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#Die Unverschuldsvermutung gilt auch für Opfer

In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung. In diesen Tagen werden viele nicht müde, dieses Grundprinzip unseres Strafrechts zu betonen. Sie wenden es auf Till Lindemann an, den Rammstein-Frontmann und Musiker, der für besonders provokante, entgrenzende Musikvideos, Liedtexte und auch Gedichte bekannt ist.

Ihm wurde von mehreren Frauen in verschiedenen Medien vorgeworfen, sie seien von ihm und seiner Gehilfin Alena Makeeva für Sex auf Aftershow-Partys rekrutiert worden. Mindestens zwei Frauen geben an, der Sex sei nicht einvernehmlich gewesen; außerdem wurde der Verdacht einer Betäubung mancher Frauen durch Alkohol und K.-o.-Tropfen geäußert.

Nun gilt die Unschuldsvermutung für Lindemann, so wie für jede Person in unserem Rechtssystem. Das bedeutet aber nicht, dass man keine Fragen stellen darf. Wieso etwa hat sich die Band zu den Vorwürfen so widersprüchlich geäußert? Einen Vorfall in Vilnius dementierten sie zunächst, riefen dann dazu auf, die Frauen, die Vorwürfe machten, nicht vorzuverurteilen (die Band aber auch nicht), und engagierten schließlich eine Kanzlei, die die Vorfälle aufklären soll, sowie eine auf Krisenkommunikation spezialisierte PR-Firma.

Dann aber ließ Lindemann über seine jüngst engagierten Medienanwälte verlauten, keiner der Vorwürfe stimme. Aber wieso bekam dann Lindemanns mutmaßliche Gehilfin Alena Makeeva Backstage-Verbot? Wenn doch die Vorwürfe nicht stimmen?

Shelby Lynn: Die Nordirin gibt an, bei einer Rammstein-Party ohne Zustimmung Drogen verabreicht bekommen zu haben.


Shelby Lynn: Die Nordirin gibt an, bei einer Rammstein-Party ohne Zustimmung Drogen verabreicht bekommen zu haben.
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Bild: Shelby69666 / Instagram

Den Frauen werden Lügen, Gier und Ruhmessucht unterstellt

Die mutmaßlich betroffenen Frauen wurden in den sozialen Medien von Rammstein-Fans und solchen, die es werden wollen, mit Hass und Häme überzogen; ihnen wurden Lügen unterstellt, Gier und Ruhmessucht. So sagte etwa Lindemanns Ex-Freundin Sophia Thomalla in der „Bild“-Zeitung über Shelby Lynn: „Diesen ‚Vorfall‘ in Vilnius hat es nie gegeben! Das ist frei erfunden von einer Person, die sich auf dem Rücken eines Rockstars für fünf Minuten Fame verschaffen möchte. Einem selbst ernannten Opfer gebe ich weder eine Bühne, noch unterstütze ich das für eine Sekunde.“

Die Äußerung, dass es einen Vorfall, bei dem man selbst nicht dabei war, nie gegeben habe, ist per se fragwürdig. Die Formulierung Thomallas ist aber auch problematisch, weil sie mehrere gängige Narrative über Frauen aufgreift, die sich in sogenannten MeToo-Affären als Betroffene zu erkennen geben.

Da ist zum einen der Vorwurf, Frauen, die Anschuldigungen erhöben, wollten Berühmtheit. Das ist eine merkwürdige Unterstellung, bleibt doch eine große Anzahl von Frauen in solchen Recherchen anonym, weil sie negative Folgen für sich fürchten. Der einzige Ruhm, den Shelby Lynn, die mit Klarnamen und Bildern für ihr Anliegen eintritt, bisher eingeheimst hat, ist der, dass unvorteilhafte Videos von ihr vom Konzertabend in Vilnius kursieren (sie selbst gibt an, sich darauf kaum wiederzuerkennen, und hatte schon vorher den Verdacht geäußert, ihr seien Drogen verabreicht worden). Sie hat nach eigenen Angaben Hassnachrichten, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen bekommen – und eine Unterlassungsklage von Lindemann, obwohl Rammstein zuvor auf Lynns Recht auf ihre Sicht der Dinge gepocht hatte.

Für Übergriffe wird man weder befördert, noch bekommt man Geld

Dann gibt es den Vorwurf des selbst erhobenen Opferstatus. Dass Frauen sich in Bezug auf Sexualstraftaten zu Opfern stilisieren, ist ebenfalls eine weit verbreitete Ansicht. In der Leipziger Autoritarismusstudie von 2022 gaben knapp ein Viertel der Befragten an, Frauen würden bei ihren Schilderungen über sexualisierte Gewalt häufig übertreiben, um Vorteile aus der Situation zu schlagen. Nur, welche Vorteile haben Frauen aus dem sogenannten Opferstatus? In der Regel wird man für einen Übergriff weder befördert, noch bekommt man Geld. Frauen, die über sexualisierte Gewalt sprechen, machen sich nämlich eigentlich nicht passiv zum Opfer, im Gegenteil: Indem sie über Erlebtes sprechen, werden sie aktiv. Sie erobern das Narrativ über ihre Geschichte zurück – und fordern in justiziablen Fällen Gerechtigkeit, auch juristischer Art.

Diese Vorwürfe sind gängig, verkennen aber ebenfalls den Grundsatz unseres Strafrechts: Die Unschuldsvermutung gilt nämlich auch für Opfer oder solche, die angeben, eines zu sein. Würden mutmaßlich Betroffene lügen oder übertreiben, so könnte man sie der Falschaussage und der Verleumdung bezichtigen. Dies wird oft getan, gerade wenn sich, wie zunächst Shelby Lynn, eine einzelne Frau äußert. Häufen sich dann die Aussagen Dutzender Frauen, werden diese Vorwürfe meist leiser.

Offenbar trauen die meisten eher einer Frau die Verleumdung zu als einem Mann den sexuellen Übergriff. Dabei sollte die Unschuldsvermutung für jeden gelten, egal, um welches Delikt es sich handelt. Und weil die Unschuldsvermutung eben gilt, muss hier noch einmal Lindemanns aktuelles Statement zu den Vorwürfen zitiert werden: „Die Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr.“

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