim. Zwar geben westliche Geheimdienstvertreter seit Beginn des russischen Überfalls willig Auskunft über Bewegungen russischer Truppen. Wenn sich Fragen jedoch auf westliche Logistik richten, herrscht Schweigen. Niemand will die Lieferungen gefährden und Russland Hinweise geben. Erst, wenn Systeme erfolgreich geliefert worden sind, wird dies bestätigt. So berichtete derselbe Pentagon-Beamte am Mittwoch, dass neunzig Prozent der neunzig von Amerika zugesagten Haubitzen des Typs M777 inzwischen im Land seien und einige davon schon im Gefecht eingesetzt würden. Außerdem seien 90.000 von 144.000 Schuss Munition geliefert worden. Die gezogene Feldhaubitze verschießt das NATO-Standardkaliber 155 Millimeter. Der Beamte gab auch preis, dass fünf von sechzehn Transporthubschraubern inzwischen in der Ukraine seien. Diese Hubschrauber, das sowjetische Modell Mi-17, waren ursprünglich für die afghanische Regierung beschafft, aber nach der Machtübernahme der Taliban nicht ausgeliefert worden.

Vor der russischen Invasion haben Amerikaner und Briten ihre Militärhilfe direkt nach Kiew geflogen. Das ist seither zu gefährlich, Transportflugzeuge sind leichte Ziele für die russische Flugabwehr. Außerdem haben die Russen viele Flugplätze beschädigt. Seither werden Waffen vor allem nach Polen gebracht, wo der Flughafen Rzeszow eine wichtige Rolle spielt, aber auch nach Rumänien. Sie werden in Depots zwischengelagert und von dort aus weiterverteilt – schweres Gerät auf Zügen, Munition und Handwaffen auch mit Lastwagen. Zu hören war, dass die vielen Züge, die Flüchtende nach Westen brachten, vollbepackt mit Waffen und Munition wieder zurückführen.

Das wären an sich leichte Ziele für die Russen, gleichwohl hielten sie sich in der ersten Kriegsphase zurück. Zum einen kalkulierten sie wohl selbst mit dem Schienennetz, um das Land schnell besetzen zu können. Es ist praktischerweise noch auf die Breitspur ausgerichtet, ein Relikt des Zarenreichs und der Sowjetunion. So entfällt das zeitaufwendige Umspuren der Wagen, wie es etwa an der Grenze Polens zur Ukraine notwendig ist. Die Armee hätte weiter ihre Flachwagen verwenden können. Zum anderen sind die russischen Streitkräfte offenkundig nicht in der Lage, bewegliche Ziele in Echtzeit zu verfolgen und mit Distanzwaffen zu treffen. Selbst bei statischen Zielen liegt die Trefferquote ihrer Präzisionswaffen nach westlichen Angaben lediglich zwischen 20 und 60 Prozent.

Fast nur noch frei fallende Bomben

Der erste Grund spielt nun, in der zweiten Kriegsphase, keine Rolle mehr. Moskau musste seine Ambitionen zurückstutzen und glaubt offenbar nicht mehr daran, dass es in naher Zukunft die strategische Infrastruktur selbst benötigt. Das gilt sogar für Odessa, wo eine wichtige Brücke an der Dnister-Mündung zerstört worden ist. Der zweite Grund besteht hingegen fort und könnte erklären, warum Waffen weiterhin ohne größere Probleme ins Land gelangen. Die russischen Angriffe seien „nicht sehr genau, wenn es darum geht, kritische Infrastruktur zu treffen“, sagte der Pentagon-Vertreter. In sozialen Netzwerken sind Fotos zu sehen, die das zu belegen scheinen – Raketen trafen den Bahndamm, nicht die Gleise.

Außerdem scheinen Lenkwaffen und ballistische Raketen allmählich knapp zu werden. Nach letzter Zählung des Pentagons haben die Russen seit Kriegsbeginn mehr als 2125 Raketen auf die Ukraine abgeschossen. Niemand weiß genau, wie groß ihre Arsenale sind und was sie für eine mögliche Auseinandersetzung mit dem Westen zurückhalten. Doch fiel auf, dass zuletzt Raketen, die eigentlich zur Flugabwehr gedacht sind, in einer sekundären Rolle für Angriffe verwendet wurden. Außerdem werfen russische Bomber fast nur noch frei fallende Bomben ab. Um mehr Präzisionsmunition herzustellen, benötigt die russische Industrie Bauteile, die unter Sanktionen stehen.

Für Moskau ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. In den nächsten Tagen und Wochen soll Kiew immer mehr schwere Waffen bekommen. Dazu gehören die deutschen Geparden und schwere Panzerhaubitzen. Wenn die Angreifer diese Lieferungen nicht verhindern, könnte sich das Kräfteverhältnis im Donbass zu ihren Lasten verschieben.

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